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Mode und Modemagazine: Hochglanz in Glanzvoll

Seit Blogs ansagen, was angesagt ist, verlieren Printprodukte an Bedeutung. Es sei denn, sie sind besonders. Wie das ΠMagazine aus Berlin.

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist es her, da wurden Macht und Strahlkraft der Modemagazine in Hollywood besiegelt. Im Film „Funny Face“ landete Audrey Hepburn 1957 als graue Maus Jo Stockton unverhofft auf dem Titel eines Hochglanzmagazins: eine Welt aus satten Farben und rauschenden Ballkleidern. Alles unter der Federführung einer herrischen Chefredakteurin natürlich. Deren Motto: „Think Pink!“ – „Denkt Rosa!“

Eine rosarote Brille muss wohl auch tragen, wer sich 50 Jahre später an die Gründung eines ganz neuen Modemagazins wagt. Schließlich hat die meinungsbildende Vormachtstellung des gedruckten Modewortes inmitten von Onlinemagazinen und Modeblogs dramatisch an Gewicht verloren. Die Medienkrise wirft ihre Schatten auch über die glanzvolle „Special Interest“-Publikation. Und trotzdem: Arne Eberle hat 2011 ein neues Modemagazin gegründet. Seit rund fünf Jahren ist das Œ Magazine – gesprochen „Ö“ – am Markt. In Anbetracht der gegenwärtigen Medienlandschaft ein großer Erfolg. Und wegzudenken ist das Heft aus der Berliner Szene auch nicht mehr.

„Tatsächlich ist das Magazin nie aus wirtschaftlichen Beweggründen entstanden“, sagt Eberle, „Wir haben Œ aus der Leidenschaft gegründet.“ Arne Eberle ist eigentlich PR-Mann mit eigener Agentur in der Danziger Straße, und das Magazin und ein zugehöriger Onlineblog entstehen neben dem Agenturalltag. Magazin und PR – Eberle hat also eine Doppelsicht auf die Krise. Dass es vielen Magazinen nicht gut gehe, merke er in seiner täglichen Arbeit. Redaktionen werden verkleinert, Titel wieder und wieder verkauft, im schlimmsten Fall ganz eingestampft. „Es gibt viel Fluktuation, und ich spüre, dass es vielerorts nicht einfach ist“, sagt Eberle, auch wenn kein Unternehmen offen über seine Probleme spreche. Was wichtig ist, wenn man sich in diesen Zeiten auf dem Medienmarkt behaupten will, weiß er aber genau: „Uns war klar, dass wir nicht mit den Mainstream-Blättern mithalten können. Deswegen müssen wir etwas ganz anderes bieten.”

Tatsächlich scheinen sich zum Beispiel die bekannten Publikationen von Condé Nast noch recht stabil zu halten: Der Verlag gewinnt laut eigenen Angaben monatlich etwa 1,1 Millionen Leser für die „Vogue“ und 1,3 Millionen für die „Glamour“. Beide Titel bieten einen bekannten Namen mit internationaler Geschichte und ergänzen ihre Druckausgaben um ein umfassendes Online-Angebot.

Das Œ Magazine setzt sich hier gleich durch mehrere Faktoren ab. Anders als die großen Magazine, die abhängig von finanzstarken Anzeigenkunden vorrangig internationale Luxusmarken präsentieren, fokussiert sich das Berliner Independent-Magazin hauptsächlich auf junge deutsche Label. „Zu unserer Gründungszeit haben sich die meisten deutschen Magazine nur am Rande oder gar nicht mit diesen Marken beschäftigt“, sagt Arne Eberle. Außerdem ist Œ ein beinahe rein bildliches Magazin. Einzig ein Essay und ein kleiner Einführungstext sind den grundsätzlich zehn Modestrecken einer Ausgabe vorangestellt: Als „traumhaftes Szenarium“ oder eine „kunstvolle Menschwerdung der religiösen Ikonografie“ werden so die Bildwelten der aktuellen achten Ausgabe angekündigt – die dritte unter der kreativen Leitung von Sebastiano Ragusa.

Als Modechef will sich der Stylist bei Œ vor allem um die Internationalisierung des Heftes bemühen. „Œ soll erwachsener und internationaler werden und doch seine Berliner Handschrift bewahren“, sagt er. Eine Gewichtung von etwa 60 Prozent deutschen und 40 Prozent namhaften internationalen Marken sei für ihn das Ziel. Die Magazinkrise nimmt auch er wahr, bleibt aber gelassen. „Ich habe in meiner Arbeit als Stylist schon so oft gehört, dieses sei am aussterben oder jenes sei tot. ,Kein Schwarz mehr’ oder ,Alles Schwarz’. Aber so schnell geht das nun mal nicht“, sagt Ragusa, „Ich finde Print immer noch wahnsinnig wichtig. Für mich persönlich ist die gedruckte Modestrecke immer noch ein bisschen wertvoller, als die im Internet.“

Offline von online: Es kommt immer der Moment, an dem man ein Magazin haben möchte

Auf das Printmagazin will auch Arne Eberle nicht verzichten. Man spreche seit so vielen Jahren von dieser Krise, aber da habe sich auch einiges längst wieder eingependelt. Sicherlich gebe es Dinge, die man schneller online liest, „aber es kommt immer der Moment, an dem man ein Magazin haben möchte“, sagt Eberle – und sei es im Zug oder im Flugzeug. Elementar für die Durchsetzungsfähigkeit einer Printpublikation ist, dass sie etwas bietet, was das Internet nicht kann.

Und hier liegt das letzte, vielleicht wichtigste Argument für Œ: Seine grafische und haptische Aufbereitung sticht heraus, lässt sich kaum mit anderen Magazinen vergleichen. In der aktuellen Ausgabe laden gleich mehrere Papierwechsel zu einer tastenden Sinnesreise ein: Kräftiger strukturierter Karton wechselt zu hochglänzendem Glattpapier wechselt zu unbestrichenen Seiten. Vor jeder Modestrecke ist neben Fotografen- und Stylistennamen zusätzlich die Bezeichnung des Papiers genannt, auf dem die Strecke gedruckt wurde.

„Diese Umsetzung ist für Œ wahnsinnig wichtig. Das ist es, worauf wir immer wieder angesprochen werden und wofür wir auch einige Preise gewonnen haben“, sagt Eberle. Das gestalterische Konzept aus dem Berliner Studio Maven wurde im August 2014 zum Beispiel mit dem bekannten Design-Preis „Red Dot Award“ geadelt. „Œ gewinnt durch seine Aufmachung einen Objektcharakter. So erreichen wir richtige Sammler“, sagt Modechef Sebastiano Ragusa, „So wie sich unsere Kunden gerne mal einen Bildband auf den Couchtisch legen, stellen sie sich auch gerne die Œ ins Regal.“

Damit baut Œ auf das, was Onlinemedien oder monatlich erscheinende Modeblätter nicht bieten: Auf die Langlebigkeit eines Modemagazins – anfangs im halbjährlichen Turnus, seit der neuen Ausgabe auf eine jährliche Erscheinung reduziert. „Wir machen kein Magazin, das man schnell durchblättert, drei Wochen liegen lässt und schließlich zum Altpapier wirft, sondern etwas mit bleibendem Wert“, beschreibt Arne Eberle.

Qualität hat ihren Preis: Eine Ausgabe kostet 20 Euro

Diese Langlebigkeit hat ihren Preis: Mit 20 Euro für eine Ausgabe richtet sich Œ tatsächlich eher an Liebhaber und reiht sich lieber vornehm ein in den ausgewählten Magazin- und Buchhandel statt ins Kioskregal an der Ecke. Preislich liegt Œ irgendwo zwischen dem zwölf Euro teuren etablierten Berliner Format „032c“ und limitierten Magazin-Editionen, wie dem spanischen „Candy Magazine“ für stolze 80 Euro je Ausgabe. Knapp bemessen scheint die Preisgestaltung trotzdem: „Wir arbeiten mit sehr viel Unterstützung unserer Druckerei, die uns immer wieder tolle Partner für Papier-Sponsorings oder Ähnliches zur Seite stellt“, sagt Eberle, „aber trotzdem liegen die Produktionskosten für ein einzelnes Heft deutlich über zehn Euro.“

Gut investiert hat der Modeinteressierte in das Œ Magazine allemal: Im Zentrum steht nicht unbedingt der große Fotografen-Name oder gar das Model mit den meisten Facebook-Fans. Fokus bleibt die Arbeit des Stylisten, „die wahren Interpreten der Mode“, wie ein Bestseller mit Vorwort von US-Vogue Chefin Anna Wintour bereits 2007 titelte. Anders als bei anderen Modemagazinen geht Sebastiano Ragusa dazu vorwiegend direkt auf interessante Stylisten zu. Entscheiden sonst eher Moderedakteur oder Fotograf über Stil und Stimmung der Fotostrecken, übernehmen im neuen Œ Stylingtalente wie Sarah Sharon Karsten, Ingo Nahrwold oder Yilmaz Aktepe die Moderegie. Entstanden ist eine eklektische Sammlung facettenreicher Modefotografie, die auf wertigen Papieren zur Geltung kommt. Und die sich auf dem Couchtisch oder im Regal auch in ein paar Monaten noch gut macht.

- www.oe-magazine.de

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