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Nicht lang schnacken. Antonia Siegmund und Matthias Last machen unter ihrem Label Sloe klare, sorgfältig gestaltete Einzelstücke wie die „Puritan Bag“.

© promo

Berliner Modedesign: Alles im Sack

Die meisten Labels verkaufen ihre Mode, indem sie endlose Geschichten dazu erfinden. Sloe zeigt ohne viele Worte überzeugende Produkte.

Geschichten zu erzählen ist in der Mode inzwischen so selbstverständlich, wie im Winter eine Jacke anzuziehen. Die Geschichten sollen helfen, die Produkte zu verkaufen, mit denen sie immer weniger zu tun haben. Deshalb will Antonia Siegmund mit ihrem Label Sloe keine Geschichten erzählen. Sie will gute Taschen machen. Und dazu eine Hose aus einem festen Seidenstoff, eine große Wolljacke mit tiefem Revers und bald einen schmalen Mantel aus moosgrüner Wolle mit einer Passe, die aussieht wie eine kleine Jacke, die über dem Mantel sitzt. Wer die Produktbeschreibung von Sloe liest, weiß danach, wie das Produkt aussieht. Das ist eine Seltenheit, denn im Modegeschäft geht es immer darum zu beschreiben, was für ein Mensch diese Kleider trägt, wie er sich fühlt – und demnächst wahrscheinlich noch, was die Kleidung dabei fühlt. In einem Schuhkatalog steht zum Beispiel ein Text, der einen Sommertag in Paris beschreibt. Die Sonne spiegelt sich auf den Schuhen, während man an Bekannten vorbeiradelt, die in sommerlichen Chelsea-Boots auf der Place de Vosges picknicken.<ET>Die Schuhe schauen sich eine Mondrian-Ausstellung an, gehen ins Cinéma und am Schluss gibt es, voilá, ein romantisches Abendessen. All das kann man in diesen Schuhen erleben! Natürlich hat auch Antonia Siegmund während ihres Studiums in Hamburg so angefangen: ein Thema gesucht und sich dazu etwas ausgedacht. Dann ist sie nach London ans Central St. Martins College gegangen, und hier waren ihre schönen Sachen nur noch der Anfang des Designprozesses. Die Modeschule gilt als eine der besten, da war plötzlich viel Druck. Die Professoren sagten: „Hübsch. Und jetzt?“ Nach ihrem Diplom zog die gebürtige Lübeckerin nach Berlin und lernte den Grafikdesigner Matthias Last kennen. „Wir haben uns über unsere Arbeit ausgetauscht, es sprudelte nur so.“ Damit änderte sich noch einmal alles. Zusammen überlegten sie, was sie gerne tragen würden, was für sie der nächste Schritt wäre. Zuerst war das eine Tasche für Männer und Frauen, die viel mitmacht und trotzdem gut aussieht. Die „Puritan Bag“, die ein wenig an einen Seesack erinnert, ist das Kernstück ihres Labels Sloe. Drumherum gab es für den Anfang nur ein paar Kleidungsstücke – bald wird es die erste Jacke für Männer geben. Für ihre Entwürfe denkt Antonia Siegmund sich kein Thema aus, das sie dann in Stoff übertragen muss. Und sie will nicht in Outfits denken. „Man entwirft eine Hose, eine Jacke und dann fehlt ein T-Shirt für darunter, das macht man auch noch schnell.“

Das sind die Taschen von Sloe.
Das sind die Taschen von Sloe.

© Sabrina Theissen

All das sollte man tun, wenn man auf einer Fashion Week seine Kollektion auf einem Laufsteg zeigen will. Das ist auch der Grund, warum es so oft schief geht – es ist nämlich verdammt schwierig, das alles unter einen Hut zu bekommen. Und wenn es gelingt, nennen das alte Hasen wie der Modejournalist Alfons Kaiser von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung „den Fashion-Moment“. Es ist nicht anders als im Theater – man muss sich viele Darbietungen anschauen, bis man eine sieht, die wirklich gut ist. Matthias Last hätte für den Anfang gern noch weniger gezeigt, damit der Kunde genau weiß, was er bekommt. Zu Beginn gab es nur eine Tasche und dazu zwei Varianten, das hätte ihm gereicht. Wichtiger war, dass alles zusammenpasste. Matthias Last, der oft als Art Direktor für Modemagazine arbeitet, hat das Lookbook und das Logo gestaltet und findet: Jetzt können wir anfangen, eine eigene Welt aufzubauen. Vielleicht wird Sloe bald auch Möbel anbieten. Eigentlich wollten sie nicht wie üblich zweimal im Jahr zur neuen Saison Produkte auf den Markt bringen, sondern jedes neue Stück im Onlineshop anbieten, wenn es fertig ist. Wenn da nicht der Einzelhandel wäre, der sich streng an den Saisonrythmus hält und so viel Interesse an Sloe zeigte, dass die beiden ihre Pläne ändern mussten. Jetzt gibt es jede Saison etwas Neues, aber auch zwischendurch. Angst, dass die Leute fragen: Ist das schon alles?, hatte Last nie: „Es sollte auf den Punkt sein. Und wir wissen jetzt, wer wir sind.“ Das ist mit Sicherheit besser, als irgendeine Geschichte zu erzählen.

Mehr Infos unter: www.sloeberlin.com

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