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Die gebürtige Rostockerin Ina Young lebt heute auf Hawaii.

© privat

Dritte Generation Ostdeutschland: "Wir brauchen wieder mehr Gemeinschaft"

Ina Young ist Jahrgang 1982 und in Rostock aufgewachsen. Sie lebt heute in den USA und hat das Netzwerk "Dritte Generation Ostdeutschland – Hawaii" ins Leben gerufen.

Warum engagieren Sie sich in der Initiative "Dritte Generation Ostdeutschland"?

Meine ältere Schwester hatte mir das Buch "3te Generation Ost" geschenkt, und ich war fasziniert davon. Mit vielen Standpunkten konnte ich mich selbst identifizieren und hatte es ähnlich schon einmal gedacht. Ich denke, wie viele andere in dem Netzwerk auch, dass uns die Anpassung an das Leben nach der Wende sehr geprägt hat. Dieser Gedanke hat mich sehr angesprochen. Vielleicht gibt es tatsächlich einen tieferen Grund, warum ich im Ausland lebe, wie so viele meiner ehemaligen Klassenkameraden. Ich war erstaunt, dass unsere Generation nicht schon viel früher angefangen hat, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und zu besprechen.

Sie haben das Regionalnetzwerk Hawaii gegründet? Haben Sie schon andere Ostdeutsche auf Hawaii kennengelernt?

In Hawaii besteht das Netzwerk bis jetzt nur aus mir. Ich habe schon einige getroffen, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen sind, die sind aber meist nur für kurze Zeit hier gewesen.

Was hat Sie nach Hawaii geführt? Denken Sie, Ihre Erfahrungen oder Prägungen zu DDR-Zeiten haben Sie für verschiedene Aspekte in Ihrem amerikanischen Alltag sensibilisiert?

Ich bin im Juli 2004 das erste Mal nach Hawaii geflogen. Ich war dort, um mein dreimonatiges Praktikum in Kirchenmusik zu absolvieren. Dieses habe ich an einer "United Church of Christ" gemacht und dort eine ganz wichtige Person kennengelernt - er ist heute mein Mann. Das Leben ist hier ganz anders. Ich arbeite als Organistin in einer Kirche, welche direkt am Strand gebaut ist. Außerdem spiele ich Orgel für Hochzeiten japanischer Touristen. Das Leben ist viel davon geprägt, dass sich die Kulturen hier vermischen. Mein Mann ist chinesischer Abstammung, mein Sohn geht mit vielen japanischen Kindern zur Schule und es wird "Hawaiian Studies" unterrichtet, dort lernen auch alle Schüler das Hula tanzen. Zuerst hatte ich viel mit meinen eigenen Vorurteilen zu kämpfen. Manchmal steckt es noch ganz offensichtlich in meinem Kopf, das alles, was aus Amerika kommt, schlecht ist. Heute denke ich, dass es überall Vor- und Nachteile gibt.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der DDR, der Wende und der Wiedervereinigung?

Als Tochter von Eltern, die der kommunistischen Idee sehr verbunden waren, empfand ich die DDR in meiner Kindheit als sehr sicher, und ich habe damals eigentlich nichts vermisst. Es war eher nach der Wende, dass wir mit so vielen neuen Sachen überflutet wurden, dass es sehr lange gedauert hat, alles zu verstehen. Vor der Wende hatten wir nur das, was wir wirklich brauchten. Wir haben zwar auch oft auf Vorrat eingekauft, aber das waren Dinge, die dann auch verbraucht wurden. Und ich kann mich noch an die Freude erinnern, wenn es mal etwas Besonderes gab. Heute leben wir oft in einem Überfluss. Es gibt so viele Dinge in unserem Haus, die wir gar nicht brauchen. Dafür gibt hier sogar “decluttering coaches”, die einem dabei helfen, das Leben auf das zu begrenzen, was man eigentlich braucht.

Welche Beziehung haben Sie heute noch zu Ihrem Geburtsort?

Meine Eltern leben heute noch in Rostock sowie auch meine Großmutter. Im letzten Sommer waren wir dort auch wieder zu Besuch. Ich fand, wir sind dort sehr als "anders" aufgefallen. In einem Waldbad in Sachsen wollte die Aufsicht meinen Mann nicht baden lassen, weil er seinen "rash guard" (ein Sonnenschutzshirt) trug. Sie sagten uns, dass man mit T-Shirt nicht ins Wasser darf. Ich glaube, man ist einfach noch nicht darauf eingestellt, dass Leute von weit weg kommen. Trotzdem zieht mich noch viel nach Ostdeutschland. Das Leben in Hawaii ist finanziell sehr schwierig, und für immer können wir hier nicht bleiben. Gerade dadurch, dass das Studieren in Deutschland viel kostengünstiger ist als in den USA, werden wir wahrscheinlich eines Tages nach Deutschland zurückkehren.

Aus der Ferne betrachtet - wie bewerten Sie das deutsch-deutsche-Verhältnis?

Ich glaube, dass eine gewisse Spaltung nach wie vor existiert und ich denke, dass es auch noch länger andauern wird. Eine kulturelle Spaltung finde ich dabei nicht so problematisch, denn hier habe ich gelernt, dass andere Ansichten und Kulturen sich gegenseitig sehr bereichern können. Wenn jedoch West-Professoren immer noch andere Gehälter bekommen als Ost-Professoren, dann ist das einfach verkehrt.

Gibt es Hoffnungen oder Wünsche, die Sie mit Ostdeutschland oder Deutschland insgesamt verbinden?

Ich hoffe, dass sich auch Westdeutsche für unsere Erzählungen interessieren. Ich glaube, um weiter vorwärts zu kommen, brauchen wir wieder mehr Gemeinschaft. Ich denke, Kapitalismus baut viel auf Individualismus. In der DDR war aber Gemeinschaft ein ganz wichtiger Wert. Und ich finde, auch wenn wir uns individuell ein Leben und eine Karriere aufbauen, sind wir doch ein bisschen verloren. Hier habe ich in unserer Kirche eine Gruppe von Menschen gefunden, die sich umeinander kümmert. Ich glaube Geborgenheit und Unterstützung würden jedem gut tun. Und ich glaube auch, dass das etwas ist, was wir zusammen, trotz unserer Unterschiedlichkeiten, anpacken können.

Gibt es eine Geschichte, die Sie in den USA erlebt haben, die in Verbindung mit Ihrer ostdeutschen Herkunft steht?

Es hat mich mal ernsthaft jemand gefragt, wo denn meine David Hasselhoff Poster sind. Der ist doch insbesondere ein Star für die Ostdeutschen!

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Netzwerkes.

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