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Mode: Hannes Roether: Hand in Hand - jetzt auch in Berlin

Das Designerehepaar Hannes Roether und Nicky Wendt macht die Entwürfe für ihr Label Hannes Roether ohne Assistenten. Jetzt gibt es auch einen Store in Berlin.

Die Vorgabe war klar: keine Bilder. Über ihre Arbeit zu sprechen, ist in Ordnung. Aber Nicky Wendt und Hannes Roether möchten nicht fotografiert werden. Das Designerpaar ist kamerascheu und findet, dass ihre Mode genügend Auskunft über sie gibt.

Und weil sie es gut finden, wenn sich ihre Kunden davon ein vollständiges Bild machen können, haben sie Ende März ihr zweites Geschäft in Berlin eröffnet. Das für die Männer gibt es schon ein paar Jahre. Nun ist direkt daneben ein Waschsalon ausgezogen, und da hängen jetzt die aufwendig gestrickten Pullover, die schweren Jacken aus Deutschleder und die mit einem großen Rosenmuster bestickten Kleider in Schwarz und Weiß, die trotz breiter Volants am Saum pragmatische Kleidungsstücke für den ganzen Tag sind. Stellt man sich dazu eines der derben Jacketts vor, bekommt das Leichte gleich ordentlich Bodenhaftung.

Die Kleidung für Frauen entwirft Nicky Wendt, die für Männer ihr Mann Hannes Roether, der dem Label auch seinen Namen gibt. Zur Eröffnung ihres neuesten Ladens in Berlin kommen sie einfach nicht darum herum, auch etwas über sich zu erzählen. So erfährt man, dass der Hannes ein richtiges Trüffelschwein ist. „Die eigenen Läden sind sein größtes Hobby. Mögliche Vermieter aufzuspüren, Läden einzurichten – die Kollektion alleine wäre ihm viel zu langweilig“, sagt Nicky Wendt.

Hannes Roether steuert sofort ein paar vernünftige Argumente für sein Hobby bei: „Wir selber treten ja nicht in Erscheinung. Wenn unsere Kollektion jetzt nur bei diesem oder jenem Händler hängen würde, und der verkauft nur 15 Modelle in einer Farbe, dann ist die Aussage nicht vorhanden. Hier können wir alles zeigen, was wir machen.“ Deshalb haben sie überall, wo sie treue Kunden haben, Läden eröffnet: in München, wo sie auch leben, in Stuttgart, Wien und Maastricht. „Das ist natürlich auch ein Marketinginstrument. Auch, wenn alle Läden, die wir betreiben, funktionieren. Das sind keine teuren Flagshipstores, die jeden Monat noch eine Kiste voll Geld brauchen.“

Und es lässt sich so auch ausgiebig über die schwarzen Wände plaudern, die aus verbranntem Kiefernholz nach japanischem Yagisugi-Verfahren hergestellt sind. Oder über die 50 schwarz lackierten Kaiser-Leuchten, die früher auf jedem Beamtenschreibtisch standen und heute bei Roether von der Decke hängen. Das ist noch so ein Hobby: Gut 500 Stück hat er über die Jahre auf Flohmärkten zusammengekauft. Seit sie vom dänischen Hersteller Fritz Hansen wieder produziert werden, sind sie enorm im Wert gestiegen. „Unser Keller ist voll für viele weitere Läden“, sagt Roether. Eine gute Investition für sein solides Unternehmen.

Gute Investitionen sind auch die Jacketts ohne Schulterpolster, aus derbem Baumwollstoff, aus dem traditionell Arbeitskleidung gefertigt wurde. Sie sehen aus wie schon lange getragen und für die Ewigkeit gemacht. Überhaupt erinnern die Jacken, Mäntel und Hosen an die Kleidung auf den Porträts von August Sander, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts Berufstätige verschiedener Sparten fotografierte, nur in modern und zu unserer heutigen Garderobe passend, die meistens aus Jeans und Turnschuhen besteht.

Die Umsetzung von Männer- zu Frauenkleidung funktioniert oft nicht. Meist sind die Silhouetten so verändert, dass der raue Charme verloren geht. Das ist bei Hannes Roether nicht der Fall. Die gemeinsame Grundlage sind die Stoffe, aus denen sich beide Kollektionen zusammensetzen. Die beiden Designer verwenden fast ausschließlich Naturfasern wie Leinen, Baumwolle und Seide. Auch wenn es bei den Frauen mehr Muster gibt, wie in diesem Frühjahr ein in dunklen Rottönen gehaltener Blumendruck, der auf Blusen, Kleidern und Hosen auftaucht. „Manchmal klauen wir uns Details wie eine schöne Tasche“, sagt Hannes Roether.

Es ist ausgesprochen aufschlussreich, das Designerehepaar Nicky Wendt und Hannes Roether zusammen zu erleben. So kann man sich erklären, wie es ihnen gelingt, eine Herren- und eine Damenkollektion zu entwerfen, die voll unterschiedlicher Elemente stecken, sich aber trotzdem zu einem großen Ganzen fügen. Die beiden scheinen sich genau zu verstehen, wissen exakt, was der eine mag und der andere nicht, und schätzen das als Bereicherung und nicht als Hindernis auf dem Weg zu einer harmonischen Kollektion.

„Wir machen, was wir selber haben wollen. Bei den Frauen versuchen wir, verschiedene Typen anzuziehen“, sagt Nicky Wendt. Unter ihren Kundinnen macht sie vor allem zwei Typen aus: den burschikosen, der den eher schlichten Anzug trägt, und den verspielten, der zum ausgestellten Kleid greift. Nicky Wendt ist die perfekte Mischung aus allen Typen: „Ich mag es total gemischt, gerüscht und ganz straight zusammen. Das machen leider die wenigsten, aber ab und zu läuft so jemand durch die Stadt, dann denke ich: Juchhu, juchhu!“

Aber eigentlich läuft die Kategorisierung bei dem Designerpaar anders. Ihre Kollektionen sollen alterslos sein, ihnen ist vor allem wichtig, dass sie Mode für nette Menschen machen. Nicky Wendt: „Manchmal mache ich in München das Schaufenster. Dann staune ich immer, was für tolle Leute reinkommen! So richtige Persönlichkeiten und nicht so gelangweilte Reiche, das ist ein großes Glück. Mit denen will ich dann eigentlich immer Kaffee trinken.“ Einmal saßen sie zusammen im Kino, da kam ein Mann die Treppe runter und die beiden sagten gleichzeitig: „Der sieht aber gut aus!“ Und dann war der ganz in Roether angezogen. Da sind sie schon zusammengezuckt. Aber: „Das ist das größte Kompliment“, sagt Nicky Wendt.

Das Label hat Hannes Roether in Freiburg gegründet, seiner Heimatstadt. Der Sohn eines Forstdirektors entwarf die ersten zwei Jahre ausschließlich Herrenmode. Als das kleine Pflänzchen stabil genug war, gab auch Nicky Wendt ihren Job bei einer großen Jeansmarke auf, zusammen machten sie in München weiter. „Und dann kamen auch schon die Kinder“, sagt Wendt.

Sie hat Mode auf der schwäbischen Alb gelernt, er ist Ingenieur für Strick. Das sieht man den Pullovern an, die nur auf den ersten Blick schlicht wirken. Vieles ist in einem Stück gestrickt, mit einem besonderen Ausschnitt oder aufwendig gearbeiteten Seitennähten. Damit sie immer wieder Neues ausprobieren können, arbeiten sie mit fünf verschiedenen Betrieben in Europa zusammen, die alle auf eine andere Verarbeitung spezialisiert sind. Sie entwerfen nur zu zweit, ohne Assistenten, dafür haben sie jede Menge Mitarbeiter, die sich darum kümmern, dass die Entwürfe in die Läden kommen.

Irgendwann sprechen sie dann doch über sich. Wie es zu den beiden passt, brauchte ihr Kennenlernen mehrere Anläufe. Sie kannten sich schon lange über mehrere Ecken, aber miteinander gesprochen hatten sie nie. Das taten sie erst, als sie sich zufällig vor 15 Jahren auf der Modemesse Bread & Butter in Berlin über den Weg liefen. Seitdem haben sie nie wieder damit aufgehört. Auch wenn sie in ihrem Alltag ordentlich Abstand zwischen sich bringen – in ihrem Atelier liegen zehn Meter zwischen ihren Arbeitstischen. Wenn sie etwas voneinander wollen, müssen sie rufen.

- Hannes Roether, Torstraße 109 in Mitte, geöffnet von 11 bis 19 Uhr.

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