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Krimskrams und Praktisches: Eine Auswahl von selbstgemachten Waren, die auf Dawanda gehandelt werden, kann man auch offline im Charlottenburger Laden kaufen.

© dpa

"Made in Berlin": Das Selbstmach-Imperium

Am eigenen Erfolg basteln: Auf Dawanda bieten Händler Selbstgemachtes an. Der Online-Marktplatz ist ein Start-up, das sich etabliert hat - und weiter wachsen will.

Eine Dachetage in einem Berliner Hinterhof, darin ein 1400 Quadratmeter großes Loftbüro voller junger Menschen: Der Firmensitz des Online-Marktplatzes Dawanda sieht so aus, wie man es von einem Start-up erwarten würde. Das leichte Chaos wirkt eher charmant als unordentlich. Bei Besprechungen stehen die Gruppen im großen Kreis zusammen, es fliegen englische Wortfetzen und Gelächter durch den Raum.

Das ist das Reich von Claudia Helming, die Dawanda 2006 zusammen mit Michael Pütz gründete. Seitdem ist das Unternehmen, über das Hersteller ihre selbstgefertigten Produkte anbieten, zu einem Start-up der Superlative geworden: Alle 20 Sekunden wird ein Schmuckstück gekauft, täglich werden 10000 neue Produkte angeboten, der Außenumsatz des Unternehmens betrug im vergangenen Jahr mehr als 100 Millionen Euro.

Mehr als häkeln, stricken, klöppeln

Das Geschäft mit dem Do-it-yourself-Trend brummt. "Das hat aber seine Zeit gebraucht, es war nicht von Anfang an ein Überflieger", sagt Helming. Als Dawanda quasi als deutsches Pendant der amerikanischen Plattform Etsy an den Start ging, habe kaum jemand Handarbeit als spannend empfunden. "Es gab halt die Vorstellung von einer Oma, die häkelt, strickt, klöppelt - das ist heute ganz anders." Die Szene ist immer noch hauptsächlich weiblich, aber eher jünger. Die Zielgruppe von Dawanda sind die 18- bis 40-Jährigen.

Claudia Helming hat Dawanda vor acht Jahren gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Michael Pütz in Berlin gegründet.
Claudia Helming hat Dawanda vor acht Jahren gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Michael Pütz in Berlin gegründet.

© dpa

"Es geht mittlerweile auch um viel mehr als Basteln - DIY ist auch eine Lebenseinstellung und erzählt von persönlichen Sehnsüchten", erklärt Claudia Helming. Dass die Begeisterung ums Selbermachen auch wieder abflauen könnte, kann sich die 40-Jährige nur schwer vorstellen. Neben dem klassischen Nähen, Schneiden und Kleben gehe es auch immer mehr ums Heimwerken, Kochen und Gärtnern. Wer nicht selbst aktiv wird, schätze an den Produkten, die auf Dawanda gehandelt werden, vor allem den Unikatcharakter. "Das ist einfach origineller und persönlicher als die Waren in den Fußgängerzonen."

Geburtspuppen mit bunter Nabelschnur

Besonders beliebt ist Mode: Baby- und Kinderbekleidung werde besonders häufig verkauft, in der Vorweihnachtszeit liegt auch Schmuck weit vorne. Knöpfe bekommt man in einigen Dawanda-Shops schon für wenige Cent, ein Verkäufer bietet aber auch selbstbemalte Cembali an. Für das teuerste Tasteninstrument werden fast 22.000 Euro fällig. Im Durchschnitt kosten die gehandelten Waren um die 40 Euro.

Abseits von Filzpantoffeln und Lätzchen ist Dawanda vor allem eine Fundgrube für Kurioses. Da gibt es etwa eine "Geburtspuppe", anhand derer man Kindern zeigen kann, wie eine Geburt abläuft - mit bunter Nabelschnur und nachbestellbaren Babys. Und was sich mit alten, verbogenen Löffeln noch anfangen lässt, zeigt ein anderer Shop: Als Wandhaken bekommen sie ein zweites Leben.

Die zweite Folge der Sendung "Made in Berlin - Gute Ideen und andere Katastrophen": Auf seiner Reise zu den Berliner Start-ups besucht Moderator Chris Guse auch Dawanda.
Die zweite Folge der Sendung "Made in Berlin - Gute Ideen und andere Katastrophen": Auf seiner Reise zu den Berliner Start-ups besucht Moderator Chris Guse auch Dawanda.

© (c) JORONI Film/Michael Kappler

Immer mehr Dawanda-Händler sind längst viel mehr als Hobby-Bastler: Sie professionalisieren sich und bauen selbst Unternehmen auf, die es ohne Claudia Helmings Pattform vielleicht nicht geben würde. "Während einige das richtig planen, gibt es auch solche, die da einfach so reinschlittern."

Weihnachtsmärkte, Workshops und Bücher

Das Konzept haben Helming und ihr Geschäftspartner vor zwei Jahren auch in andere europäische Länder importiert. Besonders gut entwickelt sich der polnische Markt, aber auch in den Niederlanden, in Spanien, Italien und Frankreich soll sich Dawanda etablieren. "Etsy besetzt eher die englischsprachigen Länder, wo wir kaum aktiv sind - so kommen wir uns kaum in die Quere."

Und auch sonst steckt hinter dem Unternehmen mit 160 Mitarbeitern längst mehr als der digitale Marktplatz: Dawanda organisiert Adventsmärkte in Berlin, Workshops und Treffen der DIY-Szene, hat mehrere Bücher und ein Magazin auf den Markt gebracht. Das Unternehmen hat in diesem Jahr mit der Baumarktkette Obi kooperiert. Seit Dezember gibt es einen Laden in Charlottenburg, in dem eine Auswahl der Produkte verkauft wird. "Der Offline-Vertrieb ist aus finanzieller Hinsicht natürlich längst nicht so wichtig wie das Online-Geschäft, aber gut, um die Marke zu stärken."

Berlin als digitales Zentrum

Während sich Helming für die Zukunft auch eine Einbeziehung von Verkäufern aus Entwicklungsländern vorstellen kann, bleibt das Zentrum von Dawanda doch in Berlin. Das Unternehmen wurde ganz bewusst in der Hauptstadt gegründet. "Es zeichnete sich schon früh ab, dass hier ein digitales Zentrum entstehen würde - außerdem leben hier viele Künstler und Kunsthandwerker", erklärt Claudia Helming.

Das erste Büro von Dawanda befand sich in der Linienstraße in Mitte. Vor zwei Jahren zog das ständig wachsende Unternehmen in das Charlottenburger Dachgeschoss. Doch wie lange Dawanda dort bleibt, ist ungewiss. "Es ist jetzt schon wieder eng", sagt Helming.

In der Fernsehreportage "Made in Berlin – Gute Ideen und andere Katastrophen" besucht rbb-Moderator Chris Guse junge kreative Unternehmen in der Hauptstadt. Der Tagesspiegel begleitet die TV-Sendung (Mittwoch 22.45 Uhr) online - und erlaubt einen Blick hinter die Kulissen. Die Themenseite des rbb zu "Made in Berlin" finden Sie hier.

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