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Auf dem Sprung. Laut einer Umfrage vom vergangenen Wochenende wollen 55 Prozent der Briten beim Referendum am 23. Juni für einen Austritt aus der Europäischen Union stimmen.

© REUTERS

Großbritannien und die EU: Klinken putzen für den Brexit

Andy Wall zieht vor dem britischen Referendum für die Brexit-Kampagne von Tür zu Tür. Im Südosten von England, wo sich Insel und Kontinent am nächsten sind. Unser Blendle-Tipp.

Sag’ einfach Andy, sagt Andy. Andrew Wall hat die Aktion mit dem politischen Klinkenputzen auf fünf Uhr mittags vorverlegt, weil er am Abend noch einen Gig in einem Country Pub hat. Sein Kontrabass liegt schon im Kofferraum. Andy ist als Musiker mehr als 25 Jahre mit den britischen Marines um die Welt gefahren. Er hat bei Nato-Manövern gespielt und wenn Schiffe eingeweiht wurden, in Moskau und St. Petersburg. Er hat später Psychologie studiert und als Sozialarbeiter gearbeitet. Er ist früh in Rente gegangen und mit seinen 59 Jahren kann ihn nun jedermann mit Band und Kontrabass für Pub-Gigs und Hochzeiten buchen.

Aber seit drei Monaten hat sein Leben eine ungeahnte Beschleunigung erfahren. Seitdem Andy Wall die Aktionen der „Vote-Leave“-Kampagne für den Austritt Englands aus der EU organisiert, schreibt er bis sechs Uhr morgens E-mails. Er koordiniert Freiwillige, Posterlieferungen, Straßenstände und Klingelkommandos.

Im ganzen Land finden vor dem Referendum am 23. Juni jeden Tag Aktionen statt: Eine Wahlwerbung an der Haustür, ein Kampagnentreffen, alles von freiwilligen, überparteilichen Aktivisten organisiert. Aber im Südosten, in Folkestone in der Grafschaft Kent, wo England und Europa sich am nächsten sind, konzentrieren sich die Ausstiegswilligen. Folkestone, wo der Eurotunnel ankommt, ist nur 32 Kilometer vom Kontinent entfernt. Die Strecke ist so kurz, die sind Leute schon geschwommen. Seit bald 300 Jahren wird hier in Sichtweite Frankreichs über das Verhältnis zu Europa nachgedacht, spätestens seit 1753 ein Franzose eine bauliche Verbindung vorschlug.

Seit 1994 hat sich England mit dem Tunnel eine ständige Verbindung zu Europa gelegt, wie man in einen Körper einen Port legt, um Medikamente hineinzuschicken. Im Takt der Züge pulsen Festland-Europäer ins Land. Sollten die Briten sich per Referendum auch herauswählen aus der EU, wird die physische Verbindung bestehen bleiben. Quasi subkutan.

Erschienen sind um kurz nach fünf Uhr in der Wohngegend Folkestone Ost, am Treffpunkt in der Dolphins Road, folgende freiwillige Wahlkämpfer:

Michelle, 1,75 Meter Patriotismus in Ugg-Boots. Sie ist 35 Jahre alt, erzieht vier Kinder allein und hat ein eigenes, voll ausgestattetes Nagelstudio in ihrem Wohnzimmer. Elizabeth, eine zarte, 66-jährige Wählerin der UK Independence Party (Ukip), die weiße Handschuhe trägt und mit so leiser Stimme spricht, dass alles, was sie sagt, wie eine Bitte klingt. Paul mit rot geädertem Gesicht und Beutel über der Schulter. Und Peter, mit einer verbindlichen, offenen Ausstrahlung, dem man jederzeit einen Teppich abkaufen würde. Tatsächlich war er früher ...

Den vollständigen Text lesen Sie hier, für 45 Cent im digitalen Kiosk Blendle.

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