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Wolfgang Steinicke: "Berlin braucht eine Luftfahrtoffensive"

Wolfgang Steinicke (55) ist Geschäftsführer des Forschungs- und Anwendungsverbundes Verkehrssystemtechnik (FAV). Er nimmt am Forschungspolitischen Dialog des Berliner Senats, des Holtzbrinck-Veranstaltungsforums und der Technologiestiftung teil.

Wolfgang Steinicke (55) ist Geschäftsführer des Forschungs- und Anwendungsverbundes Verkehrssystemtechnik (FAV). Er nimmt am Forschungspolitischen Dialog des Berliner Senats, des Holtzbrinck-Veranstaltungsforums und der Technologiestiftung teil.

Der Stau in der Berliner Innenstadt oder die Probleme im öffentlichen Personennahverkehr sind ein Dauerbrenner. Wozu nun noch ein Expertengespräch?

Verkehr ist ein Thema mit Millionen Experten, weil jeder am Verkehr teilnimmt. Um bei der Entwicklung neuer Konzepte für intelligente Lösungen gegen den Stau oder die verstärkte Nutzung der öffentlichen Verkehrsträger mitzumischen, muss man Projekte vorlegen, bei denen alle Beteiligten mit einer Stimme sprechen. Solche Projekte haben nur dann eine Aussicht auf finanzielle Unterstützung, wenn sie auch tatsächlich realisierbar sind.

Das war in der Vergangenheit offenbar nicht immer der Fall, oder?

An der Mobilitätsinitiative des Bundesforschungsministeriums hatte sich auch Berlin mit einem Projekt beteiligt, ist aber leer ausgegangen. München und Frankfurt zum Beispiel haben erhebliche Fördermittel erhalten, um ihre Verkehrskonzepte voran zu bringen. Berlin und Brandenburg haben eine gemeinsame Vision, die sie jetzt umsetzen müssen. Verkehrspolitik erschöpft sich nicht nur in der Frage, ob die U5 verlängert oder die Straßenbahn durch die Leipziger Straße gelegt wird. Verkehrspolitik ist Standortpolitik und Wirtschaftspolitik.

Welche Stärken kann die Region in die Waagschale werfen?

Traditionell ist Berlin-Brandenburg stark in der Bahntechnik. Mit der Firma Adtranz, die von Bombardier übernommen werden soll, befindet sich ein großer Hersteller in der Region. Rund 16 000 Leute finden hier in dieser Branche Lohn und Brot, bei Adtranz oder bei Zulieferern. In der Fahrzeugtechnik sind es 15 000 Arbeitsplätze, etwa bei Mercedes in Ludwigsfelde oder bei BMW in Spandau. 126 Zuliefererbetriebe stützen die großen Hersteller. Die Luftfahrt hatte mit Otto Lilienthal ihre Anfänge in Berlin, daran kann die Region noch nicht wieder anschließen. Aber immerhin steht mit Rolls-Royce in Dahlewitz ein großer Produzent für Flugzeugtriebwerke.

Was müsste getan werden, um Berlin und Brandenburg als Region für innovative Verkehrskonzepte zu entwickeln?

Um die Bahntechnik zu stärken, brauchen wir endlich den lange diskutierten Bahntestring in Hennigsdorf. Sollten die Kartellbehörden zustimmen, könnte Adtranz nach der Übernahme durch Bombardier dort neue Komponenten für Schienenfahrzeuge entwickeln, herstellen und auch testen. Wer den Bahntestring in Frage stellt, stellt die ganze Bahntechnik in der Region in Frage. Den Ring finanziell zu unterstützen wäre also ein wirtschaftspolitisches Signal.

Was kann die Forschung dazu tun?

Wir als FAV haben uns auf die Fahnen geschrieben, zwischen Forschern, Unternehmen, Anwendern und den Landesregierungen zu moderieren. Zwischen Berlin und Cottbus gibt es über 100 Lehrstühle oder Institute, die sich mit Verkehrsfragen beschäftigen. Wir haben jetzt ein Projekt vorbereitet, bei dem es darum geht, den Führerstand von Lokomotiven europaweit zu standardisieren. Siemens, Alsthom und Adtranz sitzen mit im Boot. Die EU hat dafür zehn Millionen Mark bewilligt, der FAV hat die Projektleitung. Europa rückt näher zusammen.

Könnten Berlin und Brandenburg auch stärker in der Luft- und Raumfahrt mitmischen?

Vor einem Jahr entschied das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, sein neues Institut für Verkehrsforschung in Berlin anzusiedeln. Das war ein großer Erfolg, der das Selbstbewusstsein der Region auf diesem Gebiet gestärkt hat. Jetzt kommt es darauf an, die von Berlin zugesagte Finanzierung in Höhe von 30 Millionen Mark über vier Jahre zügig bereitzustellen. Berlin braucht auch eine Luftfahrtoffensive, wie sie Bayern kürzlich startete. Der Freistaat gibt 15 Millionen Mark aus, um vor allem klein und mittelständische Unternehmen als Zulieferer für Airbus oder die neuen Regionaljets von Dornier-Fairchild zu profilieren.

Die Region Berlin-Brandenburg ist Deutschlands größtes Versuchsfeld für neue Anwendungen der Verkehrstelematik. Warum sieht man davon bislang zu wenig?

Es tut sich etwas, wenn auch langsam. So hat die BVG ihre viel beachteten Versuche mit elektronischen Tickets, automatischem U-Bahn-Betrieb und neuen Informationssystemen gestartet. Mittlerweile ist auch die Entscheidung gefallen, eine Verkehrsmanagementzentrale zu errichten.

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