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Donald Runnicles ist seit 2009 Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin.

© Ken Friedman/Deutsche Oper Berlin

Orchester der Deutschen Oper beim Musikfest: Das Wirbeln des Lichtes

Packende Bildkraft und feiner Klangschmelz: Das Orchester der Deutschen Oper unter der Leitung von Donald Runnicles ist erstmals beim Musikfest dabei und beschert ihm mit Benjamin Britten und Schostakowitsch eine Sternstunde.

In den illustren Kreis der großen Symphonieorchester, die das Musikfest wesentlich bestreiten, tritt in diesem Jahr zum ersten Mal das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Generalmusikdirektor Donald Runnicles. Dieses Orchester ist auf dem Weg, sich neben dem Engagement im Musiktheater das symphonische Reich zu erobern. Aus dem Graben aufs Podium: Das tut den Musikern gut, zumal wenn sie nicht nur Galas begleiten, sondern zum Beispiel auch Brahms spielen. Auf dem Programm ihres Konzertwinters steht die Fortsetzung des Brahms-Zyklus.

Mit dem Fokus auf Benjamin Britten kommt das Musikfest dem Opernorchester entgegen. Denn Anfang dieses Jahres, in dem die Musikwelt den 100. Geburtstag des britischen Komponisten feiert, ist im Haus an der Bismarckstraße ein formidabler Erfolg mit „Peter Grimes“ gelungen. In der Philharmonie dürfen die Musiker nun an dieses Ereignis anknüpfen: Mit packender Bildkraft erklingen die berühmten, kühnen Zwischenspiele der Fischertragödie, Brittens erster Oper. Stimmungen wie Dämmerung an der Küste, sonniger Morgen mit Glockenläuten, Gewalt des Sturms, entfesselt über dem Ungeheuer Ozean, werden mit Klangkonzentration ausgeleuchtet. Das Atmosphärische der Musik, die dem Theater  gehört, gestaltet Runnicles in dieser Aufführung womöglich  noch mehr ins Katastrophische, wenn er die Passacaglia den „Four Sea Interludes“ voranstellt: auswegloses Schicksal eines Ungeliebten, des Einzelgängers Peter Grimes, zum Unglück geboren, sozial isoliert  - dazu das Stilmittel der akademischen barocken Form.

Ein „Seestück“ (Marine) befindet sich auch in den Rimbaud-Vertonungen von Britten, und es ereignet sich, dass das Musikfest mit diesen „Illuminations“ eine Sternstunde erhält. Das Streichorchester huldigt einer Tenorstimme, die vom Himmel zu kommen scheint. Sie gehört Klaus Florian Vogt, und wenn sie in ätherische Geigenklänge ihre „Phrase“ bettet, einen „gracieux fils de Pan“  als Idylle besingt, sich in „Wirbeln des Lichts“ zum Höhenflug aufschwingt, einem neuen „corps glorieux“ feinen klanglichen Schmelz verleiht  - dann geschehen zugleich Wunder an Präzision. Sie kommen der Dichtung von Arthur Rimbaud zugute mit ihrem symbolistischen Reichtum, der in eine irreale Welt aufbricht. Eine märchenhafte Interpretation.

Wer einem Sänger wie Klaus Florian Vogt erlaubt, nach seinem Auftritt Autogramme zu geben, muss Geduld haben. Aber nicht nur die Fans des Stars nehmen die Verlängerung der Pause gern in Kauf.

Nach Winrich Hopps sensiblem Konzept präsentiert das Musikfest Benjamin Britten im Kontext mit dem späten Schostakowitsch. Hier kommt dem Orchester der Deutschen Oper die letzte Symphonie des russischen Komponisten zu, seine Nr. 15. Das Stück ist ein Resümee des Musikerlebens und viel mehr, weil es Zitate von  Rossini bis  Wagner mit einer stets eigenen Glasur überzieht. Pizzikato-Kultur, Streichersoli, elegante Zeichnung der Geringstimmigkeit, fabelhaftes Blech machen die Aufführung zu einer Kostbarkeit. Die Musik ist ganz eigenartig, manchmal fast unverschämt, wenn auf Phasen von heiterem Charme das Motiv der Todverkündung aus der „Walküre“ am Beginn des Finalsatzes antwortet: eine Verblüffung, nicht die einzige.

Runnicles und die Musiker verstehen sich als Einheit. An diesem Abend ist es ein Orchester im Glück.

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