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Brasilianische Spielkunst. Mario Götze schießt im August 2011 bei seinem Startelf-Debüt in der Nationalmannschaft sein erstes Länderspieltor gegen Torwart Júlio César. Deutschland schlägt Brasilien überzeugend mit 3:2.

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Rückschau: Länderspiele im August müssen keine Langweiler sein

Die Bundesliga hat noch gar nicht wieder begonnen, da steht schon das erste Länderspiel an. Das ist aus sportlicher Sicht fraglich, andererseits hat die Nationalmannschaft im August schon so manches Mal überzeugt. Ein Rückblick.

Am Mittwochabend empfängt die deutsche Nationalmannschaft Argentinien zum Testspiel - noch vor dem Saisonstart in der Bundesliga. Dass der Termin nur bedingt sinnvoll ist, haben jetzt auch die Herren beim Weltverband Fifa erkannt. Offizielle Länderspiele wird es im August nicht mehr geben. Aus sportlicher Sicht ist das nur zu begrüßen, andererseits haben auch Länderspiele im August einiges zu bieten, wie ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt.

1997: Nordirland – Deutschland 1:3

Im WM-Qualifikationsspiel in Belfast scheinen die Nordiren ihren Ruf als Angstgegner der Nationalmannschaft mal wieder zu bestätigen. Seit 20 Jahren haben die Deutschen in insgesamt fünf Spielen nicht mehr gewonnen, und auch im Windsor Park mühen sie sich lange gegen die massive Abwehr der Nordiren, die nach einer Stunde sogar überraschend in Führung gehen. Bundestrainer Berti Vogts tobt an der Seitenlinie – und reagiert: Er wechselt zunächst Thomas Häßler und kurz darauf Oliver Bierhoff ein. Zehn Minuten später steht es 3:1. Alle drei Treffer hat Häßler vorbereitet, alle drei hat Bierhoff erzielt. „Das ist ein Goldjunge“, sagt Kapitän Jürgen Klinsmann über den Dreifachschützen. Für Bierhoff ist es (nach deutscher Definition) der einzige Hattrick im Nationaltrikot und bis heute der schnellste der deutschen Länderspielgeschichte.

2000: Deutschland – Spanien 4:1

Gerade mal zwei Monate liegt der vielleicht tiefste Tiefpunkt der deutschen Länderspielgeschichte zurück. Bei der EM ist die Nationalelf in der Vorrunde gescheitert, dem deutschen Fußball scheint eine bleierne Zukunft bevorzustehen. Doch dann kommt Rudi Völler. Der Publikumsliebling ist eher zufällig Teamchef der Nationalmannschaft geworden, soll nur als Platzhalter für Christoph Daum dienen – und benötigt gerade ein Spiel, um die Hoffnung zurückzubringen. In Hannover besiegt Völlers Team Spanien mit 4:1. Schon nach einer Stunde führt die Nationalmannschaft nach Toren von Mehmet Scholl und Alexander Zickler (je zwei) 4:0. Dass die Spanier mitten in der Saisonvorbereitung stecken – geschenkt. „Das konnte keiner erwarten!“, schreibt der „Kicker“. „Stehende Ovationen für eine deutsche Fußballnationalmannschaft im Jahre 2000, gleich bei der Auftaktaufgabe von Rudi Völler nach dem schlimmsten Turnier, das eine deutsche Mannschaft je gespielt hat. Der Teamchef hat Mut bewiesen, im Prinzip auf die Versager der EURO zu setzen, aber er hat haushoch gewonnen.“

2001: Ungarn – Deutschland 2:5

Am Ende gibt es noch ein imposantes Feuerwerk zu Ehren des Ungarischen Fußballverbandes, der seinen 100. Geburtstag feiert. Das Spiel der deutschen Nationalmannschaft im Budapester Nep-Stadion ist kaum weniger imposant gewesen. Selbst die neutralen Zuschauer geraten nach deren 5:2-Sieg ins Schwärmen. Ehrengast Sepp Blatter zum Beispiel: „Die Deutschen haben gespielt wie früher die südamerikanischen Fußballer. Die Mannschaft kann nicht nur kämpfen und laufen, sondern auch mit dem Ball zaubern.“ Vor allem die deutsche Nummer zehn hat es dem Fifa-Chef angetan. „Er bewegt sich wie ein Präsident“, sagt Blatter über Sebastian Deisler. Die Beteiligten selbst sind nicht ganz so euphorisch. Deisler spricht von einem ganz normalen Freundschaftsspiel, und auch Kapitän Oliver Kahn mahnt, dass man dieses Spiel, bei allen positiven Ansätzen, nicht zu hoch hängen dürfe. Dass er recht hat, zeigt sich zweieinhalb Wochen später, als die Deutschen in München ihr WM-Qualifikationsspiel gegen England bestreiten: Die Zauberer von Budapest verlieren 1:5.

2004, 2007 und 2011: Siege gegen Österreich, England und Brasilien

Zurückgekämpft. Nach dem blamablen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der EM 2000 schlugen Michael Ballack und sein Team Spanien im Testspiel deutlich.
Zurückgekämpft. Nach dem blamablen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der EM 2000 schlugen Michael Ballack und sein Team Spanien im Testspiel deutlich.

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2004: Österreich – Deutschland 1:3

Es ist das erste Spiel der Ära Jürgen Klinsmann, die am 9. Juli 2006 mit dem WM-Titel im Berliner Olympiastadion enden soll. Und ein durchaus vielversprechender Start. Ganze 95 Sekunden sind im Wiener Ernst-Happel-Stadion gespielt, als Kevin Kuranyi seinen ersten von drei Treffern zum 3:1-Sieg der Deutschen erzielt. Ein perfekter Start für Klinsmann, der nach dem EM-Debakel von Portugal und einer quälend langen Trainersuche Nachfolger von Rudi Völler geworden ist. „Es hat Spaß gemacht zuzuschauen. Danke. Toll“, sagt der neue Bundestrainer, der die Sache mit revolutionärem Eifer angeht. Wo das alles hinführen wird, ist schon beim Debüt in Wien zu erahnen. Oliver Kahn, dem Klinsmann quasi als erste Amtshandlung die Kapitänsbinde entzogen hat, darf nur in der ersten Halbzeit spielen. Nach der Pause steht die bisherige Nummer zwei Jens Lehmann im Tor.

2007: England – Deutschland 1:2

Ballack, Frings, Klose, Schweinsteiger, Podolski – die Liste der Ausfälle beim Prestigeduell in Wembley ist so lang und prominent besetzt, dass Bundestrainer Joachim Löw zum verschärften Improvisieren gezwungen ist: Er testet ein ungewohntes 4-1-4-1-System, lässt David Odonkor im linken Mittelfeld spielen und bietet Philipp Lahm als Sechser auf. Als die Engländer in der neunten Minute in Führung gehen, steht das Schlimmste zu befürchten, doch am Ende sind in der Arena nur noch die deutschen Fans zu hören. Kevin Kuranyi gleicht aus, Christian Pander erzielt bei seinem Länderspieldebüt noch vor der Pause mit einem 30-Meter-Schuss den 2:1-Siegtreffer. Während der englische Anhang immer stiller wird, leisten die Deutschen sich ein paar gezielte Provokationen. „Football’s coming home“, singen sie, den Klassiker des englischen Fußball-Liedguts. Dass sie in London langsam heimatliche Gefühle entwickeln, ist ihnen nicht zu verübeln: Die Nationalmannschaft hat jetzt nicht nur das letzte Spiel im alten Wembley-Stadion gewonnen, sondern auch das erste im neuen.

2011: Deutschland – Brasilien 3:2

Deutschland gegen Brasilien, das ist der Kampf der Fußballkulturen, das ist Wille gegen Fantasie, Kampf gegen Kunst. Beim Testspiel in Stuttgart aber verschwimmen die Grenzen wie nie zuvor. „Das bessere Brasilien“, titelt der Tagesspiegel nach der Begegnung – und meint die Deutschen, die an diesem Abend den schöneren Fußball spielen. Bundestrainer Löw begegnet der Spielfreude der Südamerikaner nicht etwa mit verschärfter Defensive, sondern bezwingt sie mit ihren eigenen Mitteln. Löw bietet mit Toni Kroos und Mario Götze zwei Zehner auf. Vor allem Götze, der zum ersten Mal in der Startelf steht und sein erstes Länderspieltor erzielt, verzückt das Publikum. Am Ende feiern die Deutschen mit dem 3:2 im 21. Länderspiel gegen Brasilien ihren vierten Sieg – und sind überzeugt, in dieser Form zu den ganz großen Favoriten bei der EM im kommenden Sommer zu gehören.

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