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© pa/empics

Jimmy Choo: Lust am hohen Absatz

Lady Di entdeckte sie, Michelle Obama trägt sie, jetzt gibt es die Schuhe des Labels Jimmy Choo bei H & M.

Vielleicht wäre es alles ganz anders gekommen, wenn sich der Behördenmitarbeiter damals nicht verschrieben hätte: „Choo“ statt „Chow“ trug er als Nachnamen für den kleinen Jimmy in die Geburtsurkunde ein. Dem erwachsenen Jimmy hat es nicht geschadet, im Gegenteil. Der Fehler dürfte seine Karriere sogar noch befeuert haben. Denn aus dem Jungen ist ein Schuhdesigner geworden, und einen Schuhdesigner, der auch noch „Choo“ heißt, kann sich jeder merken.

Doch derzeit ist der Designer ohnehin nur schwer zu übersehen. In großen Lettern prangt der Name auf den Plakaten des Kleidungsherstellers H & M, der seinen neuesten Coup bewirbt: eine Kooperation mit Jimmy Choo. Unter 500 Euro ist ein Paar Choos selten zu bekommen, doch ab Samstag stehen Choo-Stilettos für 99 Euro im Regal. Nur in ausgewählten H&M-Filialen, in Berlin in den beiden Läden auf der Friedrichstraße und am Kurfürstendamm 237. Dazu gibt es Armbänder, Taschen und Kleidchen designed by Choo. Aus Angst, überrannt zu werden, will H&M in den Läden Einlassbändchen verteilen, damit sich die Frauen nicht gleich mit den 10-Zentimeter-Absätzen die Augen ausstechen.

Zwar ist es nicht das erste Mal, dass sich die Billigmarke H & M einen glamourösen Designernamen aufnäht – doch selten war die Kombination „Luxus trifft Discount“ so verlockend wie in Zeiten der Krise. Gestartet hatte H & M seine Designerkooperation 2004 mit Karl Lagerfeld, es folgte eine Zusammenarbeit mit Designern wie Stella McCartney, Roberto Cavalli und zuletzt Matthew Williamson – es ist eine Art Tauschgeschäft für beide Seiten: H & M versucht sein Image mit einem teuren Namen aufzuwerten und kurbelt gleichzeitig seinen Umsatz an. Und die Designer erreichen plötzlich ein Publikum, dass sonst nicht zu ihrer Zielgruppe gehört. Leistet sich heute beispielsweise die BWL-Studentin bei H & M Choo-Ballerinas, wird sie dann als gut verdienende Business-Lady vielleicht das Original kaufen.

So dürfte Tamara Mellon kalkulieren, die Frau, die heute hinter der Marke Jimmy Choo steckt. Denn längst ist der leibhaftige Jimmy Choo nicht mehr Eigentümer des Unternehmens, das seinen Namen trägt. Die Grundlage für den Ruhm der Marke hat er jedoch bereitet. Schon der Vater des 1961 in Malaysia geborenen und dann nach England ausgewanderten Jimmy Choo war Schuhmacher, doch der Junior wollte mehr als schlichte Treter zusammennageln und -kleben. Im Cordwainers College feilte er an seinen Fähigkeiten, machte 1986 einen kleinen Laden auf – in den plötzlich Lady Diana stolzierte. Sie brauchte für ihre Gala- und Ballbesuche ständig neue Schuhe, Choo schien ihr ein guter und nicht zuletzt diskreter Macher zu sein, fortan durfte er die neuen Modelle persönlich am Prinzessinnenfuß anpassen. Tamara Mellon, damals Redakteurin für Accessoires bei der „Vogue“ und gut vernetztes It-Girl in London, hörte davon und schlug Choo 1996 vor, eine ganze Kollektion zu entwerfen und diese in einem größeren Laden zu verkaufen. Mellon, deren Mutter Model und deren Vater Mitbegründer der Haarpflegemarke Vidal Sassoon war, wollte sich um das Geschäftliche kümmern, Choo sollte den kreativen Teil übernehmen. Doch der Schuster war skeptisch – maximal zwei Schuhe hatte er bis dahin pro Tag angefertigt, jetzt sollte er gleich 100 Paar designen. Tatsächlich wäre Choo fast gescheitert, wenn ihm nicht seine Nichte Sandra Choi geholfen hätte. Sie hatte die renommierte St. Martins School of Art in London besucht. Obwohl sie sich nicht auf Schuhe spezialisiert hatte, entwarf sie für ihren Onkel schnell einen Großteil der Kollektion, mit der Mellon dann nach Hollywood reiste. Kurz vor der Oscar-Verleihung mietete sie hier die teuerste Suite des Hotels L’Ermitage und lud Stars und ihre Stylisten ein, sich kostenlos ein Paar auszusuchen. Die Strategie ging auf. Courtney Love, Julia Roberts und Hilary Swank standen mittlerweile schon mit Choos an den Füßen im Rampenlicht, „Sex and the City“-Ikone Carrie Bradshaw rief in der Serie laut „Wait! I lost my Choo“, und als US-Präsident Barack Obama im Januar in sein Amt eingeführt wurde, trug seine Frau Michelle grüne Choo-Pumps zu ihrem Kostüm.

Mellon hat es damit geschafft, aus dem kleinen Schuster einen weltweit bekannten Designer zu machen. Bereits 2001, fünf Jahre nach der Gründung der Marke Jimmy Choo, galt das Label als eine der rentabelsten Luxusmarken der Welt – es war genau das Jahr, in dem der Namensgeber gegen eine millionenschwere Summe ausstieg, vermutlich weil er auf das Tempo und den Stil der beiden Frauen keine Lust mehr hatte. Seither führen Sandra Choi als Kreativdirektorin und Tamara Mellon als Unternehmenschefin das Label. Wohl auch deshalb so erfolgreich, weil sie wissen, was Schuhe Frauen bedeuten. Mellon, die selbst nie mit weniger als acht Zentimetern unter den Füßen zu sehen ist, sagte in einem Interview: „Schuhe haben eine stimmungsverändernde Wirkung: Sie machen uns größer, geben uns Haltung.“ Haltung bewahren wird sicherlich auch die Marke, trotz des Kurzausflugs in die Billigwelt. Das Label ist fest im Luxussegment verankert – und einen „Choo“ verwechselt man so leicht nicht.

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