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Da kommt man nicht drum rum. Die Drehbrücke in Malchow.

© www.mueritzfoto.de/Klaus Steindorf-Sabath

Malchow: Insel zwischen zwei Seen

Oft zerstört und immer wieder aufgebaut, zeigt sich das mittelalterliche Malchow heute hübsch saniert. Mittenmang dreht sich die Brücke zur Altstadt-Insel.

Fast geräuschlos drehen sich 120 Tonnen Stahl zur Seite. Die Drehbrücke von Malchow, knapp 22 Meter lang, elf Meter breit, gibt den Weg frei und die Müritz-Elde-Wasserstraße ist wieder offen für eine kleine Yacht. Die Süßwassermatrosen nutzen das sonnige Wetter für einen Trip in der Mecklenburger Seenplatte. Jeweils zur vollen Stunde öffnet sich die Drehbrücke am Stadthafen und lässt Schiffe vom Plauer in den Malchower See und dann weiter in den Fleesensee durchfahren. Sie ist das Wahrzeichen der Stadt. Drei Angler stehen am Ufer neben der Brücke und versuchen ihr Glück. Hinter ihnen liegt »Dat Fischhus«. Den Fisch gibt’s auch am Imbissstand gleich um die Ecke. Forelle, Saibling, Heilbutt – alles frisch aus dem Rauch. »Haben Sie’s nicht kleiner?«, fragt der Herr der Fischbrötchen die beiden Hungrigen, die mit einem 50-Euro-Schein bezahlen wollen. »Ach«, ergänzt er, »sonst beim nächsten Mal.« Auf der anderen Seite der Brücke lassen es sich Einheimische und Besucher auf der Seeterrasse eines Cafés gutgehen, beobachten die Möwen und die Durchfahrt des Bootes. Die Ortschaft Malchow wurde 1147 erstmals urkundlich erwähnt, als christliche Heere einen Kreuzzug gegen die slawischen Wenden führten und deren Burg und Tempel in Malchow zerstörten. Die bauten sie zwar wieder auf, doch viel Mittelalterliches gibt es hier heute nicht mehr zu sehen: 1697 zerstörte ein erster Großbrand fast die komplette Stadt, 1721 ein weiterer. Malchow erlebte mehrere Wiedergeburten und besteht heute aus drei Teilen: dem auf einer Insel gelegenen Neu-Malchow, das 1235 das Schweriner Stadtrecht bekam und heute die Altstadt ist; aus Alt-Malchow mit seiner imposanten Klosteranlage und der nach dem Brand von 1721 errichteten Neustadt, die heute den größten Teil der Stadt bildet. Die Altstadt-Insel macht Malchow ganz offiziell zur »Inselstadt«. Sie wurde in den 1990er Jahren umfassend saniert und lässt sich gut erlaufen. Hier steht zum Beispiel das beim ersten Großfeuer in Schutt und Asche gelegte, 1821 dann wieder aufgebaute und 2004/2005 sanierte Rathaus im Fachwerkstil. Bei der Sanierung entschied man sich für den ursprünglichen monochromen Farbanstrich, der das Holz überdecken und das Rathaus als klassizistischen Massivbau wirken lassen sollte. Das war um 1820 modern. Die Drehbrücke verbindet die Altstadt auf ihrer westlichen Seite mit der Neustadt. Bis 1845 diente eine starre Holzbrücke als Übergang zwischen Insel und westlichem Ufer, die nur für sehr kleine Kähne passierbar war. Damals konnten Schiffe noch östlich an der Insel vorbeifahren. Dann wurde die Insel durch einen festen Straßendamm mit dem Ufer verbunden, der die breite und bequeme Wasserverbindung ein für allemal dichtmachte. Darum musste am schmalen, westlichen Durchgang eine flexible Lösung für den Schiffsverkehr gefunden werden: zuerst eine Zugbrücke und schon seit 1863 dann eine erste Drehbrücke. Zunächst eine aus Holz, dann eine aus Stahl, die breiter war. Zwischenzeitlich, nachdem die Wehrmacht die Brücke am 2. Mai 1945 bei ihrem Rückzug gesprengt hatte, mussten die Malchower jedoch wieder mit einem Floß und dann mittels Steg auf dem Frachtkahn »Hildegard« übersetzen. Die erste Nachkriegs-Drehbrücke kam 1948/1949 – erstmals mit Elektromotor. Sie verfiel bis 1980 und konnte mangels Geld auch nicht repariert werden. Das geschah erst nach der Wende. Doch schon bald war wieder ein Neubau nötig: Die heutige, 2013 fertiggestellte Drehbrücke ist somit bereits die fünfte bewegliche Brücke. Sie wird vom Ort selber betrieben und durch Spenden der durchziehenden Binnenkapitäne finanziert. Auf der anderen, der südöstlichen Seite ist die Altstadt-Insel durch einen aufgeschütteten Erddamm mit Alt-Malchow verbunden. Das Kloster in Alt-Malchow wurde 1298 gegründet, als die Nonnen vom Orden der Büßerinnen von Röbel hierhin übersiedelten. Nach der Reformation wurde aus dem Kloster ein Stift adliger, unverheirateter Damen. Bis zu ihrem Tod 1972 lebte die letzte, damals 95-jährige Domina hier. In der neugotischen Klosterkirche, einem weiteren Wahrzeichen Malchows, finden heute Konzerte und Trauungen statt. Außerdem beherbergt sie ebenso wie das ehemalige Pfarrhaus nebenan das Mecklenburgische Orgelmuseum. In Schlafhaus und Refektorium befindet sich das Kunstmuseum mit Ausstellungen regionaler Künstler. Zur Klosteranlage gehört auch der Engelsche Garten, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert angelegt vom damaligen Küchenmeister des Klosters namens Engels. Mit seinem alten Baumbestand schlängelt sich die Anlage am Ufer des Malchower Sees entlang und lädt ein zu lauschigen Spaziergängen und verträumten Blicken auf Schilf und Wasser. Auf der anderen Seite der Klosteranlage, nicht weit entfernt, versammelt das Museum »Kiek in un wunner di« Kurioses aus dem Alltag der Malchower aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zum Beispiel eine Toilette mit Sandspülung, einen Fußtretbohrer für den Zahnarzt oder ein altes Aufnahmegerät mit dem schönen Namen Tefifon. Eine weitere alltagskulturelle Sehenswürdigkeit beherbergt die Malchower Neustadt im ehemaligen Kino »Film-Palast«: Das DDR-Museum zeigt auf fast 200 Quadratmetern von der Radiotruhe Olympia über Kameras bis hin zu Kleidung Gegenstände aus 40 Jahren DDR. Die Ausstellung wird ständig erweitert. Wer auf seinem Dachboden noch etwas Passendes findet, bringt es hierhin ins Museum. Und dann ist da noch die etwa 130 Jahre alte Stadtwindmühle, ebenfalls in der Neustadt. Im Innern des restaurierten Denkmals steht typische Mühlentechnik wie Mühlrad und Mahlstein, ergänzt durch eine Fotoausstellung zum Mühlenwesen. Auf dem zweiten Boden geht es noch tiefer zurück in die Geschichte: In der Ausstellung »Schamane – Götze – Sagenwelt« sind ur- und frühgeschichtliche Spuren aus der Gegend zu sehen – unter ihnen die Mumie eines Malchowers, der um 1100 gestorben ist. So findet sich hier also doch noch etwas Mittelalterliches.

Der Text stammt aus dem Magazin "Tagesspiegel - Mecklenburgische Seenplatte". Für 6,50 Euro im Tagesspiegel-Shop oder am Kiosk.

Weitere Themen der Ausgabe: Auf einen Blick. Leute, Landschaften und die wichtigsten Fakten zur Mecklenburgischen Seenplatte; Schweizerisch. 125 Gipfelmeter reichen für den Titel "Schweiz"; Die Besten Schlösser und Burgen des Nordens; Mit dem Rad. Sechs Radtouren durch die Region; Im Land der großen Seen. Paddling, Radfahren, Kuchenessen - Ein perfekter Tag an der Müritz; Action! Wasserski und Paragliding auf den Großseen; Plötze, Barsch und Ukelei. Mit den Kindern zum Angeln; Malchow. Wo eine Brücke Dreh- und Angelpunkt ist; Nationalpark. Die Buchenwälder bei Serrahn sind Teil des Unexco-Weltnaturerbes; Die Besten Touren mit dem Hausboot auf den Großseen; Mit dem Kanu ins Kino. Auf dem Kultur- und Naturtrip an den Mecklenburgischen Kleinseen; Pilze sammeln deluxe. Ein Experte hilft finden und ein Sternekoch macht daraus leckeres Essen. Die Besten Campingplätze, die man auch mit dem Kanu erreicht. Essen & Trinken. Die Top Ten der Mecklenburgischen Seenplatte; Freizeit & Kultur. Ausflugsziele und Termine 2016; Übernachten. Unsere Empfehlungen für eine gute Unterkunft

Kristina Simons

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