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Im Fruchthof: Großmarkt-Chef Andreas Foidl und Michael Geißler von der Berliner Energieagentur

© Kai-Uwe Heinrich

Energiewende: Neues Energiekonzept für Berliner Großmarkt

Die Berliner Energieagentur entwickelt ein neues Konzept für den Großmarkt Beusselstraße. Schon bald könnten die Lebensmittel dort von der Sonne gekühlt werden.

Es wird der Tag kommen, an dem die Lebensmittel des Berliner Großmarkts an der Beusselstraße von der Sonne gekühlt werden. Die Solaranlage dafür gibt es bereits. Gleichzeitig soll der Stromverbrauch in den Hallen und Kühlhäusern in den kommenden Jahren um bis zu einem Viertel sinken. Um den Großmarkt energetisch zu optimieren, arbeitet die Berliner Energieagentur zurzeit an einem Konzept – zum Teil finanziert aus dem EU-Förderprojekt Go Eco. »Wir schreiben nicht blind einen Wunschzettel, sondern schauen, was auch betriebswirtschaftlich Sinn macht«, betont Michael Geißler, Geschäftsführer der Berliner Energieagentur. Seine Ingenieure sind zurzeit regelmäßig zwischen Fruchthof und den Frischezentren für Fleisch, Fisch oder Blumen unterwegs und nehmen Dämmung, Kühlung und Beleuchtung unter die Lupe.

»Wir vertreiben grüne Produkte, dazu passt grüne Energie hervorragend«, sagt Andreas Foidl, Geschäftsführer der Berliner Großmarkt GmbH. »Aber als Unternehmen macht man das nicht allein aus Gutmenschentum.« Klar ist dennoch, dass der Großmarkt ein landeseigener Betrieb ist, die Energieagentur zumindest zu einem Teil, und dass die Energiewende an der Beusselstraße auch politisch ausdrücklich gewollt ist.

Die Solarmodule auf den Dächern der Großmarkthallen bilden die größte Photovoltaik-Dachanlage Berlins. Mit 40.000 Quadratmetern produziert sie bereits seit 2012 rund 1600 Mega­wattstunden Strom pro Jahr. Das entspricht dem Bedarf von 700 Haushalten. Zweieinhalb Millionen Euro hat die Berliner Energieagentur in die Anlage investiert, deren Strom allerdings bisher ins Netz einspeist wird. Der fest kalkulierte Preis von netto 15 Cent pro Kilowattstunde liegt derzeit noch über dem üblichen Marktpreis für Ökostrom. Deshalb lohnt es sich für den Großmarkt wirtschaftlich nicht, den Strom zu kaufen. »Wenn der Strompreis weiterhin jährlich um zwei bis drei Prozent steigt, wird die Eigennutzung des Sonnenstroms eine wirtschaftliche Alternative«, sagt Andreas Foidl. Den Wendepunkt erwartet der Geschäftsführer irgendwann in den kommenden fünf Jahren.

Bisher verbraucht der Großmarkt etwa 18.000 Megawattstunden Strom pro Jahr, der Großteil davon entfällt auf die Kühlung der Lebensmittel und die Beleuchtung der Hallen und Parkplätze. Um die Einsparziele zu erreichen, müssten die Berliner Großmarkt GmbH und die Händlergenossenschaften in den einzelnen Hallen laut Energieagentur insgesamt bis zu sechs Millionen Euro in bauliche Veränderungen investieren. Andreas Foidl ist sich bewusst: »Davon können wir unsere 50 Händler nur überzeugen, wenn es sich für sie finanziell lohnt.« Schöne Worte über den tieferen Sinn der Energiewende reichten nicht. Der Kapitalrückfluss der Investitionen dürfe höchstens zehn Jahre dauern.

Während der Großmarkt noch in den Verhandlungsgesprächen mit seinen Händler steckt, sind die ersten Veränderungen schon geschehen. Ausgetauscht wurde die Kälteanlage im Fleischmarkt. Das Verhältnis von eingesetzter elektrischer Leistung im Verhältnis zu erzeugten Kälte- und Wärmeleistung wurde dadurch von einer Kilowattstunde Strom für eine Kilowattstunde Kälte auf 3,5 verbessert. »Umfassende energetische Eingriffe«, nennt Michael Geißler die Wärmedämmungsmaßnahmen. Der Fruchthof, das Herzstück der Großmarkthalle, wurde in den 1960er-Jahren gebaut und ist nach heutigen Maßstäben eine energetische Katastrophe. Auch die anderen Hallen sind zum Teil schon 20 oder 30 Jahre alt und bieten allerlei Spielraum für die Ingenieure der Energieagentur. Die Beleuchtung der Parkhäuser wird noch in diesem Jahr von den alten T8-Neonröhren (60 Watt) auf moderne LEDs (40 Watt) umgestellt. »Wichtig ist, dass wir nicht das gesamte Beleuchtungssystem austauschen, sondern nur die Leuchtmittel«, unterstreicht Geißler. Durch die doppelte Lebensdauer und den geringeren Energieverbrauch rechne sich der Wechsel innerhalb von drei Jahren.

Unklar ist noch, ob die Großmarkthalle zukünftig eine Biogasanlage bekommt. »Wegen der vielen Abfälle wäre eine Biomasse-Vergärung sinnvoll«, sagt Michael Geißler. Sollten Biogasanlagen allerdings im novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz bald deutlich weniger gefördert werden, lohnt sich diese Form der Energiegewinnung nicht. Dabei ist die Biomasse anders als Solarstrom und Windenergie grundlastfähig. Ein entscheidendes Kriterium für die Versorgungssicherheit im Rahmen der Energiewende. »Mit der vorgesehenen Mengendeckelung ist die Biomasse aber faktisch tot«, sagt Geißler.

Andreas Foidl könnte sich noch vorstellen, auf dem nicht genutzten Uferstreifen zum angrenzenden Westhafenkanal bis zu fünf Windräder aufzustellen: »Auch da befinden wir uns derzeit in Gesprächen.« Wegen der Nähe zum Wasserweg und zur Bundesstraße gelten dort besonders strikte Vorgaben. Womöglich wird der Tag der Windräder am Großmarkt daher nie kommen.

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