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Mode: Stutterheim macht Regenmäntel: Endlich Regen!

Schlechtes Wetter beschert Stutterheim die besten Umsätze. Die schwedische Firma macht Gummimäntel. Nach sechs Jahren hat sie jetzt ein neues Material auf den Markt gebracht.

Wie groß der Vorteil heute ist, wenn man eine Ein-Produkt-Firma ist, kann man an der Marke Stutterheim sehen. Bei ihnen gibt es Regenmäntel aus Gummi, fertig. Seit sechs Jahren stellt die Stockholmer Firma Mäntel für wirklich schlechtes Wetter her. Die Farben wechseln von Saison zu Saison, mal kommt ein Cape dazu, aber das Material bleibt immer das gleiche, mit Gummi beschichtete Baumwolle. Die Silhouetten sind schlicht, vorne gibt es Druckknöpfe und obendrauf meist eine Kapuze.

Jetzt ist die Aufregung groß, es gibt ein neues Material! Baumwolle ohne Gummi, die trotzdem trocken halten soll. Bei welchem herkömmlichen Modelabel würde das für Aufsehen sorgen?

Der Chef von Stutterheim, Johan Loman, ist extra nach Berlin gekommen, um die Jacken und Mäntel aus dem neuen Material vorzustellen. Deshalb hat er Modejournalisten und Blogger zum Essen ins Soho House an der Torstraße eingeladen. „Bonded Cotton“ hört sich, mit schwedischer Betonung am Ende des Wortes ausgesprochen, noch mal so gut an. Im Gegensatz zur deutschen Erklärung: zweilagiges, miteinander verbundenes Baumwollgewebe, das dadurch wasserdicht wird.

Nicht nur das Material ist aufwendiger, auch die Schnitte und die Verarbeitung der neuen Modelle heben sich von den eher schlichten Regenjacken ab. Elegante einreihige Mäntel und große Parkas mit Klappentaschen und leuchtendem, herausnehmbaren, wattierten Futter für den Winter.

Traditionell ist die britische Marke Mackintosh recht dominant im Segment der hochwertigen Regenmäntel aus wasserdichter Baumwolle, früher stattete sie sogar Polizei und Armee aus. Aber der Massenmarkt wird heute von Jacken aus Kunstfasern bestimmt, besonders beliebt vom Membranhersteller Gore-Tex. Weil diese Textilien Wasserdampf durchlassen, werden sie als atmungsaktiv angepriesen. Kunstfasern trieben in den achtziger Jahren Mackintosh fast in den Ruin. Heute konzentriert sich die 1823 gegründete Firma ganz auf Luxus, mit ihren Stoffen beliefert sie Häuser wie Gucci, Prada und Balenciaga.

Auch die neuen Jacken von Stutterheim kosten rund 800 Euro. Als die Schweden mit „Bonded Cotton“ begannen, ließen sie das Material in einem türkischen Labor testen, auf Chemikalien, Wasserdichte, Reißfestigkeit. „Dann haben wir dieses völlig unlesbare Dokument mit den Ergebnissen bekommen, auf Türkisch. Da stand eine 9 für die Wasserdichte. Und wir wussten nicht, ist das jetzt sehr gut oder sehr schlecht. Wir haben nachgeforscht, und 9 ist tatsächlich fast perfekt“, erzählt Johan Loman und amüsiert sich prächtig.

Dass Stutterheim den Anspruch hat, Kleidung herzustellen, mit der man nicht nur bei Nieselregen trocken bleibt, ist eigentlich klar, aber der Chef überzeugt nun mal lieber mit Testergebnissen als mit Style. Man kann sich vorstellen, dass er sich lieber über Zahlentabellen beugt, als an einem Abend wie diesem ungelenk und mit schiefem Lächeln im Soho House vor einer Kleiderstange mit Regenmänteln zu stehen und später an der langen Tafel gar nicht erst den Versuch zu unternehmen, den Alleinunterhalter zu spielen.

Stutterheim ist immer noch Mitinhaber, kümmert sich aber inzwischen um ein neues Projekt

Was der Gründer und Namensgeber Alexander Stutterheim durchaus tat und so manchen zum sofortigen Kauf eines Gummimantels bewog, die er so überzeugend anpries. Stutterheim ist zwar immer noch Mitinhaber, kümmert sich aber inzwischen um ein neues Projekt. Vielleicht hat er seine Geschichte einfach oft genug erzählt.

Nett ist sie immer noch: Eigentlich gibt es das Vorbild für den Stutterheim-Regenmantel, in Deutschland als Friesennerz bekannt, schon seit den sechziger Jahren. So einen fand Alexander Stutterheim vor sechs Jahren in der verfallenen Scheune seines Großvaters. Der trug ihn zum Fischen, wenn er nicht gerade Gedichte schrieb oder ein Theater leitete. Also kaufte der Enkel gummierten Stoff und nutzte den alten Mantel als Schnittmuster. Das leicht modifizierte Modell fand reißenden Absatz erst in Stockholm, nach einem Jahr verkaufte das noble New Yorker Kaufhaus Barneys die Mäntel.

„Wir haben beschlossen, genau diesen Mantel weiterzuproduzieren“, erzählt Johan Loman, der Stutterheim mitgründete. Erst wurde das Modell Arholma in Handarbeit in Schweden hergestellt. Die Fabrik konnte drei Mäntel am Tag herstellen. „Als wir wuchsen, mussten wir uns entscheiden, entweder bankrottzugehen oder einen neuen Zulieferer zu finden.“ Also entschieden sich die beiden, die Produktion nach Polen zu verlegen. „Von da an konnten wir viel mehr Farben anbieten und entwickelten das heute beliebteste Modell Stockholm.“

Spätestens seitdem Stutterheim im vergangenen Jahr einen Designer einstellte, sind sie eine richtige Modefirma. Jetzt führt Johan Loman die Geschäfte, während Alexander Stutterheim noch einmal die Garderobe seines Großvaters durchstöberte. Nun ist der Wollpullover dran, den sein Großvater zum Fischen trug. Aber diesmal will er nicht nur die Form verbessern, sondern gleich die ganze Welt. Die Wolle nimmt er von seiner eigenen Schafherde, zum Pulloverstricken hat er geflüchtete Frauen eingestellt.

Mit ihrem neuen Material erweitern das Unternehmen seinen Aktionsradius

Währenddessen geht es bei der Marke Stutterheim weiterhin darum, Menschen vor schlechtem Wetter zu schützen. Mit ihrem neuen Material erweitern sie ihren Aktionsradius. „Wir werden damit erst mal nicht finanziell wachsen, dieses Material ist sehr viel teurer als Gummi. Die Einführung kostet erst einmal mehr, als sie einbringt. Aber in der Welt der Mode müssen wir uns weiterentwickeln.“ Und da kommt Loman auf den Knackpunkt: „Unser Produkt ist gemacht für starken Regen und Wind. Deshalb müssen wir auch etwas für Tage anbieten, an denen es nur vielleicht regnet.“

Stutterheim ist dabei alles andere als ein snobistisches Produkt. Es wird von Hip-Hopper K West ebenso getragen wie von der kompletten Besetzung einer Fernsehschmonzette von Inga Lindström. „Uns fehlt nur noch unsere Königin Silvia, alle anderen haben schon einen Stutterheim“, grinst Loman.

Und auch bei Friesennerz-Freunde.de, einer Website, auf der zwei Männer namens Frank und Robert Regenkleidung testen, kommt das Modell Stockholm gut an. Sie stellen sich für die gute Sache in den Wind, schnüren die Kapuze bis über die Augenbrauen und bringen ihre Bäuche in Gummihäuten unter. Damit stehen sie nicht im Verdacht, die Stutterheim-Jacke aus Hipstergründen zu tragen. Hier wird der Wind erwähnt, der seitlich den Regen zwischen den Druckknöpfen hindurchdrücken könnte. Was er beim Tester aber noch nicht getan hat. Am Ende gibt es einen Daumen hoch.

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