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Gesundheit: „Wir brauchen ein nationales Krebsprogramm“

Klaus Höffken, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, fordert ein radikales Umdenken bei der Behandlung

Höffken ist Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, die von morgen an in Berlin tagt. Höffken ist Internist und Direktor an der Jenaer Uniklinik.

Morgen beginnt der Deutsche Krebskongress in Berlin. Sie kritisieren die deutsche Krebsmedizin, weil sie nicht gut genug sei. Welche Indizien haben Sie dafür?

Nun, zum Beispiel wird nur jede zweite Brustkrebs-Patientin nach wissenschaftlich anerkannten Leitlinien behandelt. Ähnliches gilt für Patienten mit Darmkrebs. Das wichtigste Indiz sind aber Untersuchungen der „Eurocare“-Studie, die Heilungserfolge in Europa verglichen hat. Ergebnis: Deutschland findet sich bei den wichtigsten Tumorerkrankungen nur im Mittelfeld. Das gibt doch zu denken - auch, wenn man sich die Kosten unseres Gesundheitswesens ansieht.

Sie haben ein „McCancer“ gefordert – also die Möglichkeit, dass jeder Krebspatient bundesweit die gleiche, solide Behandlung bekommt.

Wir brauchen ein nationales Krebsprogramm. Dazu gehört eine klare Hierarchie. An der Spitze sollte ein nationales Krebsinstitut stehen, das die Normen festlegt und weiterentwickelt. Darunter stehen dann zehn bis 15 überregionale Tumorzentren. Sie sollten die jährlich 400000 Neuerkrankten behandeln. In diesen Zentren müssen die Experten zusammenarbeiten wie Musiker in einem Orchester. Auch die Sektoren-Trennung in Krankenhaus, Arztpraxis und Reha-Einrichtung sollte aufgelöst werden. Auf der nächsten Stufe kommen dann regionale Versorgungszentren, die wohnortnah die Patienten weiterbetreuen.

Das würde auch bedeuten, dass kleine Krankenhäuser und Arztpraxen diese Patienten nicht mehr in erster Linie behandeln dürfen?

So ist es. Für isolierte Einrichtungen, etwa Schwerpunktpraxen ohne Einbindung in Zentren, ist in diesem Konzept kein Platz. Aber die politischen Widerstände gegen entsprechende Maßnahmen sind erheblich. Wir haben leider zu viele selbst ernannte Experten und Zentren in Deutschland.

Wie steht die Politik zu Ihren Plänen?

Bisher sind sie nicht aufgegriffen worden.

Wie kann man Krebs vorbeugen?

Punkt eins: Mit dem Rauchen aufhören oder gar nicht erst anfangen. Und dann gesunde Ernährung – fünf Mal am Tag Obst und Gemüse – und viel Bewegung. Beides zusammen senkt das Krebsrisiko um 30 Prozent. Leider haben wir nur Durchschnittswerte. Wir wissen noch nicht, welche Einzelperson durch ihre Gene besonders gefährdet ist.

Die Früherkennung, insbesondere von Brust- und Prostatakrebs, ist in der Kritik. Mehr Schaden als Nutzen, lautet die These.

Ich sehe das völlig anders. Es gibt keine Zweifel daran, dass ein früher erkannter Krebs die höheren Heilungschancen hat. Überall da, wo etwa die Brustkrebs-Früherkennung systematisch betrieben wird, sind die Heilungsraten deutlich höher als bei uns. Man sollte also nicht darüber streiten, ob die Früherkennung Wert hat oder nicht, sondern man sollte ihre Nachteile abmildern. Man braucht gute Untersuchungsmethoden und qualifizierte Untersucher.

Thema Brustkrebs: Kritiker sagen, dass man viele Frauen röntgen muss, um am Ende relativ wenigen das Leben zu retten.

In der Altersgruppe zwischen 50 und 70 bringt das Screening etwas. Da können sie 4000 Frauen pro Jahr das Leben retten. Ich gebe aber zu, dass wir uns auch mit den Konsequenzen unseres Wissens auseinander setzen müssen. So wird der Prostatakrebs mit dem PSA-Test heute früher erkannt – aber wir wissen noch nicht, wie man am besten darauf reagiert. Doch deshalb können wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen das weiter erforschen.

Hat die Behandlung Fortschritte gemacht?

Die Strahlentherapie ist genauer geworden, ähnliches gilt für die Chirurgie. Neue Medikamente verfeinern die Behandlung und ermöglichen eine gezielte Therapie. Anders gesagt: Wir können heute mit Pfeilen schießen, wo wir früher nur eine Keule zur Verfügung hatten. Das alles bringt zusammen etwa fünf bis sieben Prozent Erhöhung der Heilungschancen, die Früherkennung dagegen zehn und die Verhütung, wie gesagt, sogar 30 Prozent. Wir müssen also mehr auf die beiden letztgenannten Dinge setzen.

Wie oft ist Krebs heilbar?

Im Durchschnitt zu 45 Prozent, aber das schwankt je nach Stadium und Krebsart.

Welche Rolle spielt die Krebsforschung?

Die Grundlagenforschung legt die Fundamente für zukünftige Therapien. Aber wir brauchen auch mehr Wissen über Vorbeugung. Und schließlich müssen wir mehr Versorgungsforschung machen. Also untersuchen, was am besten hilft. Diese Forschung am Krankenbett wird zu wenig gefördert, so dass wir Gefahr laufen, nur noch die Ergebnisse anderer Länder zu importieren.

Welche Effekte hat die Alternativmedizin?

Die Krankheit selbst wird nicht nachweislich beeinflusst. Aber die Lebensqualität kann besser werden. Ich denke da vor allem an Dinge wie die Naturheilkunde. Man sollte offen damit umgehen, denn die meisten Patienten probieren sie sowieso aus.

Das Gespräch führte Hartmut Wewetzer.

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