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Ein Lesestück in fünf Akten: 4. Akt

Kulturhäuser auf der Suche nach Events.

Was die Naturwissenschaftler insbesondere interessiert: Wie funktioniert eine Ausstellung? Und was passiert zwischen Betrachter und Exponat? Dieselben Fragen stellt sich auch Saâdane Afif. In seinem Beitrag bleibt er trotzdem abstrakt. „Das Thema des Museums ist das Ende der Welt“, erklärt Afif beim Gespräch in seiner Küche. Er hat einen Komponisten beauftragt, ein Stück über das Ende der Welt zu schreiben. Das Konzert mit Chor und Schlagzeug wird am letzten Tag der Ausstellungszeit aufgeführt, ein einziges Mal. Aber die Wahrnehmung endet ja nicht beim Sehen und Hören. Die bildende Künstlerin und Dichterin Sabine Scho, die wie Afif im Naturkundemuseum agiert, studierte die Evolution der Sinne, bestaunte Präparate, las Aufsätze, befragte die Experten am Museum. Sie entdeckte das Infrarot-Sehen der Schlangen, die Lorenzinischen Ampullen, mit denen der Hammerhai elektrische Felder erspürt. Sinne, über die der Mensch nicht verfügt. Scho hat Gedichte darüber geschrieben. Andreas Töpfer hat die Gedichte gezeichnet. Kunst ist Wissensproduktion mit anderen Mitteln. Und ist Wissen Kunst? „Immersiv“, ruft der Direktor des Martin-Gropius-Baus in seinem Direktorenzimmer. Schwarze Hosenträger, schwarzes Hemd, so kennt man Gereon Sievernich. „Das Wort begegnet mir im Moment dauernd im Kunstdiskurs.“ Immersion, das bedeutet eintauchen, mit allen Sinnen wahrnehmen, allumfassend. Das große Interesse der bildenden Kunst am Tanz und an der Bewegung könnte damit zusammenhängen. Der Mensch will mit allen Sinnen eintauchen, erwartet eine Erlebniskultur, wie sie ihm der virtuelle Raum verspricht. Die Museen stellen sich darauf ein. Im Martin-Gropius-Bau war im Sommer Tino Sehgals Begegnungskunst zu erleben. Im September geht es weiter mit „Orfeo“, einer begehbaren Theaterinstallation von Susanne Kennedy. Und 2016 plant das Haus eine große Schau mit William Kentridge, der multimedial arbeitende Südafrikaner wird Bühnenstücke produzieren. Zufall oder Konzept? „Der Gropius-Bau ist eine Wahrnehmungsinstanz, wir zeigen keine Neuentdeckungen, sondern gereifte Positionen“, sagt Sievernich. Das bedeutet, das Performative ist im Mainstream angelangt.

5. Akt

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