zum Hauptinhalt

Mode: Berliner Stil: Nun ist sogar die Kanalisation hip!

Was auf den Deckel bekommen: Gullyprint ist nun angesagt in Berlin, den Wasserwerken sei Dank - die haben 500 Schmuckdeckel in Berlin gelegt.

In Arbeiteranzügen knien sie über Gullydeckeln. Zuerst wischen sie feinsäuberlich den Dreck der Stadt vom Metall ab, nur um dann mit einer Malerrolle eine neue Schicht aufzutragen: schwarze Textilfarbe. Dann wird ein T-Shirt draufgelegt oder ein Hoodie oder Jute- oder Sportbeutel. Der Stoff wird fest auf das bemalte Metall aufgedrückt, sodass sich das Muster gut abdrückt, und – voilà! – fertig ist der Gullyprint.

Um die 267.000 Kanaldeckel gibt es in der Stadt, da ist die Auswahl groß, aber Emma-France Raff, die Frau hinter der Idee, setzt bei ihrer Motivfindung auf die jugendlich-modeaffinen Bezirke Neukölln, Mitte, Friedrichshain und Kreuzberg. Für die Waschfestigkeit bügelt sie die Stoffe noch gegen, dann gehen die Unikate ab in den Verkauf via Homepage.

„Raubdruckerin“ hat die Textildesignerin ihr Projekt genannt. Raub stehe für das Entnehmen der Entwürfe aus der Stadt, sie spricht von einem „Prozess“: „Ich eigne mir etwas an und bringe es woanders hin.” Damit lenke sie die Aufmerksamkeit auf die Gullydeckel, die sie zu den oft übersehenen Strukturen der Stadt zählt. Und verdient haben die das durchaus.

Die Motive sind: Fernsehturm, Brandenburger Tor, Siegessäule, Bundeskanzleramt, Marathontor, Gedächtniskirche und Reichstag.

So haben die Berliner Wasserbetriebe vor zehn Jahren zu ihrem 150. Jubiläum damit begonnen, 500 besonders gestaltete sogenannte Schmuckdeckel an prominenten Plätzen und Straßen in die Kanalisationseingänge zu hängen, in die viele wichtige Berliner Sehenswürdigkeiten eingraviert wurden: Fernsehturm, Brandenburger Tor, Siegessäule, Bundeskanzleramt, Marathontor des Olympiastadions, Gedächtniskirche und Reichstag. Auch diese Jubiläumsgullymotive zieren nun die Shirts und Taschen der „Raubdruckerin“, die damit aber nicht nur ein weiteres Super-Berlin-Souvenir erfunden haben will. „Souvenir ist so ein unschönes Wort“, sagt sie und sieht aus, als würde sie sich schütteln. Nein, es gehe ihr vielmehr um die Geschichte des Ortes, die man als geraubtes Motiv durch die Welt tragen könne.

Für sie selbst ist diese Idee auch zugleich eine Handlungsaufforderung. Kaum eine Reise, bei der sie nicht Stoff, Farbe und Malerrolle im Handgepäck hätte – jederzeit bereit, sich über einen schönen Gullydeckel herzumachen. „Ich habe immer ein Auge dafür offen“, sagt sie. Und wenn der Stoff aufgebraucht ist, muss eben auch mal das T-Shirt von ihrem Freund herhalten. Die meisten Menschen, die sie bei ihrem Treiben beobachten und neugierig Fragen stellen, reagierten inspiriert und erfreut auf ihre Erklärungen.

Die Berliner Wasserwerke jedenfalls sind begeistert von der unerwarteten PR-Offensive

„Manchmal treffe ich die Leute wieder, und sie sagen: Unglaublich, was es alles gibt. Plötzlich sehe ich überall Möglichkeiten, T-Shirts zu drucken“, erzählt Raff. Und vielleicht lässt sich der eine oder andere ja inspirieren, es ihr in seiner eigenen Stadt, auf seinen eigenen Reisen nachzutun. Sodass die Raubdruckerin zu einer Art weltweiten Bewegung würde. Das könnte Emma-France Raff gefallen.

Die Berliner Wasserwerke jedenfalls sind begeistert von der unerwarteten PR-Offensive, die ihre Kanalabdeckungen auf textile Weise adelt und der ganzen Welt bekannt machen will. Für alle, die es weniger mit Mode haben, sich aber nunmehr trotzdem für Gullydeckel interessieren, weist man darauf hin, dass die gusseisernen Exemplare käuflich zu erwerben seien. 100 Euro das Stück. Da sind die Shirts und Beutel günstiger, wenn auch nicht billig, die Stoffe seien aber auch alle nachhaltiger Herkunft und von Qualität. Eben nichts für’n Gully.

Die T-Shirts in den Größen XS bis XL kosten 39 Euro, die Jutebeutel 15 Euro, die Sportbeutel 19 Euro. Mehr Informationen und der Onlineshop unter www.raubdruckerin.de. Mehr zum Thema Mode hier.

Julia Müller

Zur Startseite