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Lebensfreude mit Mode. Berlins Modenblatt.

© promo

Berlins Modenblatt: Träume aus Trümmern

In Berlins Modenblatt sollte Mode als Motivator im Nachkriegs-Berlin dienen.

Elegante Herren im Anzug, Damen in taillierten Kostümen flanieren unter Bäumen. Nur ein U-Bahn-Schild macht klar: Das soll Berlin sein. Im Oktober 1945? Es ist ein Wunschbild, Poster einer besseren Zukunft, das „Berlins Modenblatt“, lizensiert von den sowjetischen Besatzern, kurz nach Kriegsende liefert. Der erstaunlich schnell wiederbelebte Markt von Modemagazinen und Illustrierten sollte den Gesinnungswandel der Besiegten durch Begehren fördern.

„Ein Wille, der Trümmerberge versetzt, und der Wunsch, das Leben wieder schön und lebenswert zu gestalten, vermögen, dass die Lebensfreude siegt!“, beginnt die Bildunterschrift unter dem Bild in zarten Aquarellfarben. Und diese Zukunft sei gar nicht so fern, aufgesetzte Taschen aus Stoffresten auf dem alten Kostüm oder ein neues Mantelfutter aus einer Decke würden Wunder wirken. Woanders heißt es dann doch realistischer: „Erlaubt ist, was gefällt, oder besser gesagt: Erlaubt ist, was uns angeboten wird.“ Und das war bis mindestens 1947 weniger, als die wunderbar illustrierten DIY-Anleitungen im Modenblatt vermuten lassen. Selbst Nadel und Faden waren Mangelware, in der Realität wurde Unterwäsche aus aufgetrennten Getreidesäcken gehäkelt.

Es gibt Tipps, wie man eine Fliegerjacke entnazifizieren kann

Brigitte Stamm zeigt in ihrer kleinen Galerie Ausgaben von Berlins Modenblatt aus den Jahren 1945-1949. Ein Glück, dass sie die fragilen, auf hauchdünnem Papier gedruckten Schätze teilt. Es ist eine irrwitzige Gratwanderung, die die Publikationen des ehemaligen Plakatzeichners Cheri Karl Gessinger vollführen. Die aus Not getragene Herrenhose wird zum Stilmerkmal der flotten Berlinerin erklärt, ärmellose Jacken und Mäntel machen aus Materialknappheit den letzten Schrei. Unter der Überschrift „Die alte Uniform – zivilisiert“ gibt es Anregungen, wie Kriegsbekleidung zum flotten Herbstmantel und eine Fliegerjacke entnazifiziert werden kann.

„Natürlich wurden auch Hakenkreuz-Fahnen zu Kleidern umgearbeitet“, sagt Brigitte Stamm, die Schneiderin, Modedesignerin und Kunsthistorikerin war. Ihre Magazinsammlung endet mit dem Siegeszug von Diors „New Look“ ab 1947. Berlins Modenblatt verurteilte Diors Stoffverschwendung und schrieb: „Wir selbst werden ja doch unsere kurzen Sachen weitertragen müssen, wenn nicht kurz über lang Wunder geschehen.“ In Frankreich aber wurden kurze Röcke als die Mode der deutschen Besatzer angesehen.

Galerie für junge Künstler- + DesignerInnen, Grunewaldstr. 15, Schöneberg, bis 14.3., Do/Fr 15-19 Uhr, Sa 12-16 Uhr, Eintritt frei

Ingolf Patz

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