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Amelie Ebner ist unterhalb des sechsten Halswirbels gelähmt. "Ich kann nicht husten." Das Coronavirus wäre für sie lebensgefährlich.

© privat

„Bin ich denen so egal?“: Wie es sich anfühlt, zur Corona-Risikogruppe zu gehören

Amelie Ebner, Jurastudentin, ist querschnittgelähmt. Das Coronavirus könnte sie das Leben kosten. Das Verhalten vieler gesunder Menschen macht sie wütend.

Eigentlich spielt es für mich keine Rolle, warum ich im Rollstuhl sitze – es ist für mich Realität. Aber da es die Leute immer interessiert: 2013 hatte ich einen Skiunfall, prallte mit dem Kopf gegen einen Masten hinter dem Fangzaun.

Seitdem bin ich querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Und seitdem sollte ich es vermeiden, krank zu werden.

Als würde ich ersticken

Das liegt daran, dass ich nicht besonders gut husten kann. Weil ich unter dem sechsten Halswirbel gelähmt bin, kann ich die fürs Husten nötigen Muskeln nicht mehr ansteuern, den Rumpf zum Beispiel. Wenn ich huste, klingt das, als würde ich ersticken.

Dasselbe passiert, wenn ich niese. Um einen kleinen Schleimklumpen abzuhusten, brauche ich so eine halbe Stunde. Wenn das Zeug aber in meine Lunge kommt, dann wird es richtig gefährlich.

Ich will mir also gar nicht ausmalen, was Corona für mich genau bedeuten würde. Nur so viel: Ich weiß, dass ich um mein Leben kämpfen müsste.

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Darum habe ich seit einer Woche das Haus nicht mehr verlassen, außer ein Mal für einen kleinen Spaziergang. Darum wasche ich mir zwanzig Mal am Tag die Hände und desinfiziere ständig.

Darum halten wir zuhause Abstand voneinander, darum kann ich derzeit keine Freunde treffen oder in die Uni nach München fahren. Ich studiere dort Jura, Anfang April hätten wir eine Klausur gehabt. Ich wollte mir schon einen Attest besorgen, jetzt wurde die Klausur aber für alle abgesagt.

Und das Praktikum, das ich beim Amtsgericht machen wollte, musste ich auch absagen.

Bin ich denen so egal?

Ich kriege hier drin nicht alles mit, was draußen gerade so los ist, aber was ich sehe, in den sozialen Netzwerken, macht mich echt traurig. Die Leute sitzen im Café, am Fluss, sie feiern Corona-Partys, halten sich nicht an die Regeln. Wenn ich genau überlege, macht mich dieses Verhalten ziemlich wütend. Ich frage mich: Bin ich denen so egal?

Ich verstehe schon, dass die Gefahr für junge, gesunde Menschen nicht sehr hoch ist. Aber es wäre doch schön, in dieser Zeit auch an Menschen wie mich zu denken – Risikopatienten.

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Meine Physiotherapeutin zum Beispiel, die sonst ein bis zwei Mal die Woche zu mir kommt, um Arme und Beine zu lockern, hat mir gerade abgesagt. Sie machte sich Sorgen, dass sie mich anstecken könnte, das fand ich schön.

Jetzt muss ich zwar ein paar Wochen ohne sie auskommen, aber unter den Umständen ist das die richtige Entscheidung.

Amelie Ebner ist Jurastudentin und Autorin und lebt in Freising, Bayern. Das Gespräch protokollierte Marius Buhl.

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