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Synchronschwingen. Frankreichs Nationalspieler werden schon seit 25 Jahren zentral ausgebildet.

© AFP

Nachwuchsförderung: Der Blick der Deutschen geht nach Frankreich

Der französische Fußball setzt Maßstäbe in der Nachwuchsförderung – die Deutschen wollen nachziehen. Doch es gibt im Verband auch Bedenken gegen die neuen Bestrebungen.

Alles ist vom Feinsten, es mangelt an nichts. Der französische Fußball logiert standesgemäß in einem umgebauten Schloss vor den Toren der Hauptstadt Paris, inmitten einer „außergewöhnlichen Landschaft“, wie es auf der Internetseite des Verbandes FFF heißt. Das Leistungszentrum in Clairefontaine-en-Yvelines bietet nicht nur jeglichen Komfort, es bedient mit sieben Naturrasen- und zwei Kunstrasenplätzen auch alle sportlichen Erfordernisse. In Clairefontaine, wie der Campus der Einfachheit halber genannt wird, hat der französische Fußball jenen Aufschwung genommen, der die Equipe Tricolore Ende des vergangenen Jahrtausends bis an die Weltspitze geführt hat. Weltmeister 1998, Europameister 2000 – es war die Zeit, in der die Deutschen „neidvoll auf Frankreich geschaut“ haben, wie Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, einmal gesagt hat.

Es war auch die Zeit, in der die deutsche Nationalmannschaft am Boden lag: Viertelfinal-Aus bei der Weltmeisterschaft 1998, Vorrunden-Aus bei der Europameisterschaft 2000. Dass die Franzosen in einer anderen, höheren Liga spielten, belegt auch die Tatsache, dass sie bis zum gestrigen Testspiel in Paris (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) seit 1987 nicht mehr gegen die Deutschen verloren haben. Inzwischen aber haben sich die Verhältnisse wieder grundlegend gewandelt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat seine führende Rolle in Sachen Talentförderung zurückgewonnen.

Für Manager Oliver Bierhoff aber ist das ein trügerischer Zustand. „Auch in anderen Ländern gibt es große Anstrengungen im Jugendbereich. Viele haben sich an Deutschland orientiert und aufgeholt“, sagt er. Gerade deshalb sei es wichtig, immer wieder neue Wege zu gehen und Entwicklungen zu bestimmen. Dass der Blick der Deutschen dabei erneut nach Frankreich geht, dürfte kein Zufall sein.

Schon im Dezember 2008 hat eine Delegation des DFB, der neben Bierhoff auch Bundestrainer Joachim Löw angehörte, das „Centre Technique National du Football“ besucht. Die Franzosen sind den Deutschen in dieser Hinsicht weit voraus. Im Januar 1988, vor exakt einem Vierteljahrhundert also, wurde das Zentrum in Clairefontaine eröffnet. Nicht ganz so lange kämpft Bierhoff für eine ähnliche Einrichtung in Deutschland. Das Leistungszentrum ist so etwas wie sein Lieblingsprojekt, für das er im DFB immer wieder mit Verve geworben hat. Offensichtlich mit Erfolg: Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass auch die Deutschen ihr Clairefontaine bekommen, ein Wissens- und Kompetenzzentrum für die Nationalmannschaft, den Nachwuchs, die Schiedsrichter und die Trainerausbildung.

Oliver Bierhoff schwebt eine Art Fußball-Campus vor

Oliver Bierhoff schwebt eine Art Fußball-Campus vor, der den Wissenstransfer zwischen der A-Nationalmannschaft und den Nachwuchsteams nicht nur erleichtert, sondern auch fördert. „Dieser Schritt ist absolut notwendig, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben“, sagt der Manager der Nationalelf. Auch andere Nationen unternehmen längst große Anstrengungen, um die Lücken zu den führenden Fußballnationen schließen. In England hat der Fußballverband im Oktober den St. George’s Park in Burton-upon-Trend eröffnet.

Die Anlage, neue Heimstätte der englischen A-Nationalmannschaft sowie aller Nachwuchsteams, hat umgerechnet 130 Millionen Euro gekostet. Im Vergleich dazu nehmen sich die deutschen Planungen fast bescheiden aus. Von 40 Millionen Euro ist die Rede. Mehrere Städte haben sich als Standort ins Spiel gebracht, doch inzwischen gibt es eine interne Festlegung auf Frankfurt am Main, wo auch der DFB seine Zentrale unterhält. Dass der Bau des Leistungszentrums bereits beschlossen sei, wird im deutschen Verband allerdings noch dementiert. Bis zum Herbst soll ein Projektplan erarbeitet werden, der dann beim DFB-Bundestag in Nürnberg beschlossen werden könnte.

Innerhalb des DFB mit seiner föderalen Struktur und den starken Landesverbänden gibt es traditionell Bedenken gegen alle zentralistischen Bestrebungen. Robin Dutt, der neue Sportdirektor, hat auf diese Befindlichkeiten explizit Rücksicht genommen, als er in der vergangenen Woche sein Konzept für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit vorgestellt hat. Solche Strukturen wie die Bundesrepublik mit den Vereinen, den Landesverbänden, der dezentralen Ausbildung habe kein anderes Land der Welt. „Wenn wir es schaffen, dieses komplette Wissen zu bündeln, dann können wir eine Qualitätsdynamik bekommen“, sagte Dutt. „Dann wird uns keiner einholen.“ Mit dieser Qualität, so hofft der Sportdirektor des DFB, wären Titel dann vielleicht gar nicht mehr zu verhindern.

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