zum Hauptinhalt
Selbst wenn sie bei Detlev Schulz zu Besuch ist, lebt Samira in Angst. Darum will sie nur von hinten fotografiert werden.

© Thilo Rückeis

Ein Flüchtlingsschicksal in Berlin: Samira, Detlev und das Unglück

Sie sehnt sich nach ihrer Familie, irrt durch die Stadt. Detlev Schulz nimmt die 18 Jahre alte Afghanin Samira als Tochter an – und ihre Sorgen werden seine.

Warum Samira seine Tochter sein wollte, kann Detlev Schulz bis heute nicht erklären. Er weiß nicht, warum die damals 17-Jährige Vertrauen zu ihm fasste, schon in der ersten Nachhilfestunde, im Herbst 2017. Warum die Afghanin ihn bat, ihre Vormundschaft zu übernehmen, ihm ihre Sorgen anvertraute, ihn in die Abgründe ihres Lebens blicken ließ.

„Samira hat mal gesagt: Es waren meine Augen“, sagt Detlev Schulz.

Eigentlich wollte Schulz nie Kinder haben, schon gar nicht jetzt, als Rentner, im Alter von 69 Jahren. Und doch hat er nun eine Tochter, die er liebt, die ihm aber auch viel Kummer bereitet. Samira ist im Frühjahr 2015 aus der Stadt Balch in Nord-Afghanistan geflohen, seit dem folgenden Winter lebt sie in Berlin. Angekommen ist sie aber nie, sie leidet unter dem, was sie in ihrer Heimat erlebt hat, vor allem aber unter der Trennung von ihrer Mutter und ihrer Schwester. Und Detlev Schulz hat ihren Kampf zu seinem eigenen gemacht.

Ein Donnerstag Ende Mai, Samira ist wie so oft nach der Schule in Detlev Schulz’ Wohnung in Berlin-Friedenau gekommen. Sie sitzt auf der Couch, Jeans und Turnschuhe, blaues langärmliges Hemd, die dunklen Haare hochgesteckt, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Schulz sitzt daneben, es gibt einen Grund zu feiern, am Morgen hat Samira erfahren, dass sie die Berufsbildungsreife bestanden hat, das Äquivalent zum früheren Hauptschulabschluss.

Er hat unzählige Mails geschrieben, 500 Euro für einen DNA-Test bezahlt

Seit Schulz, früher selbst Lehrer, Samira kennengelernt hat, lebt er ein anderes Leben. Der Alltag des Mannes mit den kurzen grauen Haaren und der randlosen Brille ist von der verzweifelten Anstrengung geprägt, Samira nach sechs Jahren der Trennung mit ihrer Familie zu vereinen. Er hat unzählige Mails geschrieben, an das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in der Türkei, wo Samiras Schwester Farimah und ihre Mutter Zoley auf ihrer eigenen Flucht in der Stadt Kirsehir gestrandet sind.

Er hat herumtelefoniert, Samira bei Behördengängen und Arztterminen begleitet, 500 Euro für einen DNA-Test bezahlt und ihr eine eigene kleine Wohnung besorgt. Und jeden Tag versucht er aufs Neue, Samira davon zu überzeugen, dass sie keine Schuld trifft am Unglück ihrer Familie.

Freunde raten ihm, er müsse auf sich aufpassen

Detlev Schulz findet mittlerweile selbst kaum noch Schlaf, über längere Reisen denkt er schon gar nicht mehr nach, Freunde raten ihm, er müsse auf sich aufpassen. „Aber das ist leicht gesagt“, sagt er. „Ich kann ja nicht sagen: Jetzt wird es schwer, jetzt hör ich auf.“

In den Herbstferien 2017 war Schulz von einer Bekannten gefragt worden, ob er einer ihrer Schülerinnen Nachhilfe in Mathematik geben könne, einem Mädchen aus Afghanistan. Schulz ist kinderlos und alleinstehend, seine frühere Arbeit in der Erwachsenenbildung liegt schon ein paar Jahre zurück. Mit Flüchtlingen hatte er zuvor nichts zu tun, „ich wusste überhaupt nicht, auf was ich mich da einlasse“.

"Ich denke: Mein Vater lebt. Weil ich jetzt Detlev habe"

Detlev Schulz merkt schnell, dass Samira mehr braucht als nur Mathematik-Nachhilfe. Und Samira hat das Gefühl, dass sie ihm vertrauen kann. „Ich war gleich wie eine Tochter für ihn“, sagt sie. „Ich sage jetzt nicht mehr: Mein Vater wurde ermordet. Ich denke: Mein Vater lebt. Weil ich jetzt Detlev habe.“

Zum Vatertag sind die beiden nach Weißensee gefahren, Detlev Schulz wollte ihr zeigen, wo er aufgewachsen ist. Samira hatte ihn schon Wochen zuvor gebeten, er solle sich das Datum unbedingt frei halten. Schulz sagt, der Vatertag sei für Samira „ein wichtiger Tag, ein heiliger Tag“.

Zwischen Turnschuh und Hosenbein sind Wunden zu sehen

Schon als sich die beiden kennenlernen, kämpft die junge Frau mit ihren Erinnerungen, schläft fast nie. Abends verlässt sie ihr Zimmer in einer betreuten Wohngemeinschaft, irrt nächtelang durch die Stadt. Fügt sich selbst Verletzungen zu, kratzt sich mit den langen Fingernägeln der linken Hand die Beine auf. Zwischen ihrem linken Turnschuh und dem Hosenbein sind auch heute verschorfte Wunden zu sehen. „Wenn es mir ganz schlimm geht“, sagt Samira, „dann mache ich mit Messer oder mit Schere oder mit Rasierer … mit meinen Füßen oder Beinen oder Arme oder Hände … mache ich einfach so“, sie fährt mit dem Zeigefinger über ihren Unterarm, diagonal von oben nach unten.

Der Nachhilfelehrer Schulz spürt die Not der jungen Frau. Er bietet Samira an, jederzeit zu ihm kommen zu können, verspricht ihr, dass er immer für sie da sein wird. „Ich dachte: Vielleicht gelingt es mir, ihr eine Art zweites Zuhause zu schaffen. Ich habe zumindest hingekriegt, dass sie nicht mehr durch die Stadt geistert.“ Sie gehen gemeinsam spazieren, vor Kurzem haben sie ihren neuen Grill auf dem Tempelhofer Feld eingeweiht. Samira liebt es, auf dem Markt günstig Gemüse einzukaufen. „Meist kauft sie zu viel und muss am Ende eine Menge wegschmeißen“, sagt Schulz. „Das muss sie noch lernen.“

Sie sollen Dokumente vorlegen. Viele Dokumente

Stimmung will in der sonnigen Wohnung trotz der bestandenen Prüfungen nicht aufkommen. Denn bei Samiras Antrag auf Familienzusammenführung hakt es erneut. Eine Frist der Botschaft in Ankara ist zwei Tage zuvor verstrichen, Samira und ihre Familie sollten Dokumente vorlegen, die für den Nachzug nötig sind. Zum Beispiel einen Totenschein des Vaters oder ein Urteil zum Sorgerecht für die Töchter, eine Eheurkunde der Eltern, einen Identitätsnachweis und ein psychologisches Gutachten der jüngeren Schwester. Papiere, die laut Detlev Schulz unmöglich zu besorgen sind.

„Als die Mail kam, bin ich fast ausgeflippt“, sagt Schulz. „Ich habe den Eindruck, die sitzen da zusammen und überlegen: Was können wir von denen noch einfordern?“ Lange Zeit hat er sachlich und höflich mit dem Auswärtigen Amt korrespondiert, nun haben seine Mails einen anderen Ton, er schreibt über die Unterschiede zwischen barbarischem und zivilisiertem Verhalten, über hartherzige Beamte, die Menschen das Leben zur Hölle machen. „Man kriegt eine ziemliche Wut.“ Er sei am Ende seiner Kräfte.

Die Mutter sagte: Geh in ein gutes Land

Dabei will er doch stark sein, weil Samira ihn braucht. Die beiden sprechen Deutsch miteinander, Samira hat einen starken Akzent und einen begrenzten Wortschatz. Sie kann aber gut verständlich davon berichten, dass ihr Vater ermordet wurde, als sie noch ein Kind war, ihr Onkel fortan über die Mutter und die vier Schwestern bestimmte. Dass zwei ältere Schwestern verschleppt wurden, dass auch ihr im Alter von 14 Jahren eine Zwangsheirat mit einem 60 Jahre alten Mann drohte, dass ihre Mutter sie deshalb fortschickte. „Sie hat gesagt: Geh in ein gutes Land“, sagt sie mit ruhiger Stimme. „Ich habe gedacht: Vielleicht sehe ich meine Mutter einen Monat nicht, vielleicht zwei Wochen. Ich war ein Kind.“

Seit jenem Moment hat sie ihre Mutter nicht wieder gesehen.

Sie hat Angst, auch in Berlin aufgespürt zu werden

Pakistan und Iran, Fußmärsche und Viehtransporter, sie erreicht die Türkei. Hier will sie eigentlich bleiben. Doch Mittelsmänner ihres afghanischen Freiers spüren sie auf und bedrohen sie. Samira fürchtet sich auch heute noch vor Rache, deswegen soll ihr vollständiger Name nicht in der Zeitung stehen, deshalb will sie nur von hinten fotografiert werden. Ihre Flucht geht weiter, bei der Überfahrt nach Griechenland verliert sie all ihre Papiere. Serbien, Ungarn, Deutschland. Im Winter 2015 erreicht sie Berlin.

Wenn es im Gespräch so aussieht, als sei jedes weitere Wort eine zu große Last für die 18-Jährige, fasst Detlev Schulz sie sanft am Ellbogen, „alles gut, Sami“.

"Diese Welt bringt für mein Leben immer Scheiße"

Dann spricht Samira darüber, wie es ihr in Berlin geht und wie sie sich ihre Zukunft vorstellt. Ihre Stimme wird lauter, sie redet schneller, spuckt die Worte förmlich aus. „Ich habe keine Zukunft. Momentan sehe ich gar keine Zukunft“, sagt sie. „Wenn meine Mutter und meine Schwester nicht kommen, dann möchte ich nicht leben. Dann ist es besser tot zu sein. Meine Geduld ist fertig. Mein Kopf ist leer.“ Sie gehe jeden Tag zur Schule, könne sich aber nie konzentrieren. Sie habe zwar eine Wohnung, könne bald eine Ausbildung machen, „aber immer Stress, immer Stress, keine gute Zukunft, gar nix, gar nix“, sagt Samira. „Diese Welt bringt für mein Leben immer Scheiße. Es ist besser, nicht zu leben.“

Samira verstummt, der Blick von Detlev Schulz geht ins Leere.

Was die Nachbarn denken? Er weiß es nicht

Er ist ihre wichtigste Bezugsperson, die beiden kochen und essen oft zusammen. Oder er sitzt auf dem Balkon und liest ein Buch, sie liegt auf der Couch, in ihr Smartphone vertieft. Wenn Samira ihn besucht, sei sie oft fröhlich und albern. „Sie kennt sich in meiner Wohnung besser aus als ich selbst. Es ist wirklich so, als wäre sie meine Tochter“, sagt Schulz. „Das ist natürlich absurd. Ich weiß nicht, was die Nachbarn denken.“ In seinem Wohnhaus weiß nur eine Familie, was es mit den Besuchen der jungen Frau auf sich hat, „mir fällt es schwer, darüber zu sprechen“.

Samiras heitere Phasen wechseln sich mit regelrechten Zusammenbrüchen ab. „Sie hat zwei Modi“, sagt Schulz. „Bei dem einen denkt man, das Kind hat überhaupt kein Problem. Und dann schaltet sie um, auf was anderes.“

Normalerweise sind sie heiter, "aber das ist nur die Oberfläche"

Einmal sitzt Detlev Schulz in seinem Sessel und schaut sich im Fernsehen die Nachrichten an, mit Kopfhörern, um Samira nicht zu stören, gerade haben sie noch gekocht und abgewaschen. Erst nach einer Weile merkt er, dass Samira auf der Couch weint und weint und auch nicht aufhören kann, als er sie trösten will. „Normalerweise ist es hier recht heiter, aber das ist nur die Oberfläche“, sagt er. „Darunter sieht es ganz anders aus.“

In Nord-Afghanistan, hier die Umgebung von Masar-i-Sharif, hat Samira keine Kontakte mehr. Oft will sie trotzdem zurück dorthin.
In Nord-Afghanistan, hier die Umgebung von Masar-i-Sharif, hat Samira keine Kontakte mehr. Oft will sie trotzdem zurück dorthin.

© Farshad Usyan/AFP

Kurz nach ihrem Kennenlernen scheint sich Samiras Schicksal zu wenden. Über einen Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes findet sie heraus, dass ihre Mutter und ihre Schwester in Kirsehir in der Türkei leben. Sie hatten sich zur Flucht entschlossen, nachdem der Onkel die Mutter mit einem Messer am Bauch verletzt hatte – anscheinend um sie dafür zu bestrafen, dass sie Samira fortgeschickt hatte. So steht es auch in einem Bericht, den ein Betreuer des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR angefertigt hat.

Die Schwester sagt: Nein, du bist nicht Samira

Samira ruft bei der Nummer an, die das DRK herausgefunden hat. „Meine Schwester hat mir bei unserem ersten Telefonat gesagt: Nein, du bist nicht Samira. Wir haben Samira verloren“, erinnert sie sich. Erst die Mutter erkennt die Stimme. Seit jenem Augenblick lebt Samira zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Anfang 2018 hilft Detlev Schulz Mutter und Schwester dabei, einen Antrag auf Familiennachzug aus humanitären Gründen zu stellen. Die Botschaft in Ankara verlangt einen DNA-Test als Beweis. „Sofern die Elternschaft nachgewiesen ist, für beide, hoffe ich, dass es sehr schnell gehen kann“, heißt es in der Mail an Detlev Schulz.

Das Institut für Rechtsmedizin der Charité führt mit Hilfe von Mundschleimhautzellen den Test durch, die Proben von Farimah und Zoley werden in der Botschaft in Ankara genommen. Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass Zoley die Mutter von Farimah und Samira ist, „beträgt unter Berücksichtigung aller hier untersuchten DNA-Systeme 99,99999999 %“, heißt es in dem Charité-Gutachten.

Wieder wächst die Hoffnung, wieder vergehen Wochen

Nach Wochen des Wartens fordert die Botschaft Mutter und Tochter auf, sich online für die Aufnahme in das per Gesetz neu eingerichtete monatliche 1000er-Kontingent für den Familiennachzug anzumelden. Wieder wächst die Hoffnung, wieder vergehen Wochen – und Samiras Zustand verschlechtert sich.

„Das große Problem, und das begreift kein Mensch: Samira ist der festen Überzeugung, dass sie ihre Familie ins Elend gestürzt hat“, sagt Schulz. „Hätte sie sich einfach verheiraten lassen, wäre ihre Mutter nicht gequält worden. Dann hätte die Familie noch ihr Eigentum. Dieses Schuldgefühl schleppt sie seit Jahren mit sich herum.“ Im Herbst 2018 versucht Samira, sich mit einer Medikamentenüberdosis das Leben zu nehmen und verbringt mehrere Tage in der Jugendpsychiatrie. Seitdem verwaltet Schulz Samiras Tabletten.

Panikanfälle und Angststörungen

Bei der Botschaft in Ankara legt Detlev Schulz vier Atteste und ärztliche Stellungnahmen vor. Darin ist von einer „posttraumatischen Belastungsstörung“ die Rede, von „schweren depressiven Episoden mit psychotischen Symptomen“, von Panikanfällen und Angststörungen. „Um den psychischen Zustand der Patienten zu stabilisieren, halten wir eine Familienzusammenführung für dringendst erforderlich“, heißt es in einer Stellungnahme. Auch Samiras Schwester Farimah, die als Zwölfjährige in Afghanistan vergewaltigt wurde, hat da schon einen Selbstmordversuch hinter sich.

Im September 2018 schreibt das Auswärtige Amt an Detlev Schulz, bezüglich des 1000er-Kontingents habe es ein Missverständnis gegeben, Samira sei als anerkannter Flüchtling im Besitz eines Aufenthaltstitels, ihre Angehörigen kämen deswegen für das Kontingent gar nicht infrage. Anzuwenden sei Paragraf 36, Absatz 2, des Aufenthaltsgesetzes.

Ohne Identitätsnachweis kann kein Nachzug erfolgen

Nun verlangt die Botschaft von der Mutter Zoley einen afghanischen Identitätsnachweis, eine so genannte „Tazkira“. Es gelingt der Familie, eine Tazkira zu beschaffen, Schulz kümmert sich um die Übersetzung. Die Botschaft in Ankara zweifelt die Echtheit des Dokuments jedoch an und verlangt, die Tazkira „legalisieren“ zu lassen, zunächst in der afghanischen Botschaft in Ankara, dann im afghanischen Konsulat in Istanbul. Schwester und Mutter machen sich auf den Weg durch die Türkei. Beide Vertretungen sehen aber keinen Anlass, aktiv zu werden, die Tazkira sei echt, eine schriftliche Bestätigung dieser Tatsache sei nicht ihre Aufgabe. Ende April 2019 schreibt die Deutsche Botschaft in Ankara, der Tod des Vaters sei nicht offiziell bewiesen, es würden weiterhin Tazkiras für Mutter und Schwester sowie Reisepässe fehlen. Sofern die Identität nicht nachgewiesen sei, könne kein Nachzug erfolgen.

„Die machen Vorschläge, die sind abenteuerlich“, sagt Schulz, der sonst so ruhige Mann bebt fast vor Zorn. „Nur um Zeit zu gewinnen. Oder damit man entnervt aufgibt. Oder kein Geld mehr hat. Das ist ihre Masche. Ein übles Spiel.“

Er hat eine Horrorvorstellung

Das Auswärtige Amt teilt auf Anfrage mit, man habe durchaus Verständnis dafür, dass es schwierig sei, die notwendigen Dokumente vorzulegen. Aber auf wesentliche Unterlagen könne man „auch nicht im Wege des Ermessens oder auf der Grundlage eines Beurteilungsspielraums aus humanitären Gründen verzichten“.

Detlev Schulz hat eine Horrorvorstellung: Die kranke Mutter stirbt, Farimah ist in der Türkei allein. „Und kann nicht zu Samira kommen, weil die deutschen Behörden glauben, dass der Vater irgendwo noch am Leben ist“, sagt er. „Was der blanke Wahnsinn ist.“

Detlev Schulz hofft auf politischen und öffentlichen Druck, unter den vielen Briefen, die er verschickt hat, sind auch Schreiben an Außenminister Heiko Maas, ans Kanzleramt, ans Familienministerium, an den Petitionsausschuss des Bundestags. Die Frist für die Nachreichung der Antragsdokumente, teilt das Auswärtige Amt immerhin mit, habe man „aktuell ausgesetzt“.

Sie will zurück, er will es ihr ausreden

Auch wenn Detlev Schulz es ihr noch so oft auszureden versucht: Samira überlegt, zurück nach Afghanistan zu gehen. Obwohl sie dort keine Kontakte mehr hat und womöglich in Gefahr ist. „Ich wollte nicht hierher kommen, meine Mutter wollte das“, sagt sie. Auf die Frage, wo sie sich zuhause fühlt, antwortet Samira lange gar nicht, dann sagt sie, fast tonlos: „Was meinen Sie?“

Manchmal streiten sich Schulz und Samira, wie es Väter und Töchter nun einmal tun. Er verliert schnell die Geduld, wenn sie sich beim Deutschlernen keine Mühe gibt. Dabei hat er ihr doch ein Wörterbuch gekauft! Und mit ihr verabredet, dass sie jeden Tag drei neue Wörter lernt. Wenn er sich ärgert, lässt er Samira mit ihren Hausaufgaben einfach sitzen. „Aber du bist doch mein Vater!“, hat sie da einmal zu ihm gesagt. Weil er sauer war, rutschte ihm heraus: „Ja, aber nicht mehr lange.“ Samira sei wie versteinert gewesen. So etwas, sagt Detlev Schulz, dürfe ihm nie wieder passieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false