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Gesundheit: Wie Humboldts Papagei ins Museum kam

In den Sammlungen finden sich immer wieder unbekannte Schätze des Universalgelehrten

Vasa-Papageien galten auf Madagaskar wegen ihres massenhaften Vorkommens einst als wahre Pest. Im Berliner Museum für Naturkunde ist das Vogelpräparat eines dieser Tiere heute eine regelrechte Ikone. Bei Führungen hinter die Kulissen des Hauses wird der Vasa-Papagei stets vorgeführt. Denn immerhin hat dieser eine „Coracopsis vasa“ bei Alexander von Humboldt bis zu seinem Tode 30 Jahre lang als Haustier gelebt. Der Forscher wohnte damals in der Oranienburger Straße – nicht weit von Museum und Universität entfernt. Humboldt taufte den Papagei auf den Namen „Jakob“, obgleich es ein Weibchen war, wie sich später herausstellte.

Ähnlich wie Humboldt hatte auch sein Papagei eine bewegte Lebensgeschichte, die von den beiden Mitarbeitern am Berliner Naturkundemuseum, Rüdiger Becker und Jürgen Fiebig, kürzlich recherchiert wurde. Humboldts späteres Haustier stammte aus dem östlichen Madagaskar, von wo ihn vermutlich französische Soldaten nach Straßburg mitnahmen. Dort erwarb ihn um 1785 der bayerische König Maximilian I. So vermerkt es der Katalog des Museums unter der Registriernummer ZMB 14.578: „Dieser Vogel gehörte dem König von Bayern, als die Königin Elisabeth noch ein kleines Kind war, wurde dem Großherzog von Weimar geschenkt und von diesem Herrn v. Humboldt vermacht.“

Knapp 130 Jahre später fügte der Vogelkurator im Katalog den Zusatz hinzu, die Überreste von Humboldts Vasa-Papagei seien „in erbärmlichem Zustand“. Seit das Museum gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von Bomben schwer beschädigt wurde, fehlten auch Humboldts Papagei ein Flügel sowie zahlreiche Federn an Kopf und Bauch. Der Schwanz war gebrochen. Erst 1999 konnte das Präparat sorgfältig restauriert werden.

Seit Hans Magnus Enzensberger im September in der „Anderen Bibliothek“ drei der wichtigsten Werke Humboldts wieder aufgelegt hat, begeistern dessen abenteuerliche Expeditionen die Menschen mehr denn je. Trotzdem weiß man in seiner Geburtsstadt, deren Universität auch in seinem Namen umbenannt wurde, nicht genau zu sagen, welche Originalstücke aus seiner Sammlung im Naturkundemuseum vorhanden sind.

Während ihrer Recherche fanden Becker und Fiebig weitere fünf Vogelpräparate aus der Sammlung von Alexander von Humboldt im Berliner Museum. Bei den Amphibien und Reptilien sind 19 Stücke aus Humboldts Besitz bekannt, meist aus dem Kaspischen Meer. Es finden sich auch 18 Fische, teilweise aus dem Titicaca-See, die Humboldt gefangen und beschrieben hat, und wenigstens drei Säugetiere. Daneben gibt es zahlreiche Insekten und Weichtiere, etwa eine von Perlenzüchtern manipulierte Muschel, die kleine Buddha-Bildnisse statt Perlen in ihrer Schaleninnenseite zeigt. Sie alle stammen aus der zoologischen Privatsammlung Alexander von Humboldts. Auch lagern in der Historischen Bild- und Schriftgutsammlung des Berliner Museums noch unbearbeitete Schriftstücke, die seine vielfältigen Kontakte zu Wissenschaftlern belegen.

Ein Gesamtkatalog aller von Humboldt gesammelten oder aus seiner Privatsammlung später dem Berliner Museum vermachten naturkundlichen Stücke existiert jedoch nicht; obwohl doch das Haus wie auch die Universität ihm ebenso wie seinem Bruder Wilhelm als wichtigen Förderern oder Pionieren bei der Gründung im Jahre 1810 in besonderer Weise verpflichtet sind. Die Kuratoren müssen sich Informationen über einzelne Sammler mühsam aus den Eingangskatalogen heraussuchen, sofern sie dort überhaupt vermerkt sind, oder schlicht die Schubladen und Schränke im Museum durchforsten, bis sie eine Attraktion wie Humboldts einstiges Haustier heben können.

Immerhin wurden im Naturkundemuseum bislang 258 Mineralien aus Humboldts Sammlung entdeckt. Sechs davon werden derzeit in der Ausstellung präsentiert. Die Sammlungsstücke zeichnen sich durch genaue Dokumentation aus. Das war auch in späteren Zeiten durchaus nicht für alle Sammler üblich; allein durch ungenaue Fundortbestimmungen wird der wissenschaftliche Wert ihrer Stücke oft erheblich geschmälert.

Die ältesten Stücke der Humboldtschen Mineraliensammlung stammen aus seiner Zeit als Student an der Bergakademie in Freiberg und als preußischer Bergbeamter zwischen 1792 und 1797. Aber auch von seiner Reise durch Süd- und Mittelamerika zwischen 1799 und 1804 brachte Humboldt zahlreiche Mineralien und Fossilien mit. Insgesamt sieben große Kisten, gefüllt mit Gesteinen, schenkte er dem Berliner Mineralienkabinett. Die meisten der in Berlin vorhandenen Stücke stammen aber von Humboldts Russlandreise, die der fast 60-Jährige auf Einladung von Zar Nikolaus I zwischen April und Dezember 1829 machte.

Um Humboldts Sammlungen sowohl für weitere Forschungsarbeiten als auch für Ausstellungen zu nutzen, bräuchte das Museum unter anderem eine moderne Datenbank. Berliner Wissenschaftsinstitutionen sind aber wohl traditionell in einem bedenklichen Zustand. Humboldt erlebte dies selbst nach seiner Rückkehr aus Südamerika. Damals gab es in Berlin weder ein Naturkundemuseum noch eine Universität.

Zudem fand Humboldt kein geeignetes Gewächshaus, in dem er seine mitgebrachten Pflanzen hätte kultivieren können. Kurzerhand kehrte er nach Paris zurück, wo er bis 1827 gleichsam im wissenschaftlich-intellektuellem Exil lebte. Vielleicht auch deshalb hielt er Zeit seines Lebens Berlin für eine „kleine, geistig verödete Stadt“.

Matthias Glaubrecht

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