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Errinerungen an vergangene Zeiten: die Liebigstraße 14 in Berlin Friedrichshain.

© Tsp

Flirten in Friedrichshain: Früher Krieg, heute Frieden

Gemütliches Dorf oder doch revolutionärer Szene-Kiez? Berlin- Friedrichshain lässt keine Wünsche offen. Das gilt nicht nur für den Lonely-Planet Touristen, sondern auch für einsame Berliner auf der Suche nach einem Partner fürs Leben oder für eine Nacht.

Heute eigentlich kaum mehr vorstellbar, aber tatsächlich gab es mal eine Zeit, in der es hoch herging in Berlin-Friedrichshain. Gemeint sind damit nicht die feierwütigen Lonely-Planet-Touristen, die alkoholselig durch die Simon-Dach-Straße torkeln, sondern die Hausbesetzungen in der Mainzer Straße kurz nach der Wende – und die damit verbundene Räumung im November 1990. Kaum ein Abend, an dem damals nicht in den Nachrichten darüber berichtet wurde. Mit Bildern von Straßenschlachten von kriegsähnlichem Ausmaß.

Den Gebäudeblocks ist das mittlerweile nicht mehr anzusehen, sie sind schick saniert und leuchten pastellfarben. Und statt autonomer Hausbesetzer bevölkern heute tagsüber vor allem junge Familien die Straßen. Das ändert sich schlagartig in den späten Abendstunden. Wenn die Clubs, Bars und Cafés flirtendes Nachtvolk anziehen.

Die Fakten zu Berlin-Friedrichshain

Berlin-Friedrichshain ist wie ein gemütliches Dorf. Das findet zumindest Fernsehmoderatorin Miriam Pielhau, die 2008 in diesen Stadtteil gezogen ist. Der Duden definiert „Dorf“ als „bäuerliche Siedlung“, und die Realität der bäuerlichen Siedlung namens Friedrichshain sieht so aus: Auf rund 9,8 Quadratkilometern leben knapp 120.000 Einwohner, die Bevölkerungsdichte gilt als eine der höchsten Berlins. Seit 2001 ist der Bezirk nicht mehr eigenständig: Im Zuge der Verwaltungsreform fusionierte er mit dem angrenzenden Kreuzberg.

Geprägt ist die Beziehung zwischen beiden von einer Hassliebe, die alljährlich kulminiert: in der Gemüseschlacht an der Oberbaumbrücke, der Grenze zwischen beiden Stadtteilen. Der Ablauf dieses Ereignisses ist seit der Premiere 1998 ebenso plausibel wie unverändert. Die Teilnehmer bewerfen sich gegenseitig mit Obst und Gemüse, das laut Regeln von der Konsistenz so beschaffen sein muss, dass es kein Verletzungspotenzial birgt. Sprich: entweder faulig und damit matschig, oder weich gekocht. Ziel der Gemüseschlacht ist es, den Gegner in dessen Revier zurückzudrängen. Gewonnen hat, wer den Brückenkopf des Rivalen überschreitet. Das tat in der Vergangenheit vor allem Friedrichshain. Bis auf 2011 konnte es alle Kämpfe für sich entscheiden.

Wie viel Flirt-Potenzial steckt in Berlin-Friedrichshain?

Ähnlich stark wie bei der Gemüseschlacht ist Berlin-Friedrichshain auch hinsichtlich seines Flirt-Potenzials. Die Indizien sprechen für sich. Junge Unternehmen wie Universal oder MTV sind hier ansässig und beschäftigen Menschen, die von Berufswegen schon sehr kontaktfreudig, kommunikativ und umtriebig sind. Nicht zu vergessen die Studenten von der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft am Warschauer Platz. Klar, wird nicht jeder von denen auf der Suche nach einem potenziellen Partner, einer potenziellen Partnerin sein – doch dem einen oder anderen wird man ein gesteigertes Interesse an zwischen- oder gleichgeschlechtlichen Kontakten mit Herzflatterfaktor nicht absprechen können.

Die Jungs der Musik-Combo Die Wallerts werden in ihrer „Friedrichshainhymne“ sogar konkret: „Hast du Ärger, hat die Welt dich nicht mehr lieb /Liegst am Boden und kriegst immer noch ’nen Hieb /Hast du Kummer, weil mit Frauen nicht viel geht /Und deine Ex mit deinem besten Kumpel schläft/ Dann komm zu uns in’ Friedrichshain/ In den Stadtbezirk, in dem die Sonne scheint /Hast du gestern noch in dein Kissen geweint /Lachst du heute schon im Friedrichshain…“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Friedrichshain für Singles

Friedrichshain-Idyll. Jeden Abend sitzen hier viele Anwohner, trinken ein Feierabendbier und gucken in die Ferne – ob zum Fernsehturm, auf die alten Eisenbahngleise oder zum Narva-Turm, in dem heute BASF sitzt (links im Bild).
Friedrichshain-Idyll. Jeden Abend sitzen hier viele Anwohner, trinken ein Feierabendbier und gucken in die Ferne – ob zum Fernsehturm, auf die alten Eisenbahngleise oder zum Narva-Turm, in dem heute BASF sitzt (links im Bild).

© Paul Zinken

Wo lernt man Leute kennen?

Modersohnbrücke. Maximal romantische Orte wie diesen bietet Berlin zuhauf, hier verzückt das Panorama aber ganz besonders: Auf der Modersohnbrücke treffen sich im Sommer Dutzende junge Menschen und blicken verträumt in den Sonnenuntergang Richtung Alexanderplatz, während am Horizont der Fernsehturm wie eine Diskokugel funkelt. Wem bei dieser Kulisse in Sepia nicht warm ums Herz wird, dem ist nicht zu helfen.

M10. Bei dieser Tram-Linie kann man einen Flirt in vollen Zügen genießen. Die M10 ist die inoffizielle Party-Straßenbahn der Stadt, sie startet am Nordbahnhof in Mitte, durchquert Prenzlauer Berg und endet an der Oberbaumbrücke in Friedrichshain. Die Kontaktanbahnung erfolgt denkbar einfach. Es braucht nicht mehr als eine Flasche kalten Sekt, die man gleich nach dem Einsteigen öffnet. Dazu ein paar Plastikbecher - und schon kann man mit spontan als Sympathieträger ausgemachten Menschen auf Brüderschaft trinken. Hemmungen braucht man dabei wirklich nicht zu haben.

Zum schmutzigen Hobby. Überdreht wie der Name dieser Bar in der Revaler Straße 99 ist auch ihre Betreiberin Nina Queer: eine Transe mit divenhafter Exaltiertheit und großem Humor. Zu erleben ist sie höchstpersönlich jeden Mittwoch ab 21 Uhr als Moderatorin des sogenannten „Glamour Quiz“, bei dem das Publikum über politisch wie gesellschaftlich brisanten Sachverhalten grübeln darf. „Wer wurde letztes Jahr Dschungel-König?“ – Fragen wie diese haben mehr Potenzial, Menschen einander näher zu bringen, als ein vollbesetzter Bus zur Hauptverkehrszeit. Tuscheln mit den Sitznachbarn zur Erörterung der Antwort ist durchaus erlaubt. Nur sollte man dabei nicht in der vordersten Reihe sitzen. Andernfalls wird man automatisch Zielscheibe anzüglicher Bemerkungen seitens der Gastgeberin. Überliefert sind auch Vorfälle spontaner Zudringlichkeit. Muss man mögen...

Freiluftkino Friedrichshain. Ist im gleichnamigen Volkspark gelegen und hat jedes Jahr ab Mai geöffnet. Amerikanische Blockbuster werden ebenso gezeigt wie europäische Autorenfilme. Wer ein Date hat und dieses mit einem Kinobesuch um den Finger zu wickeln gedenkt, dem bietet sich hier das ideale Setting. Übrigens: Nur keine Angst vor spontanen Sommerschauern! Ein vorsorglich eingesteckter Regenschirm liefert eine gute Legitimation dafür, näher an den Schwarm heranzurücken.

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