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Florian Nöll ist Vorstandsvorsitzender beim Bundesverband Deutsche Startups, stellvertretender Vorsitzender des Beirats „Junge Digitale Wirtschaft“ beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Unternehmer.

© privat

Bundesverband Deutsche Startups: "Deutschland braucht mehr Gründerinnen"

Wir haben den Bundesverband Deutsche Start-ups gefragt, warum neun von zehn Start-ups von Männern gegründet werden. Wer sich dem Problem nähert, findet sich schnell in einem Glaubenskrieg wieder, sagt der Verbandschef. Eine Position.

Es war eine Unternehmerin, die Ende des 19. Jahrhunderts den Grundstein für mehr als 100 Jahre industriellen Wohlstand gelegt hat. Im Jahr 2014 jedoch wird nur eines von zehn Start-ups in Deutschland von einer Frau gegründet. Das zeigt der Deutsche Start-up-Monitor 2014.

Was die Gründe dafür sind, kann keiner mit Gewissheit sagen: Es mangelt an aussagekräftigen Untersuchungen. Wer sich dem Problem nähert, findet sich schnell in einem Glaubenskrieg wieder.

Ein offensichtlicher Grund: Der durchschnittliche Start-up-Gründer ist Hochschulabsolvent und zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung 32 Jahre alt. Das Durchschnittsalter von Akademikerinnen beim ersten Kind beträgt 31 Jahre. Sind Start-up- und Familiengründung möglicherweise zwei Kometen auf Kollisionskurs? Ein zweiter Grund: Nur wenige Frauen studieren sogenannte MINT-Fächer, ein Drittel der Start-up-Gründer haben hingegen ein Studium im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik absolviert.

"Wir Unternehmer sind verrückt"

Es gibt Studien, die besagen, dass es Gründerinnen schwerer haben, eine Finanzierung für ihr Unternehmen zu erhalten. Fakt ist: Auch in der Investorenwelt trifft man selten Frauen. Erfreulicherweise spricht sich allmählich herum, dass Frauen eine große Bereicherung für Start-ups sind. US-Technologiefirmen, die von einer Frau geführt werden, sind erfolgreicher, zeigen Studien. Unternehmerischer Erfolg ist keine Frage des Geschlechts, und Unternehmen laufen am allerbesten, wenn Frauen und Männer gleichermaßen an der Spitze stehen.

Günter Faltin schreibt in seinem Buch „Kopf schlägt Kapital“: „In unserer Gesellschaft und bei dem hohen Niveau von sozialstaatlicher Fürsorge, das wir erreicht haben, muss jemand eigentlich verrückt sein, wenn er ein eigenes Unternehmen gründet.“ Zugegeben: Ja, wir Unternehmer sind verrückt oder zumindest unangepasst. Oder würden Sie Steve Jobs, Richard Branson und Oliver Samwer als stinknormal bezeichnen? Viele Start-up-Unternehmer sind gewissermaßen verhaltensauffällig, sprich charismatisch, extrovertiert und extrem ehrgeizig. Es ist gut, dass wir solche Menschen haben, die häufig schon in der Schule unzufrieden waren, sich gelangweilt haben und unterfordert fühlten oder später ihr Studium schmissen. Prügeleien auf dem Schulhof, dem Lehrer widersprechen und Streiche jeder Art: Was bei Jungs dazugehört, wird bei Mädchen von der Gesellschaft nicht toleriert. Pippi Langstrumpf ist eine Heldin in der Kinderwelt, doch in der echten Welt hätte sie es schwer.

"Wir brauchen Vorbilder"

Doch was können wir ändern? Wir müssen eine Schulbildung schaffen, die zulässt, dass Jungen und Mädchen Ecken und Kanten haben dürfen. Wir brauchen eine Hochschulbildung, die Frauen in technischen Studiengängen fördert. Mentoring-Netzwerke, in denen sich Unternehmerinnen austauschen und gegenseitig helfen, sind in der Start-up-Welt bei Weitem nicht ausreichend vorhanden. Im Rahmen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen Gründerzentren und Co-Working-Spaces von der öffentlichen Hand bei der Schaffung von Kitaplätzen unterstützt werden.

Und der vielleicht wichtigste Punkt: Wir brauchen Vorbilder. Vorbilder wie jene Frau Ende des 19. Jahrhunderts, die ihrem Mann, einem Tüftler und Ingenieur, das Wagniskapital gab, damit der seine Erfindung vorantreiben konnte. Carl Benz sagte später über seine Frau Bertha: „Sie war wagemutiger als ich.“

Florian Nöll ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups.

Florian Nöll

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