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In den Trümmern des Rana Plaza trauert eine Frau um eine Angehörige.

© Abir Abdullah/ dpa

Bücher über Mode: Tansy Hoskins schreibt gegen den Irrsinn der Mode

Im Antikapitalistischen Buch der Mode beschreibt Tansy Hoskins die Welt der Mode, die schmutzig und zerstörerisch ist. Und fordert eine Revolution.

Die Frau auf dem Foto ist eine von 1100 Arbeiterinnen, die ihr Leben ließen, weil sie für große Konzerne Kleidung nähten. Als im April 2013 in einem Vorort der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka die Textilfabrik Rana Plaza einstürzte, konnte niemand mehr darüber hinweg sehen, was es bedeutet, billige Kleidung zu kaufen. Auch dieses tragische Unglück, verursacht durch Profitgier und mangelnde Sicherheit, veranlasste Tansy Hoskins dazu, ihr Buch „Das Antikapitalistische Buch der Mode“ zu schreiben.

Wie kann etwas, das so viel Spaß macht, so viel Leid verursachen? Und kann man etwas ändern, indem man nur Kleidung kauft, die ökologisch wertvoll ist? Tansy Hoskins sagt nein. Die junge britische Autorin, die für den Londoner Guardian über Mode und soziale Gerechtigkeit schreibt, findet, dass der Kapitalismus selbst ein fehlerhaftes System ist, das Sweatshops, Kinderarbeit, Umweltzerstörung und Entfremdung hervorbringt. Tansy Hoskins fasst ein Unwohlsein der Modeindustrie gegenüber in präzise Worte, das schon lange diffus mitschwingt, wenn man durch Einkaufszentren schlendert oder im Internet nach den günstigsten Angeboten surft. Mode ist schön und teuer, sie schließt aus und markiert Unterschiede.

Die Arbeit in der Modeproduktion macht viele Menschen krank

Das Ganze wird schnell obszön, wenn man hört, wie Menschen in einem der giftigsten Orte der Welt leben. In Hazaribag, einem Vorort von Dhaka werden jährlich mehr als 14 Millionen Tierhäute gegerbt und zu Leder verarbeitet. Das ergibt so viel Leder, dass es wahrscheinlich ist, dass die meisten von uns etwas aus Hazaribag besitzen. Die meisten Bewohner dieser Stadt macht die Arbeit in den Gerbereien krank, durchschnittlich sterben die Menschen hier mit 50. Es ist schwierig, sich diesen Bildern zu entziehen, es ist schwierig, sich jemals wieder ein Paar Schuhe für 29 Euro zu kaufen.

Aber oft hält der Vorsatz nicht lange. Mode ist auf den Effekt des „Haben-Wollens“ fixiert und der ist durch das System der Fast Fashion perfektioniert worden. Tansy Hoskins weiß das, und sie zählt in sieben Kapiteln auf, was alles dazugehört: Mode besitzen, darüber berichten, sich dafür verschulden, sie zu nähen, sich wegen ihr unwohl zu fühlen und damit die Umwelt zu zerstören.

Das tut sie mit der Unerbittlichkeit einer Aufklärerin. Man wartet gespannt auf die Lösung, nachdem sie die Probleme genau benannt und vor allem mit eigenen Augen gesehen hat. Gleich am Anfang beschreibt sie, wie sie auf einer Reise durch Indien Kinder sieht, die in dunklen Räumen Schals mit Perlen besticken, statt zur Schule zu gehen. Sie lässt Frauen zu Wort kommen, die sich fast zu Tode hungerten, um den Modelmaßen zu entsprechen, und erklärt, warum es heute kaum einen Unterschied zwischen großen Designerhäusern und Billigmodeketten gibt. All das entfaltet ein Grauen, dem man sich nicht entziehen kann, weil man das Ergebnis allzu oft am eigenen Leibe trägt. Es ist deutlich zu spüren, wie sie sich quält und doch nicht anders kann, denn eigentlich liebt sie die Mode.

Das Antikapitalistischen Buch der Mode klagt an.
Das Antikapitalistischen Buch der Mode klagt an.

© Rotpunktverlag

Und deshalb träumt sie sich in den letzten Kapiteln eine Mode in einer postkapitalistischen Welt herbei. Wie die aussehen könnte, kann sich auch die Autorin nicht vorstellen, aber sie ist sich sicher, dass ihr Wert ein anderer sein wird, der die Menschen nicht länger voneinander abgrenzt und sie in starre Rollen presst. Tansy Hoskins flüchtet sich am Ende ihres Buches in eine Utopie, die nicht nur die bessere Mode, sondern auch das bessere Leben bereithält. Und das ist auch der größte Kritikpunkt an ihrem Buch. Sie fordert die Leser zu nichts Geringerem auf als zur Revolution, anders lässt sich ihrer Meinung die falsche Religiosität des Systems Mode nicht brechen. Den mündigen Konsumenten, der mit seinen Kaufentscheidungen die Welt verändert, gibt es ihrer Meinung nach nicht.

Das Antikapitalistische Buch der Mode, Tansy E. Hoskins, Rotpunktverlag, 24 Euro

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