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Der Name Pianola ist ursprünglich ein Markenname der Aeolian Company in New York.

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Blog zum Musikfest Berlin (12): Vom Aussterben bedroht

Ein Musikinstrument droht auszustreben: das Pianola. Heute findet man es fast nur noch bei Sammlern und Liebhabern. Vielleicht, weil dieses Instrument der besonderen Art den Ruf hat, unkünstlerisch zu sein.

Ein Pianola ist fast so etwas wie ein Dinosaurier – eine aussterbende Art Musikinstrumente. Erfunden mit dem Ziel, Musik reproduzierbar zu machen und dann überholt von Schallplatte und CD, heute etwas für Sammler und Experten. Ein solcher Experte ist der Londoner Rex Lawson, der mir nach einer Probe im Kammermusiksaal bereitwillig sein Instrument erklärt.

Lawson spielt den Pianola-Port in Strawinskys „Les Noces“, das am Samstagabend vom Ensemble Musikfabrik, dem RIAS-Kammerchor und etlichen Solisten unter der Leitung von James Wood aufgeführt wird. Dies geschieht in einer besonderen Fassung, die Strawinsky noch vor der meist gespielten Fassung mit vier Klavieren erstellte und in der er eine heute fast kurios anmutende Sammlung von Saiteninstrumenten vorsah: zwei Cymbalon, ein Harmonium und eben das Pianola.

Das Prinzip ist einfach: Auf einer gestanzten Papierrolle lösen die Löcher eine Mechanik aus, die wiederum den Spielvorgang bewirkt als ein dem Klavier oder Konzertflügel vorgesetztes Instrument. Der Spieler spielt also nicht die Tasten, sondern er bedient Fußpedale, die mittels einer Hydraulik für die Lautstärke verantwortlich sind und er hat verschiedene Schalter, mit denen er das Tempo beeinflussen kann. Man kennt historische Aufnahmen auf Schallplatte oder CD, in denen Gershwin oder Strawinsky eigene Werke spielen. Dazu wurden jeweils Rollen beim Spielen dieser Künstler quasi abgenommen. Aber viele Aspekte ihres Spiels wie die Dynamik lassen sich nur sehr unvollkommen rekonstruieren, deshalb hat das Pianola den Ruf eines mechanischen und damit eher unkünstlerischen Instrumentes.

So waren meine Erwartungen an den Probenbesuch nicht sehr hoch. Umso mehr war ich überrascht und am Ende beglückt, Rex Lawson und seine ganz besondere Kunst kennen zu lernen. Ein Effekt schon ist, dass ja ein Pianola nicht an die Beschränkung der zehn Fingers eines Pianisten gebunden ist, sondern auch 20 oder 30 Töne gleichzeitig spielen kann und das in allen Lagen. Ein Flügel kann so klingen wie ein ganzes Orchester und das war sicher einer der Vorzüge, der Strawinsky gereizt hat, für dieses Instrument zu komponieren.

Verblüffend war dann freilich der Moment, als Rex Lawson nach der Demonstration der Mechanik sich ans Instrument setzte uns mir ein Rachmaninoff-Prelude vorspielte, mit allem was dazu gehört: feinste dynamische Abstufungen, Rubati, großartige Steigerungen - es klang perfekt und beseelt zugleich.  So verstand ich seinen Wunsch, doch einmal Rachmaninoffs drittes Klavierkonzert mit Orchester aufzuführen. Die Rollen hat er schon gestanzt, welches Orchester wagt sich daran?

Andreas Richter

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