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Joachim Hunold, Gründer und langjähriger Vorstandschef der Fluggesellschaft Air Berlin.

© Air Berlin

Kongresszentrum ICC: Die "Berliner Krankheit"

Das Spielchen ist immer gleich: Der Senat schließt eine Einrichtung, weil sie zu teuer wird. Weil es aber kein vernünftiges Konzept gibt, wie es weitergehen soll, wird es am Ende doppelt und dreifach so teuer. Das ist die "Berliner Krankheit", meint unser Kolumnist Joachim Hunold. Und auch der Umgang mit dem ICC fällt in diese Kategorie.

Mit dem Berliner ICC ist es wie beim Monopoly: "Gehe zurück auf los und kassiere keine Miete!" Alle paar Jahre erreicht der Senat ein Spielfeld, auf dem er den Rückmarsch antreten muss. Fast zwei Millionen Euro hat das Land Berlin bisher für Gutachten ausgegeben, in denen über die Zukunft des einst größten Kongresszentrums der Welt orakelt wird – und die dann doch alle Makulatur geworden sind. Zuletzt hat die Wirtschaftsverwaltung 49.640 Euro investiert, um zu erfahren, dass die Umwandlung des ICC in ein Einkaufszentrum dem ortsansässigen Einzelhandel schaden könnte. Darauf hätte man auch kommen können, ohne einen einzigen Cent auszugeben.

Dabei ist ein Shoppingcenter die einzig realistische Option für einen halbwegs wirtschaftlichen Betrieb des Betongiganten, der so groß ist, dass man ihn sogar – genau wie die chinesische Mauer – mit bloßem Auge aus der Weltraumkapsel ISS erkennen kann. Halbwegs wirtschaftlich nur deshalb, weil das Land auch beim Einkaufszentrum mit einem Zuschuss von 200 Millionen nachhelfen müsste. Das ist ziemlich genau der Betrag, den auch ein Komplett-Abriss kosten würde. Das Projekt wäre womöglich nicht gescheitert, wenn man den lokalen Einzelhandel frühzeitig zum Mitmachen gewonnen hätte. Womit dann allerdings auch noch nicht die Frage beantwortet ist, ob es in Berlin tatsächlich noch Bedarf für einen solchen Super-Supermarkt gibt. Doch das hätte man ja mittels eines Gutachtens klären können.

Auch die Berliner Flughäfen sind Musterbeispiele dafür

Das ICC ist ein Symptom für die "Berliner Krankheit": Man beschließt die Schließung einer öffentlichen Einrichtung, ohne konkrete Vorstellungen davon zu haben, was einmal daraus werden sollte. Die Berliner Flughäfen Tempelhof und Tegel sind zwei Musterbeispiele dafür. Ursache dieser "Berliner Krankheit" ist der chronische Geldmangel der Hauptstadt. Und der Ablauf ist immer gleich: Man schließt eine Einrichtung wegen Unwirtschaftlichkeit und hat kein Geld für die Nachfolgeregelung. Wenn dann eine Entscheidung unausweichlich wird, kostet die Baumaßnahme das Doppelte oder Dreifache.

Das ICC wurde ja im April 2014 nicht – wie allgemein kolportiert – wegen drohender Asbestgefahr geschlossen, sondern weil seine Technik marode war. Abgesehen von der "Asbest-Bereinigung" in den Jahren 1994 bis 1996 hatte das Land Berlin 30 Jahre lang nichts Wesentliches zur Instandhaltung unternommen. Jetzt fehlt das Haus den Kongressveranstaltern wie die Luft zum Atmen. Die Berliner Messe, die das ICC bewirtschaftete, versuchte mit dem "City Cube" wenigstens einen Teil-Ersatz zu schaffen, wurde dabei jedoch von der Politik ausgebremst. Sie durfte das neue Gebäude nur als "Mehrzweckhalle" und nicht als Kongresszentrum bauen. Und damit sie das nicht beklagen konnte, verpasste ihr die Wirtschaftsverwaltung einen Maulkorb. Jetzt diskutiert man im Roten Rathaus wieder über die Auferstehung des ICC als Kongresszentrum. Noch wäre man mit 400 Millionen Euro dabei. Noch!

Diese Kolumne erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

Joachim Hunold

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