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Hand in Hand. Uwe Schmorl und Jin Hong Park von Hanwha Q-Cells wissen die koreanische Flexibilität mit der deutschen Gründlichkeit zu verbinden.

© Björn Rosen

Hanwha Q-Cells: Schnell und durchdacht

Beim Bitterfelder Solarhersteller Hanwha Q-Cells sollen Koreaner und Deutsche ihre Stärken vereinen.

„Wir sind stolz auf das beste koreanische Restaurant in der Gegend“, sagt Jin Hong Park und lacht. Dann bestellt der 37-Jährige an der Theke ein Schälchen Kimchi, eingelegter Kohl, und einen Teller Bulgogi, scharf mariniertes Rindfleisch. Beides Spezialitäten aus Parks Heimat. Um den Witz des südkoreanischen Managers zu verstehen, muss man nur nach rechts blicken, durch die große Fensterfront der Hanwha-Q-Cells-Kantine. Die Gegend, von der er spricht – das ist das 300 Hektar große „Solar Valley“ am Rande Bitterfelds, gleich neben der Autobahn. Eine Handvoll Firmen, meist aus der Solarbranche, hat hier ihren Sitz. Das Gelände, über das der Wind fegt, ist wenig mehr als eine Ansammlung von Zweckbauten auf einer weiten Wiese.

Dass hier in Sachsen-Anhalts Provinz – zu DDR-Zeiten berüchtigt für die verpestete Umwelt – koreanisches Essen als Kantinenkost kredenzt wird, liegt an einer besonderen, beileibe nicht nur kulinarischen Zusammenarbeit. Glaubt man Jin Hong Park, dann ist diese Kooperation sogar historisch. Nie zuvor, sagt er, habe eine koreanische Firma Vergleichbares in Deutschland gewagt. Das Ziel: koreanische und deutsche Stärken zu vereinen.

Alles begann mit einem wirtschaftlichen Absturz. Im April 2012 musste der Solarhersteller Q-Cells Insolvenz anmelden. Seit 2001 hatte die Firma in Bitterfeld Solarzellen produziert und sich rasch zum Branchenprimus entwickelt. Doch dem Weltmarktführer von einst erging es nicht anders als der deutschen Solarindustrie insgesamt. Dem Druck billiger Konkurrenz vor allem aus China war man nicht gewachsen.

Dann kam Parks Firma Hanwha und übernahm Q-Cells. In Deutschland ist das Unternehmen so gut wie unbekannt, dabei gehört es in Südkorea zu den zehn größten Mischkonzernen. Ähnlich wie andere „Jaebeol“ (etwa Samsung oder LG) ist Hanwha in unterschiedlichsten Bereichen aktiv, darunter Chemie, Bauwesen und Versicherungen. Der Konzern besitzt ein Einkaufszentrum in Seoul und sogar eine Baseballmannschaft.

Mit frischem Kapital und guten Geschäftsbeziehungen kam Kimchi auf die Speisekarte

Die Q-Cells-Mitarbeiter in Bitterfeld sahen in den Koreanern anfangs nicht unbedingt Retter. Manche befürchteten, die Asiaten würden nur Technologie abziehen und schnell wieder verschwinden.

Wie viel Misstrauen anderthalb Jahre später noch vorhanden ist, lässt sich schwer sagen. Klar ist, dass Hanwha von Beginn an dem Eindruck entgegen wirken wollte, hier werde ein mächtiger Konzern den deutschen Mitarbeitern eine fremde Unternehmenskultur aufzwingen. Stattdessen, das ist das offizielle Credo, sollen beide Seiten voneinander lernen – und voneinander profitieren.

Womit wir wieder in der Kantine wären. Der deutsche Koch dort macht sein Kimchi inzwischen selbst, beigebracht hat ihm das ein koreanischer Kollege aus Berlin. Manager Park erzählt: „Eine Woche im Monat sind hier auch koreanische Speisen im Angebot. Den Rest der Zeit essen wir Koreaner, was unsere deutschen Kollegen essen.“ Von den rund 800 Mitarbeitern kommen allerdings auch bloß 17 aus Südkorea.

Hanwha Q-Cells sei ein selbstständiges Tochterunternehmen, betont Park. „Die Zentrale befindet sich eben nicht in Seoul, sondern in Bitterfeld.“ Die Massenproduktion findet in einem Werk in Malaysia statt, wo nochmal 450 Menschen arbeiten. Hanwha brachte nicht nur frisches Kapital mit, sondern auch gute Geschäftsbeziehungen, etwa nach Japan, wo Photovoltaik in letzter Zeit besonders gefragt ist. Q-Cells auf der anderen Seite hatte seinen technologischen Vorsprung und die Marke „Made in Germany“ zu bieten. Besonders dankbar sind sie in Bitterfeld, dass sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff erfolgreich für eine Gesetzesänderung stark gemacht hat, die es Südkoreanern erleichtert, in Deutschland zu arbeiten.

Für die deutschen wie für die koreanischen Mitarbeiter gab es nach der Übernahme durch Hanwha interkulturellen Unterricht. Abgehalten wurde der von einer Koreanerin mit langjähriger Deutschland-Erfahrung. Ein beliebtes Thema: direkte deutsche und indirekte koreanische Kommunikation. Jin Hong Park erzählt die Geschichte eines Koreaners, der auf den Vorschlag eines deutschen Kollegen „Ich denke darüber nach“ erwiderte. „Eine Woche später stand der Deutsche erneut vor ihm und fragte, ob er sich die Sache überlegt habe. Dabei ist ,Ich denke darüber nach’ in Korea bloß der höfliche Weg, etwas abzulehnen“, sagt Park. Ein simples „Keine Ahnung“, wie es die koreanischen Hanwha-Q-Cells-Manager in Bitterfeld schnell mal zu hören bekommen, würde man in ihrer Heimat keinem Vorgesetzten an den Kopf werfen, das sei sehr unhöflich.

„Manchmal denkt der Deutsche auch zu viel nach“

Der größte Unterschied betrifft die Arbeitsweise. „Die Koreaner geben gern ein Ziel vor und sagen: Wir versuchen das umzusetzen und gucken, was hinten rauskommt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Uwe Schmorl, 51 Jahre alt und seit 2001 bei Q-Cells dabei. „Die Deutschen tendieren eher dazu, Dinge bis zum Schluss zu durchdenken.“ Jin Hong Park erzählt dazu wieder eine Geschichte: Wie seine koreanischen Kollegen sich in der Anfangszeit darüber beschwert hätten, dass Sitzungen „eine Stunde dauern, die bei uns in fünf Minuten vorbei wären.“ Er finde aber mittlerweile, dass es ganz gut sei, länger über etwas zu diskutieren: „Dann geht später weniger schief.“ Uwe Schmorl widerspricht dem nicht, sagt aber: „Manchmal denkt der Deutsche auch zu viel nach, macht noch ein Meeting und noch ein Meeting.“ Deshalb gehe es um den „schmalen Grat“ – darum, einen Kompromiss zu finden und nach Möglichkeit die Vorteile beider Methoden zusammen zu führen: koreanische Flexibilität mit deutscher Gründlichkeit zu verbinden.

Es klingt wie die Quadratur des Kreises. Aber vermutlich kann eine Firma nur mit dieser Strategie auf dem schnellebigen Photovoltaik-Markt bestehen.

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