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Ein vom Rest des Pekinger Flughafens abgetrennter Bereich für Menschen, die aus Europa ankommen.

© Lukas Hensel

Coronapandemie: „Chinesen fliehen jetzt vor Europa“

Der in China arbeitende Ökonom Lukas Hensel über seine Erfahrungen bei seiner Rückkehr nach Peking. Ein Interview

In China scheint sich die Lage knapp drei Monate nach Ausbruch der Coronaepidemie zu entspannen. Am heutigen Mittwoch soll die Ende Januar verhängte Abriegelung der Provinz Hubei mit Ausnahme der Provinzhauptstadt Wuhan weitgehend aufgehoben werden. Die Tage, an denen die Behörden keine – bis auf von außen ins Land gekommene – neuen Krankheitsfälle melden, häufen sich. Am 26. Februar meldete die WHO erstmals mehr Neuinfektionen außerhalb Chinas als innerhalb, mittlerweile ist Europa das Zentrum der Pandemie.

Lukas Hensel ist Ökonom und arbeitet als „Postdoctoral Research Fellow in Development Economics“ an der Universität Oxford. Der 31-jährige Deutsche lebt mit seiner Frau in Oxford und in Peking.

Herr Hensel, Sie sind letzten Mittwoch mit Ihrer Frau zusammen von London-Heathrow nach Peking zurückgeflogen. War im Flugzeug denn jeder Platz belegt?

Ja. Ich glaube ich war der einzige Nicht-Chinese im Flugzeug. Die Chinesen fliehen jetzt vor der Situation in Europa.

Sie wussten, dass Sie in China zwei Wochen in Quarantäne müssen.

Wir haben ein paar Brett- und Konsolenspiele gekauft. Ich hatte ein bisschen Desinfektionsmittel dabei, was ich sonst nicht habe. Außerdem haben wir am Flughafen in Heathrow Schutzmasken angezogen, die meine Frau noch aus China mitgebracht hatte

Sie haben auf Twitter über Ihre Reiseerfahrungen berichtet. In einer der Nachrichten haben Sie geschrieben, je näher Sie am Flugzeug waren, desto höher war die Dichte der Masken.

In Europa wird man komisch angeschaut, wenn man Masken trägt. In China ist es andersrum. Deshalb haben wir unsere auch erst in Heathrow angezogen und nicht schon im Bus dorthin. Im Flugzeug wurden wir dann dazu aufgefordert, Masken zu tragen.

Wie war die Ankunft in Peking?

Wir mussten über eine Stunde im Flugzeug warten und wurden dann in kleinen Gruppen rausgelassen. Uns war klar, dass es hier sehr strikt sein würde. Im Flughafengebäude kamen wir in einen abgetrennten Bereich für Personen, die aus Europa kommen. Wir mussten detaillierte Gesundheitsformulare ausfüllen und die wurden auch genau kontrolliert.

Wurde Ihr Gesundheitszustand überprüft?

Unsere Temperatur wurde mit Infrarotpistolen auf der Stirn oder am inneren Handgelenk gemessen. Das hat die Airline schon in Heathrow gemacht. Während des Fluges haben sie das auch zwei Mal gemacht und bei der Ankunft dann nochmal zwei Mal. Außerdem wurde unser Gepäck desinfiziert. Wir mussten ewig darauf warten.

Lukas Hensels Mitreisende im Flugzeug nach Peking.
Lukas Hensels Mitreisende im Flugzeug nach Peking.

© Lukas Hensel

Konnten Sie dann nach Hause fahren?

Wir wurden in eine große Messehalle gebracht, wo dann alle in die Quarantäne verteilt wurden. Mitarbeiter in Ganzkörperschutzkleidung haben uns in Wohndistrikte unterteilt und dann hat uns jemand nach Hause gefahren. Die waren vermutlich vom „Center for Disease Control“. Es muss sehr teuer sein, das alles am Laufen zu halten.

Seitdem dürfen Sie das Haus nicht verlassen.

Wir haben bei unserer Distriktmanagerin auch noch was zur Quarantäne unterschrieben, wo nochmal drin stand was wir machen dürfen und was nicht.

Was passiert, wenn Sie das Haus doch verlassen?

Keine Ahnung. Nichts Positives. Es würde schnell bemerkt werden und wir würden uns strafbar machen.

Wie geht es Ihnen in der Quarantäne?

Es geht eigentlich. Es ist nur schade, dass wir nicht rauskönnen, weil das Wetter gerade schön ist.

Woher bekommen Sie Essen?

Wir bestellen online bei Supermärkten oder Restaurants. Die liefern das dann an unseren Distrikt und die Distriktmanagerin holt das Essen ab und stellt es vor unsere Tür. Wir bezahlen online über „WeChat“ – die App, die man hier zum Chatten und Bezahlen verwendet. Als wir angekommen sind, haben wir im Supermarkt bestellt und hatten nach 90 Minuten das Essen im Apartment.

Macht China in Bezug auf das Coronavirus etwas besser als Deutschland?

Die Länder sind in unterschiedlichen Stadien des Virusausbruchs. In China ist das schlimmste vorbei. Dementsprechend ist es sehr vernünftig, dass alle, die ins Land kommen, unter strenge Quarantäne gestellt werden. Ich denke, beide Regierungen machen im Großen und Ganzen eine gute Arbeit.

Lukas Hensel.
Lukas Hensel.

© privat

Wo fühlen Sie sich sicherer?

In China.

Fehlt in China auch Toilettenpapier?

Ich glaube nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Leute hier daran gewöhnt sind, online einzukaufen. Sie wussten, dass sie auch in Quarantäne problemlos Sachen bestellen können.

In China wird nicht gehamstert?

Ich glaube, im Augenblick würde man hier alles bekommen. Masken waren das einzige, das sich Menschen eine Zeit lang viel gekauft haben. Inzwischen sind aber wieder genügend da.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung im Vergleich zu Deutschland?

Die Leute sehen die Coronakrise hier als gemeinschaftlichen Kampf an. Menschen in Quarantäne werden unterstützt, die Notwendigkeit der Maßnahmen wird akzeptiert. Es würde sich auch niemand aktiv dem Staat widersetzen und sich zum Beispiel in großen Gruppen treffen. Außerdem herrscht ein großer sozialer Druck.

Gibt es ein schlechtes Gewissen bei Chinesen, weil das Virus seinen Ursprung in China hat?

Nicht, dass ich wüsste. Aber die Leute haben hier Mitgefühl mit anderen Ländern, die sehr mit dem Virus zu kämpfen haben.

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