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Der dritte Teil der Stadtsafari führt nach Charlottenburg. Wir beginnen die Reise auf dem Georg-Grosz-Platz, ...

© Mike Wolff/Tagesspiegel

Flirten in Charlottenburg:: Alter Westen, neu entdeckt

Auf der Suche nach Singles mit Niveau? Berlin Charlottenburg- oft als farblos und öde tituliert - beweist in Sachen Dating und Partnersuche das Gegenteil.

Ja, es stimmt. In Berlin-Charlottenburg leben viele Russen, und das ist der Grund, warum der Stadtteil im sogenannten Volksmund manchmal Charlottengrad genannt wird. Herrschaftliche Altbauten, Schloss inklusive Garten, schicke Boutiquen – all das wirkt gerade auf osteuropäische Zuzügler sehr attraktiv und anziehend. Was nicht heißen soll, dass sich andere Nationalitäten hier nicht auch wohlfühlten. Gerade in letzter Zeit hat sich in der Gegend zwischen Breitscheidplatz und Lietzensee viel getan. Altes Westberlin, Rolf Eden, Glitzerdiskos? Schnee von gestern. Den Neubau des Waldorf-Astoria-Hotels in der Hardenbergstraße, die abgeschlossene Sanierung des Cumberland-Hauses am Ku’damm und die Eröffnung des Restaurants „Grosz“, betrieben von „Borchardt“-Chef Roland Mary, werten viele als Indizien für einen Wandel. Schaden täte der nicht. Denn lange galt Charlottenburg zwar als gutbürgerlich – aber eben auch als etwas langweilig und verschlafen.

Vorurteile im Faktencheck

Mit einem Vorurteil muss an dieser Stelle ein für allemal aufgeräumt werden: dass die meisten der 122.300 Bewohner Charlottenburgs aus Russland stammen. Das stimmt nicht, auch wenn es immer wieder behauptet wird. Kaum fünf Prozent beträgt der Anteil. Zum Vergleich: Gut 60 Prozent sind Deutsche, gefolgt von Türken mit knapp fünfeinhalb Prozent. Aber auch Polen, Jugoslawen, Afrikaner und Lateinamerikaner sind hier vertreten. Insofern ist Charlottenburg mit seinen 10,6 Quadratkilometern Fläche mindestens eben so multikulti wie Kreuzberg. Nur dass sich keiner getraut hat diese Wahrheit auszusprechen. Was auch mal klipp und klar benannt werden muss: dass die Bewohner des Bezirks etwas älter sind als im Berlin-Mittel. 46 Jahre beträgt das Durchschnittsalter im seit 2001 fusionierten Großbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und liegt damit mehr als drei Jahre über dem Hauptstadtschnitt. Unter dem Berliner Schnitt liegt in Charlottendorf die Arbeitslosenquote, mit 10,6 Prozent.

Für jeden etwas dabei: Charlottenburgs schönste Fleckchen Erde

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Das Schloss Charlottenburg

© dpa (dpa-Zentralbild)

Hier trifft man Singles mit Niveau: Charlottenburgs schönste Fleckchen

Für Traditionalisten und Nostalgiker ist das Café Keese in der Bismarckstraße eine gute Anlaufstelle: ein Tanzlokal, das es seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gibt und das bis heute nichts von seinem Charme eingebüßt hat. Es gibt Tischtelefone, zwei Bars und eine große Tanzfläche. Dienstags steht Disco-Fox inklusive kostenloser Tanzkurse auf dem Programm, freitags gibt’s den besten „Mix der schönsten Hits“. Die Betreiber formulieren es so: „Genau das Richtige für alle im mittleren Alter, die Spaß am Tanzen haben und Leute treffen möchten.“ Für alle anderen haben wir fünf Ausgehalternativen:

Schaubühne. Wenn Theater tatsächlich die neuen Clubs sind, ist die Schaubühne am Lehniner Platz das Berghain unter den Berliner Häusern. Was Regisseur Thomas Ostermeier hier aufführt, ist eine echte Sehenswürdigkeit, was natürlich auch am Ensemble, allen voran an Lars Eidinger liegt. Wie der den Hamlet spielt, mit einer Präsenz und Wucht, ist ein Erlebnis, das dem Publikum nachhaltig in Erinnerung bleibt. Kein Wunder, dass es in Scharen kommt. Junge Frauen mit roten Kussmündern, junge Männer mit schmalen Hosen und spitzen Schuhen. Achtung, eine wichtige Ansage flirtbereite Besucher: Das Reden sollte lieber in die Pause verlegt werden, besser noch ans Ende der Aufführung. Denn Eidinger ist dafür bekannt, dass er seinen Zuschauern höchste Konzentration abverlangt. Und bei Unruhe gern mal ungehalten reagiert.

Schloss Charlottenburg. Ende des 17. Jahrhunderts im Auftrag von Sophie Charlotte von Hannover errichtet. Von den schweren Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg ist heute nichts mehr zu sehen. Die imposante Kuppel des Schlosses, die bei einem Bombenangriff 1943 zerstört wurde, steht wieder. Der Schlosspark ist der älteste erhaltene Park der Stadt, er wurde einst nach barockem Vorbild angelegt. Das Mausoleum mit den vier Eingangssäulen ist letzte Ruhestätte für Königin Luise und Kaiser Wilhelm I., im hinteren Teil der Anlage gibt es eine Liegewiese und Teiche. Wem hier nicht warm ums Herz wird, der hat keins.

Lon Men’s Noodlehouse. Liebe geht durch den Magen, heißt es. Demnach müssten die Chancen, sich zu verlieben, im Lon Men’s Noodlehouse in der Kantstraße 33 besonders hoch stehen. Der Laden sieht von außen, nun ja, etwas unspektakulär und kitschig aus. Hat man ihn aber erst mal betreten und seine Bestellung aufgegeben, ist man angenehm überrascht. Die taiwanesischen Teigtaschen sind hausgemacht, alle Gerichte werden frisch zubereitet und schmecken auch so. Sollte es mit der Begleitung keine partnerschaftliche Perspektive geben, kann es jedenfalls nicht am Essen gelegen haben.

Hefner Bar. Befindet sich am Savignyplatz, direkt an der Ecke zur Kantstraße. Die Einrichtung ist klassisch schlicht, das Personal sehr freundlich und kompetent. Die Bar hat verschiedene Gin- und Bourbon-Sorten im Angebot, zu empfehlen ist der Whiskey Sour.

Schwarzes Café. Es gibt hier tatsächlich schwarze Wände, aber die sind nicht unbedingt der Grund dafür, dass das Café in der Kantstraße 148 so beliebt ist. Vielmehr liegt es an der umfangreichen Speisekarte sowie der Tatsache, dass der Laden rund um die Uhr geöffnet ist. Ein Auffangbecken für Gestrandete und Nachtschwärmer, die selbst dann noch nicht heim wollen, wenn in der Gegend längst alles geschlossen hat.

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