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Anke Eilergerhard zwischen ihren Skulpturen.

© Fendi

Kunst und Mode: Opulente Skulpturen fürs Schaufenster

Die Berliner Künstlerin Anke Eilergerhard macht Skulpturen, die auf den ersten Blick aussehen wie Gebäck mit sehr viel Sahne. Das gefiel dem römischen Luxusmodehaus Fendi und sie gaben elf Kunstwerke für ihre Schaufenster auf der ganzen Welt in Auftrag.

Die Parallelen zu ihrer Kunst hat Anke Eilergerhard gleich gesehen. Bei der opulenten Modenschau von Fendi gab es Streifen und Rüschen, die Oberflächen waren sehr feminin. „Fast logisch, dass die auf mich gekommen sind.“ Die Berliner Künstlerin hat für das Modehaus elf Skulpturen aus ihrem Werkzyklus „Annas“ gefertigt, die seit der vergangenen Woche die Schaufenster der größten Fendi-Läden von Rom über New York bis nach Tokio zieren.

Eilergerhards Hauptmaterial ist Silikon, das sie zu Skulpturen verarbeitet. Das in Schichten wie dicke Buttercreme und steifgeschlagene Sahne gespritzte Material glänzt appetitlich. Ihre Kunstwerke lösen einen pawlowschen Speichelfluss aus, man will sofort den Finger hineintunken. Für die „Annas“ kombiniert sie Silikon und Porzellan aus Karlsbad. Tassen werden zu Brüsten, Henkel zu Ohren, und Untertassen, bemalt mit großen Stiefmütterchen, zu klimpernden Augendeckeln. Die 53-Jährige spielt mit dem Weiblich-Verführerischen und erhöht das Klischee, indem all ihre Materialien aus der Küche kommen, wo sie hingehört, die Frau. Immer wieder sind ihre Kunstwerke in Ausstellungen zu sehen, die das Frausein thematisieren, aber darauf will sie nicht reduziert werden: „Frauen-Ausstellungen kann ich nicht mehr leiden.“

Für Anke Eilergerhard ist es nicht schlimm, dass Fendi an ihrer Kunst vor allem die dekorative Oberfläche interessiert. Ihr ist auch klar, dass das Unternehmen ihre Kunst benutzt, um die Mode im Schaufenster zu überhöhen – aber natürlich profitiert sie auch davon. Ihre Kunstwerke werden später in die Sammlung des Unternehmens aufgenommen. Gerade hat Fendi in Rom ein neues Hauptquartier eröffnet und ein Museum dazu. Im vergangenen Sommer machte das italienische Modehaus von sich reden, als es die Sanierung des Trevi-Brunnens in Rom finanzierte. Im Gegenzug wurde im Becken ein Laufsteg aufgebaut, um die Mode zum 90-jährigen Firmenjubiläum zu zeigen.

Modehäuser als Mäzene

Kunst und Mode, das funktioniert so gut, dass Fendi jetzt eben die Werke einer Berliner Künstlerin in ihren Schaufenstern zeigt. Auch das sorgt für ordentlich Wirbel. So viel Aufmerksamkeit hatte die Kunst von Anke Eilergerhard noch nie.

Davon ist in ihrem riesigen Atelier Mitte März nichts zu spüren. Ihr erwachsener Sohn baut Boxen für die „Annas“, während die Künstlerin pastellfarbene, überzuckerte Pralinen serviert – in eben jenen himbeercremefarbenen Schälchen mit reichverziertem goldenen Henkel und buntem Blumenmuster, die sie auch in ihren „Annas“ verarbeitet. „Das ist kitschig, oder?“, sagt sie freudestrahlend.

Alles begann im vergangenen Juli mit einer Email an ihren Galeristen Werner Tammen. Der hielt die Anfrage von Fendi schlicht für Betrug. Im Gegensatz zu seiner Tochter, die sofort wusste, wer Fendi ist, und ihren Vater zu einer Antwort an den Visuell-Merchandising-Chef des Modeunternehmens drängte. Der kam gleich nach Berlin und stellte sich vor. Man habe die Arbeiten im Internet entdeckt und würde sie gerne in ihre Schaufenster stellen. Daraufhin wurden sieben Skulpturen nach Rom, Paris und Mailand verschickt, damit die Chefs entscheiden konnten.

Auch Anke Eilergerhard schaute sich daraufhin zum ersten Mal die Arbeiten von Fendi an, im Erdgeschoss des Kaufhaus des Westens, wo sie einen luxuriösen Shop-in-Shops betreibt. Vorher hatte die Künstlerin die Etage mit den Luxusmarken immer ignoriert: „Das kann ich mir sowieso nicht leisten.“ Sie entdeckte eine Ähnlichkeit zwischen Kunst und Mode, als sie durch die Läden der Luxusmarke streifte: Diese Mode wird wie Kunst verkauft, zu einem Preis, der genauso schwindelerregend ist.

Kunst und Mode gehen gut zusammen: im Fendi-Store.
Kunst und Mode gehen gut zusammen: im Fendi-Store.

© Fendi

Die Annäherung fand also ganz klassisch von Seiten der Mode statt. Das hat sich seit vielen Jahren etabliert, die Kunst lässt sich das gerne gefallen. Die Verbindung von Kunst und Mode erschöpft sich schon längst nicht mehr darin, dass Kunstwerke auf Kleider gedruckt werden, wie das 1965 Yves Saint Laurent mit den Gemälden von Piet Mondrian tat. Viele Modehäuser, wie zum Beispiel Prada, sind längst zu Mäzenen der modernen Kunst geworden. Damit wird auch gleich das eigentlich vergängliche Produkt überhöht. Gerade liefern sich die beiden Modebosse Bernard Arnault von LVMH und Kering-Chef François Pinault einen Wettstreit, wer das größte und schönste Museum für seine firmeneigene Kunstsammlung in Paris eröffnet. Im Moment scheint Pinault mit seinem Neubau des Stararchitekten Tadao Ando die Nase vorn zu haben.

In Deutschland ist man da skeptischer. Anke Eilergerhard weiß, dass die Verbindung von Kunst und Kommerz hier immer noch kritisch gesehen wird. „Du musst als Künstler wissen, wer du bist“, sagt sie. Dieses Selbstvertrauen kann man ihr nicht absprechen, sie fühlt sich sichtbar wohl mit diesem Auftrag – immerhin der größte, den sie je hatte. Sie hat viel gelernt, ihr Atelier auf einem alten Industriegelände in Lichtenberg hat sich in eine Produktionsstätte verwandelt. Noch nie zuvor musste sie in so kurzer Zeit so viel Material herstellen. Sie arbeitete im Akkord, die Wochenenden und Nächte durch, um die Skulpturen rechtzeitig in die ganze Welt verschicken zu können.

"Die größte Hürde war, den Respekt vor der Kunst zu erhalten."

Und sie hatte das letzte Wort. Die größten „Annas“ sind 3,20 Meter hoch. Jetzt stehen sie als Solitäre neben der Mode in Rom, Paris, Mailand, Shanghai, Tokio, Dubai, Hongkong und Berlin und werden ganz bewusst nicht als Dekoration benutzt. Anke Eilergerhard wollte nicht, dass eine Tasche an einem ihrer Werke baumelt. Das wäre ihr zu heikel gewesen: „Die größte Hürde war, den Respekt vor der Kunst zu erhalten.“

Ihre Kunst kann man im Gegensatz zu Mode nicht nachahmen – dachte Anke Eilergerhard jedenfalls. Ihre Technik, das Silikon zu spritzen, hat sie über viele Jahre verfeinert, sie ist wie die Zusammensetzung des Rohstoffes ein Betriebsgeheimnis. Aber wie gut die Mode in der Nachahmung ist, stellte sie fest, als Fendi 25 000 kleine Silikontupfen in China herstellen ließ. „Ich dachte, das können die nicht.“ Als sie die fertigen Formen sah, bekam sie eine Gänsehaut – so perfekt waren sie.

Die Skulpturen von Anke Eilergerhard sind auf jeder Kunstmesse ein Zuschauermagnet.
Die Skulpturen von Anke Eilergerhard sind auf jeder Kunstmesse ein Zuschauermagnet.

© Fendi

Die Berliner Skulptur ist aktuell im Fendi-Shop im KaDeWe zu sehen.

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