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Model während einer Modenschau zur Fashion Week 2013: Aus der Pubertät hinaus, aber noch nicht erwachsen.

© dpa

Resümee zur Fashion Week: Schön ist nicht genug

Dranbleiben macht mehr Arbeit, als anzufangen - das ist die wichtigste Lektion der zwölften Fashion Week. Herzlich Willkommen in der Wirklichkeit der Mode, lieber Standort Berlin. Jetzt geht's ans Pauken.

Paris ist besser. Dass man solche Sätze auf der Fashion Week hört, ist an sich ja ein gutes Zeichen für den Status, den Berlin als Modestadt inzwischen hat. Aber nur weil hier und dort Mode auf einem Laufsteg gezeigt wird, muss man die Veranstaltungen nicht miteinander vergleichen.

Um es biografisch zu sagen: Paris hat schon längst einen sehr gut dotierten Vorstandsposten in einem wichtigen Konzern, während sich Berlin noch mit dem Abitur herumquält. Es sieht aber so aus, als könnte es die Prüfungen bestehen und bald zum weiterführenden Studium zugelassen werden. Oder, um das Ganze mal aus der anderen Perspektive zu sehen: Auch in Polen gibt es eine Fashion Week, und die hat gerade die Eingewöhnung in der Kita hinter sich.

In Berlin wird von den Berliner Designern erwartet, dass sie gute Stimmung machen. Sie sollen dafür sorgen, dass Berlin etwas Besonderes bleibt. Aber das ist genauso schwierig jede Saison wieder zu bewerkstelligen, wie für Hugo Boss, unsanierte Immobilien in Mitte zu finden, damit der Konzern seinen auswärtigen Gästen das ganz besondere Berlinflair vorführen kann: abgerockt, ostig und voller Potenzial. Diesmal wurde Hugo Boss noch einmal fündig: Die Schau fand unter dem Dach der ehemaligen Opernwerkstätten hinter dem Nordbahnhof statt.

Vieles, was in dieser Woche gezeigt wurde, wirkte beliebig, ein wenig unkonzentriert. Als wenn sich viele Designer nicht so richtig entscheiden könnten, was sie wollen: verkaufen oder beeindrucken. Beides ist schwierig und gelingt meist nur echten Profis wie Leyla Piedayesh von Lala Berlin. Die Designerin variiert nicht zuletzt ihr Palästinensertuchmuster so gekonnt, dass ihre Mode nicht nur wiedererkennbar, sondern auch besonders aussieht. Die 42-Jährige ist aber nun auch schon seit fast zehn Jahren dabei. Damals strickte sie Pulswärmer für ihre Freunde.

Für Michael Sontag ist es die fünfte Schau, und die Teile sind schön, wie das auch bei Perret Schaad der Fall war. Tolle Seidenstoffe, feine Farbnuancen, weich fallende Kleider. Aber wofür beide Marken am Anfang einhellig beklatscht wurden, wird ihnen jetzt fast zum Vorwurf gemacht – sie machen sehr reduzierte Mode. Michael Sontag und Perret Schad haben einen neuen Berliner Stil etabliert – die Schnittkonstruktion mit großen Stoffflächen, die subtilen Farbkombinationen waren wichtiger als die eine lustige Idee, und wenn man dann die Kleidungsstücke genauer betrachtet, sind die Schnittideen oft umwerfend, wie bei Michael Sontag, der schöne, offene Jacken mit fallendem Revers entwarf, die an der Schulter so überschnitten sind, dass die halbrunde Schulternaht weit unten auf dem Ellbogen sitzt.

Es gibt eine allgemeine Retromüdigkeit, was man bei Marken, die über das nötige Budget verfügen, sehr gut sehen kann. Sie stürzen sich auf neue Materialien. Der Stoff ist die Aussage. Da wird beschichtet, bedruckt, doppelt gelegt, geätzt. Bei Boss waren die Mäntel steif abstehend wie aus dünnem Schaumstoff, die kleinen Jäckchen mit zackigen Schößchen glänzten silbrig, und die Kleider sahen aus wie Plastikzylinder. Zusammen mit dem kargen Raum hatte das Ganze etwas seltsam Futuristisches.

In der Mode gilt nicht, wie in anderen Bereichen, dass etwas, das einmal gut war, es auch bleibt. So ist das zum Beispiel auch mit der dunkelblauen Hose, die eigentlich in jeder Männerkollektion vorkam. Sie ist schmal, aber nicht eng geschnitten, aus einem mehr oder weniger dünnen Wollstoff.

Ja, sie ist schön, diese Hose, aber es gibt sie einfach sehr häufig und zwar schon in diesem Winter in den Läden. Es ist schier zum Verzweifeln, dass es gerade jetzt in der Mode so schwer ist, den Weg nach vorne zu finden, wenn bei den großen Modeketten die Kleider alle zwei Tage wechseln. Es gibt einfach viel zu viele Kleider, aber nie genug gute.

Mode will immer Neues. Bis das aber auf dem Massenmarkt ankommt, und was überhaupt, ist eine ganz andere Sache. Bis sich die Silhouetten auch an der Tauentzienstraße und nicht nur in Mitte und Neukölln ändern, kann es etwas dauern. Schon lange versucht die Modeindustrie, die sehr engen Skinnyjeans wieder loszuwerden – mehr Umsatz macht man halt mit neuen Modellen, und die sieht man bisher vor allem auf den Messen und nicht in den Geschäften.

Was die Berliner Designer betrifft: Da könnte Konzentration helfen. Lieber weniger zeigen, dafür mit einer sichtbaren Idee, einem roten Faden. Das ging vor allem im Studio, dem kleinen Raum direkt neben dem Laufsteg, wo die Designer die Models auf Podeste stellen.

Das tat der Kollektion von Isabell de Hillerin gut. Die Designerin lässt ihre Stoffe in Moldawien besticken. Das Ergebnis erinnert nur noch entfernt an Folklore, die Stickerei, die sich von der Schulter bis zur Ärmelkante einer Bluse zieht, wirkt wie zartes Moos, auch auf die Kanten eines Wollmantels hatte die gebürtige Rumänin ein grafisches Muster sticken lassen.

Blaenk, die im vergangenen Sommer den mit 20 000 Euro dotierten Senatspreis „Start your Fashion Business“ bekommen hatten, nutzten das Studio ebenfalls, um ihre an die Haute Couture angelehnten Kleider zu zeigen, die „leicht aussehen sollen, obwohl viel drinsteckt“, wie es eine der beiden Designerinnen, Nadine Möllenkamp, sagt. Bei Blaenk sieht man die Entwicklung vom hochaufwendigen Einzelstück bis hin zum Reproduzierbaren. Sie haben jetzt in Berlin eine Produktionsstätte gefunden, dort soll die neue Kollektion gefertigt werden. Nadine Möllenkamp: „Wir unterstützen die, die unterstützen uns.“

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