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Jubel von der Videowand. Die deutsche Nationalmannschaft kam trotz eines klaren Sieges beim Publikum in Kaiserslautern nicht so gut an.

© dapd

Fußball-Nationalmannschaft: Bisschen komische Stimmung hier

Die Nationalmannschaft wird beim 4:0 gegen Kasachstan teilweise ausgepfiffen. Mitte der zweiten Halbzeit hatte sich der latente Unmut zu offenem Missmut gegen die eigene Mannschaft gesteigert. Die Ansprüche drohen das Team zu erdrücken.

Zum Abschluss des Abends gelang der deutschen Fußball-Nationalmannschaft noch eine beeindruckende Demonstration. Eine Demonstration ihres Missmuts. Es war nur noch ein trauriges Häuflein, das auf dem Kaiserslauterer Betzenberg die Ehrenrunde bis zum bitteren Ende drehte. Drei Spieler trotteten über den Rasen, müde winkend zur üblichen Gute-Laune-Mucke. Der Rest hatte sich nach dem 4:0-Sieg gegen Kasachstan längst verdünnisiert. Und diese Massenflucht war durchaus als Statement zu verstehen: Die Nationalmannschaft fühlte sich ungerecht behandelt.

„Ich begreife die Zuschauer nicht ganz“, sagte Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger. „Was erwarten die Leute? Dass wir hier 10:0 gewinnen?“ Mitte der zweiten Halbzeit hatte sich der latente Unmut zu offenem Missmut gegen die eigene Mannschaft gesteigert. Natürlich lag das an der Darbietung auf dem Rasen, aber auch die Maßstäbe der Zuschauer haben sich verschoben. Bei der WM hat das eigentlich fußballferne Publikum gesehen, zu welchen Höhen das Team von Bundestrainer Joachim Löw fähig ist; und so soll es jetzt, bitte schön, immer sein. In Kaiserslautern allerdings konnte die Nationalmannschaft ihrem vermeintlichen Unterhaltungsanspruch nicht durchgängig gerecht werden. „Es ist nicht immer möglich, dass man einen Gegner wie Kasachstan sechs, sieben oder acht zu null nach Hause schickt“, sagte Joachim Löw.

Die Missstimmung wirkte schon deshalb überzogen, weil es in der Vergangenheit weit quälendere Auftritte gegen Gegner ähnlicher Qualität gegeben hat. Gegen Kasachstan hatte das Spiel der Deutschen vor der Pause durchaus Zug nach vorne, und wenn es schnell ging, gerieten die Gäste verlässlich in Gefahr. In der zweiten Halbzeit aber mangelte es den Bemühungen der Nationalmannschaft an Dynamik. „Wir haben 3:0 geführt“, sagte Kapitän Philipp Lahm. „Das darf man nicht vergessen.“ Überhaupt haben die Deutschen nun alle fünf Qualifikationsspiele gewonnen, dabei 17:1 Tore erzielt und sich acht Punkte Vorsprung auf die Verfolger Österreich und Belgien erarbeitet. Souveräner geht es kaum.

Doch Siege alleine reichen offensichtlich nicht mehr. Das unterscheidet das Publikum bei Länderspielen inzwischen von dem in der Bundesliga, dem es mehr um den Erfolg der eigenen Mannschaft geht als um das Erlebnis. Undenkbar, dass in der Bundesliga bei einer 3:0-Führung gemosert wird. Bei der Nationalelf geht das. Der Hype, der inzwischen um das Team entstanden ist, hat Zuschauer ins Stadion gelockt, denen es nicht in erster Linie um den Fußball geht: Sie wollen dabei sein, wenn was passiert. In Kaiserslautern klang es manchmal ein bisschen wie bei der WM 2002, als viele Japaner und Koreaner ihren Erstkontakt mit dem großen Fußball hatten und das Spiel noch nicht richtig lesen konnten. Selbst belanglose Einwürfe an der Mittellinie wurden damals vom unkundigen Publikum mit ekstatischem Gekreische begleitet.

„Bisschen komische Stimmung hier“, sagte Bastian Schweinsteiger nach dem Auftritt auf dem Betzenberg. „Sollen die doch mal gegen die spielen.“ Gegen eine Mannschaft, die selbst nach 0:3-Rückstand nur darauf bedacht war, das eigene Tor zu verrammeln. „Ein bisschen Realitätssinn muss man sich schon bewahren“, forderte Manager Oliver Bierhoff.

Mit jedem Fehlpass verschlechterte sich die Stimmung. Vor allem auf Schweinsteiger fokussierte sich der Unmut, der nicht seinen besten Tag hatte und als Angestellter des FC Bayern München in Kaiserslautern ohnehin nicht allzu wohlgelitten ist. Sein Münchner Kollege Mario Gomez wurde bereits bei seiner Einwechslung mit Pfiffen bedacht. „Ein bisschen mehr Kulanz“ hätte Bierhoff sich vom Pfälzer Publikum gewünscht, und eine „gewisse Neutralität“. Dass bei einem Länderspiel die Nationalspieler wegen ihrer Vereinszugehörigkeit angefeindet werden, hat es jedenfalls lange nicht mehr gegeben.

Joachim Löw bezeichnete die Pfiffe gegen Schweinsteiger als „äußerst negativ“, und auch Sami Khedira fand es nicht korrekt, „wenn man sich einen einzelnen Spieler herausgreift“. Es war ein Kulturschock für den Mittelfeldspieler, der am Sonntag mit Mesut Özil zu Real Madrid zurückkehrte – gegen Australien werden die beiden ebenso geschont wie Philipp Lahm. „Ich habe in Madrid eine andere Mentalität kennengelernt“, sagte Khedira, „eine andere Fußballkultur.“ Unmut gegen die eigene Mannschaft gilt dort als nicht statthaft – trotz der hohen Ansprüche Reals.

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