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Die blinde Judoka Ramona Brussig im Wettkampf. Wie ihre Zwillingsschwester Carmen ist sie bereits für die Paralympics 2016 in Rio qualifiziert.

© dpa

Blinde Judoka: Vom Dojo los zum Zuckerhut

Das deutsche Team der sehbehinderten Judoka für die Paralympics in Rio ist so gut wie komplett: Mit Carmen und Ramona Brussig, Sebastian Junk und Nicolai Kornhaß. Oliver Upmann könnte noch nachrücken.

„Ein Kreuzbandriss ist wie Spaghetti kochen.“ So beschreibt Judoka Sebastian Junk seine Verletzung: „Deckel drauf, nix mehr machen.“ Und das fünf Monate lang. Eine ewige Zeit für den Kämpfer des 1. Mannheimer JC. Aber sie ist bald vorbei, in vier Wochen darf er wieder auf der Matte stehen. Dann konzentriert er sich auf die Vorbereitung für das Ereignis des Jahres. Bei den Paralympics in Rio de Janeiro im September möchte der 32-Jährige wieder voll angreifen.

Die Judoka, die dort teilnehmen dürfen, sind alle sehbehindert. Das bedeutet, dass sie maximal zehn Prozent Sehrestkraft besitzen – viele sind ganz blind. Große Unterschiede zum Judo der sehenden Athleten gibt es dennoch kaum. Der Kampf beginnt aus dem Griff heraus, zudem gibt es weniger Strafen für die Athleten, falls sie beispielsweise die Kampffläche verlassen.  

Bundestrainerin Carmen Bruckmann ist bereits jetzt voller Vorfreude. „Wir haben noch ein paar letzte Testkämpfe gegen mögliche Konkurrenten gemacht - jetzt liegt der Fokus auf Rio.“ Denn vier Startplätze haben die Deutschen schon in der Tasche. Die beiden Paralympicssiegerinnen von London, Carmen und Ramona Brussig, gehen sehr ambitioniert in Rio an den Start. Und auch Sebastian Junk hat sich bereits qualifiziert.

Schon zum fünften Mal fährt er zu den Paralympischen Spielen. Ist das nun seine letzte Teilnahme? „Das muss man realistisch so sagen“, sagt der gebürtige Trierer und lacht, „Judo ist kein Schach, da ist man irgendwann auch verbraucht.“

Für den 27-jährigen Oliver Upmann gibt es noch Hoffnung

Verbraucht ist sein jüngerer Kollege Nicolai Kornhaß noch lange nicht. Auch er gehört dem „Team Rio“ der Metropolregion Rhein-Neckar an. Der Youngster ist 22 Jahre alt und hat vergangenes Jahr bei der Europameisterschaft in Lissabon die Bronzemedaille gewonnen. Und seine Vorsätze für die Paralympics? „Ich wäre froh, wenn ich dort einen Kampf gewinne“, sagt der Heidelberger Student, „es kommt eben sehr auf einen guten Tag, ein machbares Los und ein wenig Glück an.“ Dann könne man jeden schlagen. Nach einer kurzen Pause ergänzt er: „Über einen fünften Platz wäre ich glücklich, alles darüber wäre überragend.“

Die Brussig-Zwillinge, Junk und Kornhaß tragen in Rio den Bundesadler auf der Brust. Für die anderen deutschen Judoka hat es nicht ganz gereicht. Vorerst zumindest. Für Oliver Upmann vom 1. MJC gibt es noch Hoffnung. Der 27-Jährige steht auf der Nachrückerliste an erster Stelle. Doch wie groß ist die Chance wirklich, im Nachhinein doch noch in Rio dabei sein zu können? „Das ist relativ unrealistisch. Keiner gibt so einfach einen Paralympics- Startplatz her“, meint Teamkollege Junk.  Frank-Thomas Hartleb hingegen, Sportdirektor des Deutschen Behindertensportverbands, hält die Nachnominierung für „möglich“.

Möglich ist für die vier oder fünf deutschen Athleten einiges, wenn sie im September um die Medaillen am Zuckerhut kämpfen. Doch dafür muss nun viel trainiert werden. Nun heißt es hart arbeiten. Sich auf keinen Fall verletzen. Und dann die Möglichkeit in Rio nutzen.

Tillmann Bauer

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