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Die Bundesanwaltschaft wirft Beate Zschäpe die Mittäterschaft bei zehn Morden vor.

© dpa

Rechtsterrorismus: Anklage gegen Zschäpe lautet auf zehnfachen Mord

Zehnfacher Mord, Beihilfe zum Mord, Raub, Brandstiftung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung: Auf mehr als hundert Seiten trägt die Bundesanwaltschaft die Vorwürfe gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte zusammen - und nennt die Namen der mutmaßlichen Komplizen.

Von Frank Jansen

Die Bundesanwaltschaft hat heute gegen Beate Zschäpe die schwerste Anklage erhoben, die möglich erschien. Der 37-jährigen Frau wird vorgeworfen, die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ mitgegründet und sich „mittäterschaftlich“ an der Ermordung von zehn Menschen, an mehreren versuchten Morden und an 15 bewaffneten Raubüberfällen beteiligt zu haben. Außerdem hält die Bundesanwaltschaft Zschäpe der besonders schweren Brandstiftung für schuldig. Die Frau hatte am 4. November 2011 in Zwickau die Wohnung angezündet, in der Zschäpe seit 2008 mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gelebt hatte. Außerdem wurde Anklage erhoben gegen die vier mutmaßlichen Komplizen des NSU, Ralf Wohlleben (37), Carsten S. (32), André E. (33) und Holger G. (38).

Die Details trug Generalbundesanwalt Harald Range am Mittag in einer Pressekonferenz am Sitz der Behörde in Karlsruhe vor. Erhoben wurde die Anklage vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München. Range hatte, wie vom Tagesspiegel berichtet, Anfang der Woche die mehrere hundert Seiten starke Anklageschrift unterzeichnet. Dann wurde das Dokument nach München verschickt.

Laut Bundesanwaltschaft ist Zschäpe mitverantwortlich für die Ermordung von neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft, die Mundlos und Böhnhardt von 2000 bis 2006 in fünf Bundesländern erschossen hatten. Ebenso wird Zschäpe eine Mittäterschaft an dem „Mordanschlag“ der beiden Männer auf die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn und ihren Kollegen vorgeworfen. Beiden Beamten schossen Mundlos und Böhnhardt im April 2007 in den Kopf. Kiesewetter war sofort tot, der Kollege überlebte mit lebensgefährlichen Verletzungen.

Als versuchte Morde, die auch Zschäpe zur Last gelegt werden, wertet die Bundesanwaltschaft die beiden Sprengstoffanschläge des NSU in Köln. Im Januar 2001explodierte im Lebensmittelgeschäft eines Iraners ein Sprengsatz, den mutmaßlich Mundlos und Böhnhardt dort deponiert hatten. Bei der Detonation wurde die Tochter des Ladeninhabers schwer verletzt. Im Juni 2004 zündeten Mundlos und Böhnhardt vor einem türkischen Friseursalon eine Nagelbombe. Dabei erlitten 22 Menschen Verletzungen.

Zschäpe sei außerdem „hinreichend verdächtig, als Mittäterin für 15 bewaffnete Raubüberfälle verantwortlich zu sein“, verkündete Range. Mundlos und Böhnhardt hatten, meist gemeinsam, von Oktober 1999 bis zum 4. November 2011 insgesamt 14 Filialen von Sparkassen und andere Geldinstitute in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen überfallen und mehr als 600 000 Euro erbeutet. Außerdem wurde ein Supermarkt beraubt.

Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hat sich Zschäpe außerdem des versuchten Mordes an einer Rentnerin und an zwei Handwerkern schuldig gemacht, als sie am 4. November 2011die Wohnung in Zwickau anzündete. Da Zschäpe enorm viel Brandbeschleuniger verwendete, gab es eine Verpuffung, die das Haus zerstörte. Die in dem Gebäude lebende Rentnerin und die Handwerker kamen nur knapp mit dem Leben davon. Die Tat wird von der Bundesanwaltschaft zudem als besonders schwere Brandstiftung gewertet.

„Ihre terroristischen Verbrechen betrachteten die NSU-Mitglieder als gemeinsame Taten, die sie in einer aufeinander abgestimmten Arbeitsteilung verübten“, heißt es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft. Mundlos und Böhnhardt hätten Anschlagsziele ausspähen und die Mordanschläge und Raubüberfälle ausführen sollen. Die Angeschuldigte Zschäpe „hatte hingegen die unverzichtbare Aufgabe, dem Dasein der terroristischen Vereinigung den Anschein von Normalität und Legalität zu geben“, sagt die Bundesanwaltschaft.

Nach Erkenntnissen der Anklagebehörde hatte Zschäpe Nachbarn und Bekannten die häufige Abwesenheit von Mundlos und Böhnhardt „unverfänglich“ erklärt und an den jeweiligen Wohnorten „eine unauffällige Fassade“ gepflegt, „um die Funktion der gemeinsamen Wohnung als Rückzugsort und Aktionszentrale der terroristischen Vereinigung zu sichern“. Nur so habe der NSU über Jahre hinweg unentdeckt Verbrechen begehen können. Zschäpe sei zudem „maßgeblich für die Logistik der Gruppe verantwortlich“ gewesen. „Sie verwaltete das Geld aus den Raubüberfällen, ohne das die terroristischen Verbrechen nicht hätten verübt werden können“, steht in dem Papier der Bundesanwaltschaft.

Den ebenfalls angeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. wirft die Behörde vor, sie hätten Beihilfe zum Mord an den neun Migranten „durch die Beschaffung der Tatwaffe Ceska 38 nebst Schalldämpfer“ begangen. Wohlleben ist der einzige mutmaßliche Komplize des NSU, der noch in Untersuchungshaft sitzt.

André E. ist angeklagt wegen Beihilfe zum Sprengstoffanschlag auf das iranische Geschäft in Köln „sowie wegen Beihilfe zum Raub und wegen Unterstützung der terroristischen Vereinigung NSU in jeweils zwei Fällen“. Holger G. wird Unterstützung des NSU in drei Fällen vorgehalten.  

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