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Die Tasche von Lili Radu hat die Form einer Ellipse.

© Andreas Waldschütz

Taschen aus Berlin: Lili Radu: Neue Tasche, neues Glück

Lili Radu schmiss alles Alte über Bord und stellt eine ganz neue Taschenmarke unter ihrem Namen vor. Heute reicht es nicht, an Erfolgreichem festzuhalten.

Lili Radu glüht geradezu. Sie steht in ihrem Atelier, einer Altbauwohnung in der Kollwitzstraße in Prenzlauer Berg. „Das hier ist mein Leben“, sagt sie und dreht sich einmal um die eigene Achse. Das klingt pathetisch, ist aber so sachlich vorgetragen, wie sich das für eine Betriebswirtin gehört. Auch ihr Mann Patrick Löwe, ebenfalls Betriebswirt, sieht in seinem angrenzenden Großraumbüro so glücklich aus, als würde er Süßigkeiten verkaufen und nicht den ganzen Tag über Exceltabellen brüten. Die beiden haben 2012 das Taschenlabel Lili Radu gegründet und vor zwei Jahren mit VeeCollective ein zweites.

Schon im Flur hängen Taschen wie Kunstwerke an der Wand. Doch was Lili Radu heute zeigen will, beansprucht einen ganzen Raum für sich: ihre neuen Taschen unter ihrem Namen. Es handelt sich nicht etwa nur um eine neue Kollektion. Mit dieser Saison wird alles anders. Radu hat aufgeräumt. Das neue Modell ist vom Taschenboden bis zum breiten geschwungenen Tragegriff geformt wie eine Ellipse. Es ist eleganter und moderner als die alten Taschen, aber genauso wiedererkennbar. Nichts erinnert mehr an das verspielte, mädchenhafte Modell mit dem Flechtwerk, das bisher für den Namen Lili Radu stand.

Das ist ein eher ungewöhnlicher Schritt für eine Marke. Noch, muss man sagen, denn die Konsumgewohnheiten ändern sich, Markentreue ist eine wackelige Angelegenheit geworden. Bisher gab es ein paar klare Regeln, wie man eine Marke aufbaut. Es braucht ein paar Jahre, um rentabel zu werden. So lange muss man durchhalten. Wenn man sich dann einen Namen gemacht hat, sich ein Produkt auf dem Markt etabliert hat, gilt es, die Kuh zu melken, so lange es geht.

Die Taschen von VeeCollective sind sehr leicht, robust und echte Bestseller.
Die Taschen von VeeCollective sind sehr leicht, robust und echte Bestseller.

© Andreas Waldschütz

Lili Radu hatte einen solchen Namen und auch ein Markenzeichen. Das V, das als geflochtenes Muster auf ihren Taschen auftauchte, ist zu einem echten Erkennungsmerkmal geworden. Ein Narr, wer das wegwerfen würde! Die Aufregung ist normalerweise schon groß, wenn Marken ein wenig am Erscheinungsbild ihres Namens schrauben. Schon 1994 ließ die Deutsche Bahn für viele Millionen ihrem Logo die Rundungen austreiben und erntete dafür Spott und Häme. Beim französischen Luxushaus Yves Saint Laurent fiel mit dem Antritt von Hedi Slimane das „Yves“ weg, bei der englischen Modemarke Burberry ließ der neue Chefdesigner Riccardo Tisci im vergangenen Jahr die Bögen und Schwünge im Schriftzug abschleifen und das Markensymbol, den reitenden Ritter, verschwinden.

Jogi Löw war der erste Werbeträger von Lili Radu

Dabei geht es nicht mehr um ein bisschen Markenkosmetik, die mit dem Amtsantritt eines Designers anzeigen soll, dass gearbeitet wird. Wer täglich auf Instagram postet, kann sich nicht zu sehr auf Traditionelles verlassen. War es früher üblich, sich als Designer erst einmal mit dem Archiv des Hauses zu beschäftigen und dann seine Interpretation davon zu präsentieren, bleibt heute nicht viel mehr übrig als der überarbeitete Schriftzug, der so plakativ eingesetzt wird, dass auch jemand, der noch nie vom spanischen Couturier Balenciaga gehört hat, ein Kleidungsstück der Marke erkennt.

Auch Lili Radu setzt auf möglichst viel Veränderung: Neues Logo, neues Design, neue Website. Die 38-Jährige zuckt mit den Schultern. Irgendwann merkte sie, dass die Begeisterung für ihre Taschen abflaute. „Auch treue Kundinnen sagten: „Ich habe schon sechs verschiedene. Und auch Bloggerinnen suchten sich andere Modelle.“ Und das der Bundestrainer Jogi Löw einst bei jedem WM-Spiel in Brasilien mit einer dunkelblauen Tasche von Lili Radu erschien, ist auch schon so lange her, wie die letzten großen Siege der Fußballnationalmannschaft.

Lili Radu macht in dieser Saison alles neu.
Lili Radu macht in dieser Saison alles neu.

© Andreas Waldschütz

„So muss man das heute machen, es geht nicht anders“, sagt Lili Radu. Um das zu wissen, hat sie auch Fashion Management in Mailand studiert. Also keine Traditionen pflegen, sondern Herausforderungen annehmen. Lili Radu würde sagen: „Challenges“. Denn neben ihrer Marke Lili Radu hat sie mit ihrem Mann vor zwei Jahren noch ein Label gegründet, das ganz unabhängig existiert.

Das Lob für ihre Tasche kam direkt von der Konkurrenz

Die Idee für VeeCollectice entstand vor knapp drei Jahren auf der Rückfahrt von einer Messe. Sie sprachen über die meistverkaufte Tasche der Welt, die Le Pilage von Longchamps, die sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als 30 Millionen Mal verkauft hat, eine leichte Tasche aus Kunststoff mit Ledergriffen für unter 200 Euro: schick, aber nicht wirklich modern. Löwe fragte seine Frau: „Warum bringen wir nicht zusammen eine zweite Marke heraus?“ Also gründeten sie neben Lili Radu auch noch VeeCollective. Inzwischen machen sie mit der leichten Tasche aus gestepptem Kunststoff im dritten Jahr mehr als zwei Millionen Euro Umsatz. Diese Tasche ist das, was alles am Leben hält und jetzt den kompletten Relaunch von Lili Radu ermöglicht.

Zu ihrer Tasche haben sie auch das passende Verkaufsargument: Ihre Tasche ist leichter und besser als die Le Pilage von Longchamps. Das hat Patrick Löwe auch einer sehr gut gekleideten Frau gesagt, die sich auf der Messe in Paris für seine Tasche interessierte. Am Ende lobte sie ihn und gab ihm ihre Visitenkarte. Es war die Chefdesignerin von Longchamps und noch dazu diejenige, die die Le Pilage entwickelt hatte.

Die neuen Taschen von Lili Radu gibt es in Berlin im KadeWe.

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