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Gesundheit: Wohin das Geld des Astas fließt

Hat die Studentenvertretung der FU einen Film über die Agenda 2010 finanziert?

Hat der Asta der Freien Universität wieder studentisches Geld zweckentfremdet? Mehrfach haben Gerichte der Studierendenvertretung untersagt, sich zur allgemeinen Politik zu äußern oder für allgemeinpolitische Projekte Geld auszugeben. Doch möglicherweise hat die Studierendenvertretung einen Dokumentarfilm über die gesellschaftlichen Auswirkungen des rot-grünen Reformprojekts Agenda 2010 mitfinanziert – mit Geld, das aus den Pflichtbeiträgen aller Studierenden der FU kommt. Das könnte den Asta teuer zu stehen kommen. Bis zu 250000 Euro Ordnungsgelder könnten auf ihn zurollen. Zu zahlen mit Geld aus den Semesterbeiträgen von Kommilitonen. Sieben Euro muss jeder FU-Student pro Semester an die Studierendenschaft zahlen, der Asta kann über einen Jahresetat von etwa 500000 Euro verfügen.

Der Film „Eiszeit“, der im Sommer vor einem Jahr in deutschen Kinos anlief und mehrfach im Doku-Kanal des ZDF ausgestrahlt wurde, stammt von zwei jungen Filmemachern. Einer davon hatte selbst an der FU studiert. Mit einem Brief an den Asta, der dem Tagesspiegel vorliegt, luden die zwei Macher des Dokumentarfilms „Eiszeit“ Asta-Mitglieder zur Premiere am 24. Juni vergangenen Jahres in das Berliner Kino „Nickelodeon“ ein und dankten zugleich für die finanzielle Unterstützung: „Da Ihr mit Eurer finanziellen Unterstützung wesentlich zum Gelingen des Projektes beigetragen habt, würden wir uns ganz besonders freuen, Euch an diesem Abend zu sehen“, heißt es in dem Schreiben, das von den Filmemachern Alexander Kleider und Daniela Michel unterschrieben wurde, an den „Asta FU-Berlin“ adressiert ist und mit „Liebe (nicht: lieber, die Red.) Asta“ beginnt.

Der Asta möchte sich dazu nicht äußern. Auch Filmemacher Alexander Kleider, der laut seiner Homepage an der FU Kommunikations- und Politikwissenschaften studierte, will mit dem Tagesspiegel nicht über die Finanzierung seines Filmes sprechen. Auf der Homepage erwähnt er lediglich die Unterstützung der PDS-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung und weitere Stiftungen – und auch die des Astas der Technischen Universität Berlin. Welcher Art diese Unterstützung ist, bleibt offen. Der Asta der TU möchte sich nicht äußern.

Der Dokumentarfilm „Eiszeit“ zeigt die Porträts von Deutschen, deren Leben die Agenda 2010-Gesetze negativ beeinflussten: Eine Rentnerin aus der Berliner Gropiusstadt, die sich über ihre Vereinsamung beklagt, ein Mann mit Muskelschwund, dem die Betreuung gestrichen zu werden droht, zwei Blinde, denen das Blindengeld gekürzt werden soll, und eine Arbeitslose ohne Perspektive. Auch FU-Politikprofessor Peter Grottian tritt in dem Film auf: Er kommentiert die Agenda 2010 und prognostiziert die baldige Einführung flächendeckender Studiengebühren. Grottian bestätigte dem Tagesspiegel, „dass sich die Filmemacher um Asta-Unterstützungen bemüht haben“.

Nach der Premiere lief „Eiszeit“ auf einigen kleineren deutschen Filmfestivals. Der Dokukanal des ZDF strahlte ihn nach Auskunft der ZDF-Pressestelle unter der Rubrik „Forum junger Film“ aus. Für Filmlizenzen in dieser Rubrik zahle man zwischen 1500 und 3500 Euro an die Filmemacher, hieß es dort.

Der FU-Asta machte auf seiner Homepage unter der Rubrik „Termine“ seinerzeit Werbung für „Eiszeit“: Eine Diskussion über die Notwendigkeit der Reformen würde in der Medienlandschaft nicht „widergespiegelt“, hieß es im Juni vergangenen Jahres auf einer Unterseite der Asta-Homepage, die mittlerweile nicht mehr aufrufbar ist. Der Film, war dort zu lesen, erzähle „von der abstrakten Logik des Systems seiner vermeintlichen Sachzwänge und dessen Auswirkungen auf den einzelnen Menschen.“ Der gleiche Wortlaut findet sich bis heute in der Filmbeschreibung auf der Homepage der Filmemacher.

Dem Asta ist es verboten, sich zu Themen zu äußern, die keinen Hochschulbezug aufweisen. Auch darf er keine allgemeinpolitischen Aktivitäten Dritter unterstützen. Denn die Studierenden sind zwangsweise Mitglied in der verfassten Studierendenschaft. Darin sehen die Gerichte seit den siebziger Jahren eine Einschränkung der grundgesetzlichen Handlungsfreiheit der Studierenden. „Jede weitere Veröffentlichung allgemeinpolitischen Inhaltes und jede weitere Unterstützung allgemeinpolitischer Aktivitäten Dritter durch die Antragsgegnerin greift in das Grundrecht des Antragsstellers ein“, formulierte das Verwaltungsgericht Berlin etwa am 16. Mai 2002.

Die Beschwerde des FU-Astas wies des Oberverwaltungsgericht Berlin zurück. In der ausführlichen Urteilsbegründung listeten die Richter mehrere Verstöße gegen das Verbot, sich allgemeinpolitisch zu betätigen, auf. Und sie geben ihrer Befürchtung Ausdruck, dass der Asta „diese oder vergleichbare illegale Aktivitäten fortsetzt“. Mit den bisherigen Ordnungsgeldzahlungen beschäftigt sich auch ein Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft gegen ehemalige Asta-Mitglieder. Der Vorwurf lautet: Veruntreuung studentischer Gelder.

Erst im vergangenen November hatte das Berliner Verwaltungsgericht wegen vergleichsweise geringer Verstöße ein Ordnungsgeld in Höhe von 15000 Euro gegen den Asta verhängt: Unter anderem weil der Asta auf seiner Homepage auf die Internetseite einer Organisation verwiesen hatte, die zu einer Demonstration gegen die Agenda 2010 aufrief. Das Gericht begründete die Höhe der Zahlung damit, dass der Asta sich durch frühere Ordnungsgeldverpflichtungen „nicht hat beeindrucken lassen“.

Der Asta reagierte mit einer Beschwerde gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht (OVG). Die Begründung: „Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Urteilsbegründung in keinster Weise berücksichtigt, dass der Asta der FU seit den Klagen zum politischen Mandat seine Praxis bezüglich der Unterstützung so genannter allgemeinpolitischer Demonstrationsaufrufe eingestellt hat und auch in den Publikationen des Asta keine hochschulbezogenen Themen mehr behandelt werden“, heißt es in einer Asta-Pressemitteilung. Die finanzielle Unterstützung allgemeinpolitischer Projekte Dritter wird nicht erwähnt. Eine Entscheidung des OVG steht nach Auskunft einer Gerichtssprecherin noch aus.

Jan-Oliver Schütz

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