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Ob das Ungeborene Trisomie hat, könnten manche Schwangere bald auf Kosten der Krankenkasse mit Hilfe eines Bluttests abklären lassen.

© Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa

Erbgut-Check auf Trisomie: Sind Bluttests selbstverständlich – oder führen sie zu weit?

Am Donnerstag fällt eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen: Es geht um die Frage, ob Krankenkassen Bluttests auf das Down-Syndrom bezahlen sollen.

Mit nur ein paar Milliliter Blut einer Schwangeren können Gentests mittlerweile vorhersagen, ob eine Schwangere ein Kind mit Trisomie 21 austrägt, dem Down-Syndrom. Bislang müssen Frauen, die diesen Test in Anspruch nehmen wollen, die Kosten von einigen hundert Euro noch selbst tragen. Am Donnerstag jedoch wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) darüber entscheiden, ob diese „Nicht-invasiven Pränataltests“ (NIPTs) künftig von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Allein dass das erwogen wird, hat eine emotionale Debatte ausgelöst, die sogar den Bundestag erreicht hat – der trotz der Aufforderung des G-BA, sich mit den ethischen Implikationen zu befassen, bislang jedoch zu keinem Ergebnis gekommen ist.

Ein risikoloser Test ist einem risikobehafteten vorzuziehen

Mit kühlem Kopf betrachtet muss eigentlich jedem klar sein, wie der G-BA entscheiden wird: Wenn die neuen Tests ohne Risiko für Mutter und Kind vorhersagen können, dass ein noch ungeborenes Kind eine Behinderung bekommen wird, sind sie Methoden vorzuziehen, die ein Risiko bergen. Tatsächlich beträgt das Fehlgeburtsrisiko der Fruchtwasseruntersuchung, bei der mit langer Nadel ein Stich durch den Bauch einer Schwangeren gemacht wird, etwa 0,5 bis ein Prozent – genau wie das der Chorionzottenbiopsie, bei der auf dem Weg durch die Vagina einige Zellen aus dem Mutterkuchengewebe abgerissen werden. Beides wird nicht nur schon lange praktiziert, sondern auch von den Kassen bezahlt.

Rein technisch gesehen wird der G-BA, der in erster Linie den Zusatznutzen von Medikamenten, Therapeutika oder Diagnostika abzuschätzen hat, also gar nicht anders können, als NIPTs zu empfehlen. Ebenso sicher ist, dass nicht jede, sondern nur solche Schwangere ab 35 den Test erstattet bekommen werden, bei denen durch vorherige Untersuchungen, etwa per Ultraschall, ein Verdacht auf eine Risikoschwangerschaft begründet werden kann. Der Gentest in der Schwangerschaft soll also nicht wie etwa in den Niederlande zum selbstverständlichen Standard werden oder gar dazu dienen, jegliche Trisomie-21-Kinder zu verhindern.

Doch selbst dem Unparteiischen Vorsitzenden des Gremiums, Josef Hecken, ist klar, dass von der Entscheidung selbst bei sorgfältiger Einschränkung der Anwendung eine Signalwirkung ausgehen könnte: „Ich sehe die Gefahr, dass es in der Realität einen subtilen gesellschaftlichen Druck zu einem Screening geben wird.“ Dass Frauen sich also gedrängt fühlen, auch bei normal verlaufender Schwangerschaft den Test zu machen und notfalls aus eigener Tasche zu zahlen. Es müsse eine gesellschaftliche Diskussion geben, wie das zu vermeiden sei.

Kein Dammbruch abzusehen

Dafür dürfte auch noch nach der Entscheidung am Donnerstag Zeit sein. Denn bevor die Tests erstattet werden können, muss das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erst die „Versicherteninformation“ vorlegen, die erst im 2. Quartal 2020 fertig werden soll.

Bis dahin kann etwa die Frage diskutiert werden, ob mit der Erstattung der NIPTs zum Nachweis einer Trisomie 21, 18 oder 13 wie bislang geplant der „Damm gebrochen“ ist, künftig diverse andere Gen- oder Erbgutveränderungen zu überprüfen – der Erbgutcheck für Embryos, der dann viele Abtreibungen von nicht leistungsgesellschaftskompatiblem Leben nach sich zieht, wie es vor allem kirchliche Institutionen befürchten.

Dirk Biskup, Geschäftsführer des einzigen deutschen NIPT-Anbieters „Cenata“, sieht dieses Problem nicht. Denn während die Trisomien noch recht häufig in der Bevölkerung vorkommen, ist das für die meisten anderen Erberkrankungen anders. „Wenn man solch eine Erkrankung hat, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:50 000 vorkommt, und einen durchaus guten Test, der nur bei einem von 1000 Patienten einen Fehler macht, also die Krankheit irrtümlich (falsch positiv) diagnostiziert, führt der Test in 49 von 50 Fällen zu einem falsch-positiven Ergebnis.“

Solche NIPTs anzubieten, hält Biskup für unseriös. Das führe zu Verunsicherungen und invasiven, womöglich schädlichen Eingriffen bei den Schwangeren. „Für ein Problem, dass es in Deutschland vielleicht bei zehn Schwangeren pro Jahr gibt, sollte man nicht bei tausenden von Kindern eine invasive Untersuchung riskieren“, sagt Biskup. Solche Tests würden auch die medizinischen Fachgesellschaften nicht empfehlen. Und sicher auch nicht der G-BA.

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