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Jason Denham: Jeans als Wissenschaft

Für den Designer Jason Denham ist eine Jeans mehr als nur ein Basic oder ein Modeartikel. Für ihn ist sie ein Kulturgut.

Zuallererst muss ich wissen, was eine Jeans eigentlich ist und welche Geschichte sie hat. Erst dann kann ich einen neue entwerfen. Daher haben wir in unserem Hauptquartier in Amsterdam ein Archiv mit historischen Stücken aufgebaut. Wir sammeln dort Jeans aus der Zeit von 1850, als die ersten produziert wurden, bis heute, aber auch zum Beispiel Hosen, die Feuerwehrleute im späten 19. Jahrhundert getragen haben, oder alte japanische Arbeiterhosen. Wir wollen diese Traditionen verstehen, das ist die Voraussetzung für unsere Arbeit.

Ich habe zwei Grundsätze. Einer lautet: Die Wahrheit liegt in den Details. Der Träger soll sehen, wie viel Handwerkskunst in den Stücken steckt, und wie viel Liebe wir in die Gestaltung investiert haben. Aber das ist nicht alles. Wir wollen unsere Vorbilder ja nicht kopieren. Daher lautet der zweite Leitsatz: Die Tradition verehren, aber Konventionen brechen. Wir haben großen Respekt für die Leistungen der Vergangenheit. Daher studieren wir sie auch so genau. Aber ich möchte gleichzeitig auch neue Wege erschließen und Jeans entwerfen, die up-to-date sind. Unseren Hosen soll man ansehen, dass wir der Geschichte treu bleiben, sie aber gleichzeitig modernisieren.

In den vergangenen dreißig Jahren ist die Geschichte der Jeans durch drei Personen geprägt worden: einen Künstler, einen Wissenschaftler und einen Ingenieur. Der Künstler ist Adriano Goldschmied. Er ist ein fantastischer Kerl und einer meiner Helden. Er steht um sechs Uhr morgens auf, trinkt seinen Espresso und fängt an, sich mit neuen Jeans-Ideen zu beschäftigen. Der Wissenschaftler ist Francois Girbaud. Er hat einmal eine Jeans in einen Zementmischer gesteckt und so den Stone-Washed-Look erfunden. Im Moment beschäftigt er sich gerade damit, wie man Laser für neue Oberflächeneffekte einsetzen kann. Und der Ingenieur ist Pierre Morriset, der auf sehr industrielle Weise denkt und viele neue Schnitte und Silhouetten konstruiert hat.

In meiner eigenen Arbeit versuche ich, diese drei Aspekte — Kunst, Wissenschaft und Industriedesign — zu verbinden. Das wichtigste dabei ist die Balance. Und man muss wissen, wann es an der Zeit ist, den Stift wegzulegen. Viele Designer können das nicht. Sie machen immer weiter, und irgendwann ist es zuviel und das Resultat sieht aus wie ein Autounfall.

Ich sehe unsere Jeans nicht als Modeartikel. Natürlich sind wir ein Teil der Modebranche und wir folgen auch bestimmten Trends, aber uns geht es um Langlebigkeit, Handwerkskunst und hochwertige Materialien. Viele Leute sprechen heute über ökologische Werte in der Mode, und ich finde das auch richtig, aber für mich steht Nachhaltigkeit im Vordergrund.

Ich möchte, dass die Leute keine Wegwerfprodukten kaufen, sondern eher eine Jeans, die sie jahrelang tragen können. Das ist nachhaltiger, als wenn sie ein modisches T-Shirt aus Biobaumwolle kaufen und es nach dreimaligem Tragen wegschmeißen. Gerade in der heutigen Zeit mit all ihren Krisen achten die Menschen sorgfältig auf Qualität, Werte und Nachhaltigkeit. An eine teure Jeans stellen sie inzwischen dieselben Ansprüche wie früher an einen feinen Anzug.

(Protokoll: Jan Schröder)

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