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Kilometer 600. Alexander Sedlaks Rottweiler Bruno ist Teil seiner Therapie. Er zwingt ihn dazu, aus dem Haus zu gehen.

© Johannes Laubmeier

Bundeswehr: PTBS: Die Soldatenseuche

Die Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung. Die Ursache: sein Einsatz in Afghanistan. Und weil Alexander Sedlak befürchtet, er und andere Erkrankte würden vergessen, läuft er los – 750 Kilometer quer durch Deutschland. Unser Blendle-Tipp.

An einer Landstraße am Ortsausgang von Baitz, einem kleinen Dorf im Brandenburger Landkreis Potsdam-Mittelmark, sitzen 26 junge Männer in grünem Flecktarn, trinken Wasser und erzählen sich Kriegsgeschichten.

Vor wenigen Monaten waren sie gemeinsam im Einsatz, als Aufklärungsunterstützung der UN-Mission Minusma. Und weil alles glattlief, erzählen sie sich jetzt unter frischgrünen Bäumen in Brandenburg Anekdoten und lachen über Insiderwitze. Darüber, wie einmal einer mit dem Panzer falsch abbog und wie ein anderer unfreiwillig lustige Funksprüche absendete – es war einmal in Mali.

Alexander Sedlak erzählt keine Witze. Ganz in beige gekleidet sitzt er, etwas abseits, in der Hocke neben seinem Rottweiler Bruno. Manchmal lächelt er, meistens bleibt er still.

Sedlak war nicht in Mali. Auf dem Rucksack des 27-Jährigen mit dem blonden Bart und den hellen Augen klebt ein Aufnäher der Isaf-Truppen. Sedlak war in Afghanistan. Und während für seine Kameraden der Einsatz in der Vergangenheit liegt, im Schwelgen in gemeinsamen Erinnerungen, dauert sein Kampf seit mehr als fünf Jahren an. Denn Alexander Sedlak ist, als einziger der Soldaten an dieser Landstraße in Brandenburg, verwundet aus dem Einsatz zurückgekommen.

Und obwohl er ein wenig abseits sitzt, dreht sich an der Straße in Baitz alles um ihn. Der Soldat wandert, von Freiburg im Breisgau nach Berlin, 40 Tage für mehr als 750 Kilometer. Als er in Baitz ankommt, hat er bereits mehr als 600 Kilometer davon geschafft.

Die 26 Männer im Flecktarn sind gekommen, um ihn auf einer seiner letzten Etappen zu unterstützen. „Für das Gedenken und gegen das Vergessen“ nennt der 27-Jährige seine Aktion, mit der er auf die Verletzung aufmerksam machen will, die er und andere aus Konflikten auf der ganzen Welt davongetragen haben.

Als neue Befehle bekommen, ändert sich alles

Sein Handicap sieht man Sedlak nicht an. Nicht sein Körper wurde beim Einsatz als Soldat verletzt, sondern seine Psyche. Seit einem Einsatz in Afghanistan im Jahr 2011 leidet er, wie viele Bundeswehrveteranen, unter Posttraumatischer Belastungsstörung.

Die Erkrankung, die als Folge traumatischer Erlebnisse auftritt, ist bei der Bundeswehr seit Jahren Einsatzrealität. Im Jahr 2016 wurde sie bei 175 deutschen Soldaten neu diagnostiziert, insgesamt wird davon ausgegangen, dass jeder fünfte Soldat nach dem Einsatz mit irgendeiner Form psychischer Beeinträchtigung zu kämpfen hat.

Als Sedlak mit 21 Jahren nach Afghanistan geht, ist das bereits sein zweiter Einsatz. Dass er Soldat werden wollte, weiß er schon lange. Soldaten sind für ihn Respektspersonen, außerdem will er etwas für sein Land tun, Verantwortung übernehmen, helfen. Kaum 18, noch bevor der Musterungsbescheid in seinem Briefkasten liegt, meldet er sich freiwillig zur Bundeswehr und hat schon ein Jahr später seinen ersten Einsatz im Kosovo, als Richtschütze für Milan-Raketen. „Das war eher ruhig“, beschreibt er seine Zeit im Camp Novo Selo zwischen Mitrovica und Pristina.

2011 wird er als Scharfschütze und Ersthelfer nach Afghanistan geschickt, für einen halbjährigen Einsatz im Camp „OP North“ bei Baghlan. Zu Anfang sieht alles nach Routine aus: Präsenz zeigen, Patrouille fahren, mit den Einwohnern sprechen. Zwei Monate geht das so.

Als sie neue Befehle bekommen, ändert sich alles. Sedlak und seine Einheit sollen „neues Land“ erkunden, eine Operationsbasis in der Stadt Zaman Khel am Fluss Kundus, 20 Kilometer nördlich von Baghlan aufbauen – und stechen damit in ein ...

Den vollständigen Text lesen Sie für 45 Cent im Online-Kiosk Blendle.

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