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Im exklusiven Salon des Restaurant Borchardt versammelten sich vier Inhaber Berliner PR-Agenturen, um über ihre Arbeit zu sprechen, von links Kerstin Geffert, Julia Menthel, Florian Müller und Arne Eberle.

© Mike Wolff

Kurz vor Fashion Week: „Wir glauben an Berlin, sonst wären wir nicht hier“

Sie sind Protagonisten der Berliner Mode: Vier PR-Chefs erzählen vor dem Start der Fashion Week, worauf es ankommt.

Nächste Woche beginnt die Modewoche, was waren in letzter Zeit für Sie die wichtigsten Fragen?
JULIA MENTHEL: Wir werden im Moment ständig von unseren Kunden gefragt: Wie sollen wir uns in Berlin engagieren? Sollen wir eine Schau, Dinner, ein Event machen? Während unsere Kunden generell an PR-Maßnahmen in Berlin und in Deutschland interessiert sind, weil sie um die ökonomische Stärke wissen, wird das Marketingbudget natürlich strategisch global verteilt. Wenn man im deutschen Markt investieren will, kommt man an Berlin einfach nicht vorbei.

ARNE EBERLE: Zumal die meisten der Berliner Labels vom deutschen Markt nicht leben können.

JULIA MENTHEL: Der deutsche Markt ist sehr groß, aber die Kunden sind nicht besonders mutig.

FLORIAN MÜLLER: Man sollte hier natürlich unterscheiden, was man mit Mut und Individualität genau meint. Meiner Meinung nach liegt das Problem nicht darin, dass Designer nicht tragbar sind.

JULIA MENTHEL: Das ist die Herausforderung: Du musst dich absetzen von der konservativen Masse, aber tragbar bleiben.

Was muss ein Designer für eine Schau investieren?

JULIA MENTHEL: Es kommt darauf an, ob man im Zelt zeigt, ein Streetcasting macht, oder dich eine Agentur mit Models unterstützt. Aber unter 10 000 Euro braucht man nicht anfangen.

ARNE EBERLE: Die wenigsten meiner Designer geben 10 000 Euro aus. Aber wenn man vernünftig und langfristig planen möchte, ist dieses Budget sinnvoll.

KERSTIN GEFFERT: Einige Designer finanzieren ihre Schauen ja zum Teil auch über Sponsoren.

Kann man dazu raten, in Berlin zu zeigen oder sollte man nach Paris gehen?

KERSTIN GEFFERT: Mir ist sehr daran gelegen, dass die hier ansässigen Designer auch in Berlin zeigen. Wenn wir neben den Messen nicht die Modenschauen hätten, wäre das nur die halbe Miete.

JULIA MENTHEL: Klar kann man nach Paris gehen, aber da reichen 10 000 Euro erst recht nicht. Zudem hast du dort eine viel größere Konkurrenz. Und wenn du nicht auf dem offiziellen Kalender der Chambre Syndicale de la Haute Couture stehst, sagen wir: Mach lieber eine Schau in Berlin. Wir glauben an Berlin, sonst wären wir nicht hier.

FLORIAN MÜLLER: Die eigene finanzielle Situation sollte immer im Blickfeld sein. Stimmt die nicht, rate ich eher von Veranstaltungen ab, egal ob in Paris oder Berlin.

Also was tun?

FLORIAN MÜLLER: Die erste Frage sollte sein: Will ich als Kreativer in einem großen Unternehmen entwerfen oder bin ich ausreichend Geschäftsmann, um mich mit einem Label selbstständig zu machen. Doch diese Frage wird bei jungen Labels oft erst zu spät angegangen. Man ist fertig mit dem Studium, hat eine gute Kollektion und wird gehypet. Plötzlich merkt man: Ich weiß gar nicht, wie das geht mit der Finanzierung, dem Personal, den Kosten und der Produktion.

JULIA MENTHEL: Wir müssen uns selbst organisieren – der Berliner Senatspreis „Start your Fashion Business“ und die „German Press Days“ sind gute Beispiele. Wenn ich an unsere anderen Märkte denke, in denen wir vertreten sind – USA, Schweden, Dänemark – überall haben sich Designer, Händler, Agenturen, Schulen und Medien zusammengetan, der Staat hilft. Die Kopenhagener Modewoche wurde buchstäblich aus dem Nichts aufgebaut.

Wie lange braucht man Unterstützung?

JULIA MENTHEL: Man sagt, wenn man nach fünf Jahren noch nicht alleine stehen kann, ist es kritisch.

KERSTIN GEFFERT: Förderung kann ja auch sein, wenn sich große Unternehmen mit coolen kleineren Labels zusammentun und mit ihnen etwas auf die Beine stellen.
Was braucht eine Modewoche, um interessant zu sein?
FLORIAN MÜLLER: Viele Labels, die man sich gern anschaut.

KERSTIN GEFFERT: Wenn man eine Schau macht, geht es nicht in erster Linie darum zu verkaufen, sondern die Presse für sich zu gewinnen. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu erregen.

Profitieren die Schauen von der Absage der Bread & Butter?

KERSTIN GEFFERT: Nein, das denke ich nicht. Wenn überhaupt jemand profitiert, dann die anderen Messen. Aber insgesamt ist das natürlich ein herber Verlust.

Kollektionen werden direkt nach der Schau übers Internet verkauft. Wie könnte sich die Mode in Berlin entwickeln?

JULIA MENTHEL: Als wir 2006 unsere Agentur eröffneten, gab es einen goldenen Weg und der war eine starke Modenschau in einer Modehauptstadt. Heute muß man auf vielen Plattformen präsent sein, online, durch Kunden-Events, Präsentationen exklusiv für Medien, Social Media. Berlin ist ein Synonym fürs Experimentelle, für Trends. Unsere Kunden eröffnen jede Unterhaltung mit der Frage: ,Was gibt’s Neues in Berlin?’

KERSTIN GEFFERT: Punktuell und für einzelne Produkte kann das funktionieren, aber für den Aufbau eines Markenimages reicht das meiner Meinung nicht.

FLORIAN MÜLLER: Ich finde gut, wenn auf mehreren Ebenen gearbeitet wird, aber einen Veranstaltungsort außerhalb der digitalen Welt halte ich für sehr wichtig. Bei der Berliner Modewoche ist das Gros der deutschsprachigen Presse. Sie bekommen nicht nur die Kollektionen zu sehen, mit denen sie in den nächsten Monaten arbeiten können, sondern auch die Stimmung, die der Designer mit einer Schau transportieren möchte.

JULIA MENTHEL: Wir konzipieren häufig Online-Kampagnen. Es geht darum, Online und Offline zu verknüpfen. Vor zwei Wochen haben wir ein Lookbook in New York geshootet. Weil wir dafür Blogger als Models eingesetzt haben, waren wir ganz schnell bei knapp 50 000 likes für wichtige Produkte. Was wir sehen, ist – die Zielgruppe kauft Mode, wie sie Apps kauft. Sie kaufen kein Musikalbum, sie kaufen Songs. Sie kaufen keine Kollektion, sie kaufen Looks.

Das Gespräch führten Joachim Schirrmacher und Grit Thönnissen

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