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Pragmatisch und ehrgeizig. Deutschlands Sturm-Senior Miroslav Klose hat sich vor dem Trainingslager in Südtirol noch die Haare schneiden lassen. Einen Tick kürzer als sonst – weil er vor lauter Trainingseifer absehbar keine Zeit dafür haben werde, sagt er.

© dpa

Nationalspieler Miroslav Klose: Ein Stürmer gegen den Trend

Miroslav Klose steht vor seiner vierten WM-Teilnahme. Denn Bundestrainer Joachim Löw weiß zu schätzen, dass der bald 36-Jährige Fähigkeiten wie kein anderer im Team besitzt.

Aus Trends hat sich Miroslav Klose noch nie etwas gemacht. Während andere Fußballprofis ihre Autos ausführen oder Tattoos stechen lassen, geht er lieber angeln. Wenn andere sich Brillanten oder exzentrische Frisuren zulegen, geht Klose unter rein pragmatischen Gesichtspunkten zum Haareschneiden. Sein neuer Schnitt, Marke wie immer, ist deshalb einen Tick kürzer ausgefallen, weil er vor lauter Trainingseifer absehbar keine Zeit dafür haben werde. Und wenn dann noch die halbe Welt die falsche Neun für die bessere Alternative zum klassischen Stoßstürmer hält, schmunzelt Klose und sagt: „Grundsätzlich kann ich die falsche Neun auch spielen.“

Miroslav Klose ist anders, von einer an Sturheit grenzenden Diszipliniertheit. Denn was für seine Haare gilt, gilt zuallererst für seinen Körper. Auf die Saltos, die er nach seinen Toren zu vollführen pflegte, verzichtet er schon seit Jahren. „Sie wissen doch, wie alt ich bin.“ Klose hat ein untrügerisches Gefühl für seinen Körper entwickelt. Er hört auf ihn, er pflegt ihn.

Disziplin am eigenen Leib, das dürfte ein schöner Teil des Geheimnisses seiner Ewigkeit im deutschen Team sein. 131 Länderspiele stecken nun schon in seinem Körper. Nur Lothar Matthäus hat es irgendwie auf 150 gebracht. Auf diesem Weg sind Klose 68 Tore gelungen, womit er im vergangenen September den Uralt-Rekord von Gerd Müller egalisieren konnte. Der einstige „Bomber der Nation“ hatte seine 68 Tore zwischen 1966 und 1974 erzielt. Allerdings benötigte er dafür nur 62 Länderspiele. „Ich werde mich nie mit dem Gerd auf eine Stufe stellen, die Leistung des Bombers wird immer einzigartig sein“, betont Klose immer wieder.

Dass Klose, der kurz vor der WM 36 Jahre alt wird, zu einer spielenden Legende geworden ist, hat wiederum viel mit Joachim Löw zu tun. Der Bundestrainer, der allein in den vergangenen vier Jahren über zwei Dutzend junger Talente in die Nationalmannschaft integriert hat, hält an Klose fest, obgleich dieser noch aus einer anderen Fußballergeneration stammt. In der Dürrezeit des deutschen Fußballs aufgetaucht, traktiert Klose auch noch in der Fußballmoderne auf hohem Niveau die Strafräume dieser Welt.

Stoßstürmer Miroslav Klose gelang der Wandel zum Kombinationsfußballer

Joachim Löws Anhänglichkeit hat profane Gründe. Längst mögen die Zeiten der kleinen, wendigen und spielfreudigen Stürmer angebrochen und ein langsames Aussterben des klassischen Stoßstürmers beschlossene Sache sein. Doch Klose, dessen Markenzeichen einst sein gefürchtetes Kopfballspiel war, ist in den vergangenen Jahren eine seltene Metamorphose hin zu einem mitspielenden Kombinationsfußballer gelungen. Er hat seine Spielweise dem Wandel angepasst, ohne seinen Instinkt verloren zu haben.

Sein bisher letzter Treffer für Deutschland, der Rekord, jenes 1:0 beim 3:0 gegen Österreich im September 2013, war ein typisches Stoßstürmertor: Thomas Müller flankte von rechts außen den Ball flach und hart in die Mitte; Klose kam herangesprintet, flog mit Österreichs Aleksandar Dragovic im Gepäck auf Höhe des kurzen Pfostens zum Ball und drückte diesen ins Tor. Kein noch so moderner falscher Neuner, ob Özil, Götze oder Reus, hätte wohl diesen Weg gewählt. Das ist auch der eigentliche Grund, weshalb Löw, der das schöne Spiel so liebt, immer noch auf Klose setzt. Der Senior-Stürmer kann immer noch jene Wucht in den Strafraum bringen, die den oft sehr hübschen Ballstafetten erst einen tieferen Sinn verleiht.

Seit drei Jahren spielt der ewige Klose in passender Umgebung – in Rom. Für Lazio hat er in 81 Spielen 34 Tore erzielt. Er hat den italienischen Pokal gewonnen und kürzlich seinen Vertrag um ein Jahr verlängert. Er liebt die Stadt und kann inzwischen auch der lockeren Lebensweise der Römer etwas abgewinnen. Anfangs hatte Klose sich noch gewundert, dass im Trainingscamp in Formello bei Mannschaftsessen mittags bereits Wein auf den Tischen stand. Mittlerweile genehmigt er sich auch ein Gläschen.

Die vergangene Saison war bei Miroslav Klose von Verletzungen geprägt

Die abgelaufene Saison war für Klose keine besonders gute. Immer wieder haben ihn kleinere Verletzungen aus dem Rhythmus geworfen, er hat es in 25 Einsätzen auf sieben Treffer gebracht. Keine Klose’sche Quote. Trotzdem hat ihn Joachim Löw, anders als Mario Gomez vom AC Florenz, in den vorläufigen WM-Kader berufen. Wenn sich einer auf den Punkt hin in Schwung bringen könne, dann Klose. Das hat er schon oft bewiesen. Die WM in Brasilien wird seine vierte. „Ich denke, dass es mein letztes Turnier sein wird“, sagt Klose.

Ob er noch einmal ein ganzes Turnier durchstehen kann? „Ich bin ein grundsätzlich optimistischer Mensch“, sagt Klose, den auch ein ganz persönliches Ziel noch treibt. Ein Treffer fehlt ihm, um den Allzeit-Rekord von Ronaldo als bestem Torschützen der WM-Geschichte einzustellen. Kloses Marke steht nach den Turnieren 2002 (fünf Tore), 2006 (fünf) und 2010 (vier) bei 14 Toren. Doch für den Rekord braucht er Einsätze. „Ich will hier in der Vorbereitung so trainieren und mich so präsentieren, dass kein Weg an mir vorbeiführt.“ Deshalb legt Klose auch Sonderschichten ein. „Ich weiß, was ich brauche.“ Ganz gleich, ob es im Trend liegt.

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