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Gesundheit: Zeig’ mir deinen Genchip

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fordert, dass Tests für unsere Erbanlagen nur von Ärzten vorgenommen werden dürfen

„Mit tausendundeinem Gentest und ihrer Vermarktung über das Internet kann sehr viel Geld verdient, aber auch viel Schaden angerichtet werden.“ Mit dieser Feststellung begründete Bettina Schöne-Seifert, Bioethikerin von der Universität Hannover, den wichtigsten Punkt in einem wichtigen neuen Papier, das die Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG, am gestrigen Donnerstag vorstellte: Gentests, mit denen Veranlagungen für Krankheiten ermittelt werden, sollen prinzipiell Ärzten vorbehalten bleiben. Die DFG ist die wichtigste Förderorganisation der deutschen Wissenschaft.

Die Forschungsgemeinschaft hatte schon vor vier Jahren zu Gentests Stellung genommen. Inzwischen hat es auf dem Gebiet aber eine so rasante Entwicklung gegeben, dass es mit einer einfachen Überarbeitung der Stellungnahme von 1999 nicht mehr getan war.

Zum Beispiel sind schon etwa 1700 erbliche Merkmale mit ihren zuständigen Genen verknüpft worden. Darauf wies Bärbel Friedrich von der Berliner Humboldt-Universität hin, die Leiterin der Kommission. Die Genchip-Technik erlaubt es zudem, in automatisierten Verfahren sehr schnell eine große Anzahl Proben auszuwerten.

Gilt in Zukunft das Motto: Zeig’ mir deinen Genchip, und ich sage dir, wer du bist? Daran knüpfen sich neben großen Hoffnungen große Befürchtungen. Werden zum Beispiel die privaten Kranken- und Lebens-Versicherungen alle Anwärter zur Gendiagnostik bewegen und nur Menschen mit „guten Genen“ aufnehmen?

Schon lange wird der Vertragsabschluss bei den privaten Krankenversicherungen vom individuellen Risiko abhängig gemacht. Gendiagnostik bringe hier keine grundsätzlich andere Dimension ins Spiel als etwa das Berücksichtigen des Geschlechts, sagte der Mannheimer Jurist und Medizinrecht-Experte Jochen Taupitz.

Die DFG hält ein neues Gesetz nicht für erforderlich, weil sich die Versicherungsgesellschaften in einer Art Moratorium bis 2006 verpflichtet haben, keine Gentests und auch keine Offenlegung bereits vorhandener Testergebnisse von Bewerbern zu verlangen. Die Forschungsgemeinschaft plädiert dafür, solche Tests auch auf dem Arbeitsmarkt vor Einstellungen allenfalls dann anzusetzen, wenn sie dem Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers oder der anderer Personen dienen.

Der Allgemeinheit sollen eines Tages Forschungsergebnisse zugute kommen, die sich auf „Biobanken“ stützen. Dort werden Daten und Blut-, DNS- oder Gewebeproben gesammelt. Die DFG pocht dabei auf die „ausdrückliche selbstbestimmte Entscheidung des Spenders“, der so gut über die wissenschaftlichen Vorhaben aufgeklärt werden muss, dass er deren Reichweite erkennen kann.

Auch die Entscheidung darüber, ob man mit einem Gentest etwas über eigene Krankheitsrisiken erfahren möchte, zum Beispiel bei bekannter familiärer Belastung, setzt gute Beratung über die Konsequenzen voraus. Gespräche sind vor einem Test, nach einem Test, oft aber auch statt eines Tests wichtig.

Denn vorhersagende Diagnostik kann im einen Fall lebensrettende Therapien einleiten, in einem anderen Fall kann sie beruhigen. Sie kann aber auch Menschen in Angst und Schrecken versetzen: Wer aus einem genetischen Test erfährt, dass er ein erhöhtes Risiko für eine spezielle Form von Darmkrebs trägt, kann sich vorsorglich operieren lassen. Wer sich auf die unheilbare Huntington-Krankheit testen lässt, weil der Großvater daran starb, gibt aber unter Umständen auch dem eigenen Vater damit eine Information, die dieser gar nicht haben wollte.

„Auch der gebildete und durch das Internet informierte Mensch kann die Konsequenzen, die für die Urteilsbildung wichtig sind, ohne Beratung nicht mehr überblicken“, sagte der Humangenetiker Claus Bartram von der Universität Heidelberg. Die genetische Beratung setze Kenntnisse voraus, die in Deutschland nur die Fachärzte für Humangenetik haben.

Inzwischen dürfte auch der Bundestag Bedarf nach Beratung haben. Denn ein neues Gentest-Gesetz ist schon in Vorbereitung.

Mehr im Internet unter:

www.dfg.de

Adelheid Müller-Lissner

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