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Die Berliner Philharmonie

© Schirmer / Berliner Philharmoniker

Blog zum Musikfest Berlin (15): Nach dem Fest ist vor dem Fest

Kann Berlin als Musikstadt mit den anderen Metropolen mithalten? Hat sich das Programm des Musikfests bewährt? Und wie schlugen sich die Berliner Orchester im Vergleich mit den Gästen? Ein Resümee unseres Gastautors Andreas Richter.

Nach dem Musikfest ist vor dem Musikfest: Während das Orchesterfest noch kammermusikalisch ausklingt, ist das Team im Hintergrund mit Abrechnungen und der Planung für das nächste und gar übernächste Fest beschäftigt; die Gastorchester sind längst wieder zu Hause und die Berliner proben für die nächsten Abonnementskonzerte.

Gleichermaßen intensiv und flüchtig ist eine derartige Konzentration an künstlerischen Highlights von denen ich zehn Programme, zehn Dirigenten und neun verschiedene Orchester erleben konnte - das war mein Musikfest 2013. Nun wird jeder, ob nun Musiker, Besucher, Kritiker, einen anderen Ausschnitt erlebt haben, darum ist jeder Rückblick anders und jede Perspektive von unterschiedlichen Erfahrungen und Kriterien geprägt.

Für mich war das Programm, ein Kreisen um in diesem Falle fünf Komponisten, ein sehr sorgsam komponiertes im wahrsten Sinne des Wortes. Zusammengestellt wie eine musikalische Komposition mit kammermusikalischem Präludium und Epilog. Dazwischen eine Art Rondo, in dem sich Berliner Klangkörper und Gastorchester abwechselten und dabei bestimme Themen immer wieder neu variierten und kombinierten. Ein eigenes Kunstwerk an Programmierung, aber für wen kommt das nun eigentlich zum Tragen außer für den Festivalmacher selbst?

Jeder im Publikum nimmt seinen persönlichen Ausschnitt des Gesamtwerks war, und dem Anschein nach ist es immer noch so, dass die Berliner Orchester vor allem ihre Stammbesucher anziehen, die sich aber weniger für andere Orchester und Programme interessieren. Sicher ist ein solches Programm wichtig zur Vermeidung von Beliebigkeit, zur Selbstdisziplinierung. Und es führt zur Begegnung mit Werken, die in Berlin seit Jahren nicht gespielt wurden und auch für nicht wenige Musiker Neuland sind.

Der Leiter des Festivals, Winrich Hopp, versteht es immer wieder, die allfälligen Komponistenjubiläen  in intelligenter Weise zu feiern, das zeigte die sinnfällige Gegenüberstellung von Britten und Schostakowitsch. Wichtiger noch setzte das Programm ein Zeichen über das Musikalische hinaus, wenn in diesem Jahr die alte Mitte Europas mit Werken eines Polen, eines Ungarn und eines Tschechen wieder ins Zentrum gerückt wird. Ein Europa eben auch, das im Volkstümlichen wurzelt und dieses transformiert, also das Bodenständige mit der Welt der Ideen und Ideale verbindet.

Die Berliner Orchester stellten sich dem internationalen Vergleich.

Für das Berliner Musikleben ist das Musikfest wichtig, weil sich dadurch wenigstens einmal im Jahr die Berliner Orchester dem internationalen Vergleich stellen müssen. Die Saison bringt ja kaum wirkliche Spitzenorchester nach Berlin, schlicht weil es hier – im Gegensatz zu Städten wie Dortmund, Köln, Essen oder Frankfurt - keinen Veranstalter gibt, der sich das leisten kann.

Und es geht ja nicht nur um besser oder schlechter – das ist auch immer sehr subjektiv – sondern um Spielweisen, künstlerische Entwicklungen und Persönlichkeiten, die dann doch erfrischend unterschiedlich daherkamen. Für mich war das Philharmonia Orchestra mit Esa-Pekka Salonen ein Höhepunkt, von den Berliner Orchestern Daniel Barenboim mit der Staatskapelle. In beiden Konzerten war aus meiner Sicht ein, im Übrigen sehr unterschiedliches Klangbild, dazu große technische Perfektion und dynamische Bandbreite auf den Punkt gebracht.

Der Publikumszuspruch, sprich Auslastung, ist immer ein Thema, solange der Saal nicht voll ist. Dieses Jahr wurde mit 35.000 Besuchern das Plansoll übererfüllt, die Zahlen vom letzten Jahr übertroffen und man muss ja bedenken, dass zum Beispiel die Programme von MCO und COE genauso gut in den Kammermusiksaal gehören, aber dort eben mehr als ausverkauft gewesen wären. Auch im internationalen Vergleich sind 85 Prozent Auslastung ein guter Wert vor allem für eine derart anspruchsvolle Programmgestaltung. Und es ist offensichtlich, dass mehr Mittel und ein eigenständigeres Auftreten in der Werbung sicher zuträglich wären, um das Musikfest noch mehr als eigene Marke beim Publikum zu etablieren

Apropos internationaler Vergleich: Neben dem Lucerne Festival, den Proms aber auch den Festivals in Bonn oder anderen mittleren Städten, ist das Berliner Musikfest arm. Es wäre zu begrüßen, wenn es mehr Mittel für wenigstens zwei oder drei zusätzliche Gastorchester gäbe, genauso für wirkliche Eigenproduktionen wie damals das Stockhausen-Projekt im Tempelhofer Hangar, und für etwas mehr Rahmenprogramm. Berlin als eine europäische Kulturhauptstadt braucht den internationalen Maßstab und gerade das vom Bund finanzierte Musikfest sollte einmal im Jahr die Musikstadt Berlin mit einem großartigen Saisonauftakt krönen dürfen.

Andreas Richter

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