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Umarmung für den Ballack-Ersatz. Der eingewechselte Heiko Westermann feiert seinen Treffer mit Sami Khedira, der erneut auf seiner Position überzeugen konnte.

© Reuters

Nach dem 6:1 über Aserbaidschan: Sechs Tore, aber kein Ballack

Sieg in Belgien, Gala gegen Aserbaidschan: Beeindruckend gelingt der deutschen Nationalmannschaft der Übergang in die EM-Qualifikation – nur bei einem Thema nicht: Michael Ballack.

Vor dem Spiel gab es diese Bilder vor der Tiefgarage. Von einem davonbrausenden roten Cabriolet. Von Michael Ballack mit einer schwarzen Brille im Gesicht. Von jenem Hotel, in dem der Leverkusener Nationalspieler mit dem Bundestrainer gesprochen hatte. Das Problem des deutschen Fußballs ist nun: Am Dienstagabend sind keine neuen Bilder hinzugekommen.

Michael Ballack, wohnhaft in Düsseldorf, angestellt in Leverkusen, ist nicht gekommen zum Länderspiel gegen Aserbaidschan. Und das, obwohl es in Köln, in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, stattgefunden hat. Und das, obwohl Bundestrainer Joachim Löw vorher gesagt hatte: „Ich würde mich freuen, wenn er im Stadion wäre.“ Und nun? Ärgert sich Löw? „Das ist seine Entscheidung“, antwortet da der Bundestrainer.

Eigentlich müsste es ganz andere Themen geben. Die deutsche Nationalelf hat beim EM-Qualifikationsspiel in Köln im Vorbeigehen Aserbaidschan 6:1 weggespielt. Vier Tage zuvor hatte sie in Brüssel gute Belgier 1:0 geschlagen. Die Sommer-Sause im südafrikanischen Winter ist Geschichte, es lebe die EM 2012 in Polen und den Weiten der Ukraine. Der Übergang ist geschafft. Die Mannschaft hat ein hohes Maß von „Eingespieltsein“ erreicht, wie es Löw formulierte. Spielanlage und Spielauffassung stimmen. Ein begabtes wie lernwilliges Personal steht bereit. Kurzum, fußballerisch gibt es keine Probleme. Dafür gibt es eines mit dem vielleicht besten Fußballer.

Eine Bilanz, wie kaum ein zweiter

Wird Michael Ballack noch gebraucht? So einfach ist die Sache mit dem Sachsen nicht, der das letzte Jahrzehnt deutschen Fußballs so geprägt hat. Der zwar nie Weltmeister oder Europameister werden konnte und doch eine Bilanz vorzuweisen hat, wie kaum ein zweiter. Er war es, der die deutsche Elf über tiefe Täler hinwegführte. Das tat er auf seine Art, er führte von oben. Oft barsch, für den einen oder anderen kränkend. Einige haben das nicht vergessen. Jetzt spielt Sami Khedira, ein Schwabe mit tunesischen Wurzeln, auf seiner Position in der Zentrale. Und er spielt nicht schlecht.

Das Spiel in Köln war lustig. Oder, wie es der Einwechselspieler und 1:0-Torschütze Heiko Westermann vom HSV sagte, es war ein Fußballspiel, „das wenig mit Fußball zu tun hatte“. Weil es einseitig war. Im Rang war es launig, jedenfalls da, wo es teuer ist oder die Platzkarten verschenkt werden. Andy Möller war da, Felix Sturm, der Boxer, und Hugo-Egon Balder, der Fernsehmoderator. Und noch viele andere Persönlichkeiten des rheinischen Lebens. Sie alle haben geguckt, wer sonst noch da war. Und wer fehlte.

Nach allem was es in der Nacht zu hören gab, soll es sich hierbei um eine Frechheit gehandelt haben. Hätte er nicht zeigen müssen, dass er zur Mannschaft gehört, dass er nicht kneift bei Gegenwind, dass er trotzdem sein Team unterstützt? So lautete die gängige Meinung. Dieselben Leute hätten einen anwesenden Ballack vermutlich ebenfalls dafür kritisiert: Er biedere sich an, könne nicht loslassen. Immerhin hat er gleich nach seiner Verletzung auf Krücken die Mannschaft in der WM-Vorbereitung auf Sizilien besucht, er reiste dem Team nach Südafrika hinterher, aber das neue Team schien ihn nicht so recht zu brauchen. Dann kam er im roten Cabriolet nach Köln – vor dem Spiel. Ballack hat sich bislang nicht zu dem Theater geäußert. Auch nicht zu Löws Entscheidung, ihn als Kapitän zu behalten – wenn er denn nominiert wird.

Kam er nicht, weil er seinen Nachfahren nicht die Schau stehlen wollte? Soweit ist es gekommen mit dem deutschen Fußball, bemerkte Berti Vogts kopfschüttelnd. Er, der letzte Bundestrainer, unter dem Deutschland einen Titel gewann, trainiert nun Aserbaidschan. „Euch muss es gut gehen. Wenn ihr keine andere Probleme habt – ich habe sie“, sagte Vogts.

Michael Ballack hat das Sommerloch gefüllt, er wird in wenigen Tagen 34. Mit Blick auf das nächste Turnier in zwei Jahren darf die Frage gestellt werden, wie und in welcher Rolle er diesem aufstrebenden Team helfen kann. Gehört er noch in diese Mannschaft? Ob er ausschließen könne, dass Michael Ballack nicht die Lust auf die Nationalmannschaft verlieren könnte, wurde Joachim Löw gefragt. Der Bundestrainer fragte zurück: „Warum sollte er das tun?“ Das war vor dem Spiel in Köln.

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