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Keiner von der Stange. Daniel Kübelböck polarisiert und provoziert: sowohl Fanpost wie Morddrohungen.

© Breuel-Bild/Daniel Hinz

Let's Dance: Daniel Küblböck versucht das Comeback

Übernommen? „Hab ich mich noch nie!“, sagt Daniel Küblböck. Jetzt wagt er sich mit „Let’s Dance“ zurück in die TV-Öffentlichkeit. Dass er dafür nur wenig Talent mitbringt, stört ihn nicht. Die unausweichliche Häme schon. Warum tut er sich das an?

Otlile Mabuse wusste nicht, auf was sie sich einließ. Oder besser: auf wen. Mabuse wuchs in Pretoria auf, zog vor zwei Jahren nach Deutschland, wurde professionelle Tanzlehrerin in Nürnberg. Sie hatte keinen Schimmer von deutschen Castingshows, TV-Promis, Gurkenlaster-Kollisionen.

Als das Angebot kam, einem gewissen Daniel Küblböck Standard- und Lateintänze beizubringen und dann gemeinsam in einer Fernsehshow aufzutreten, erklärte man ihr bloß, Herr Küblböck sei Musiker. Da freute sich Otlile Mabuse. Sie dachte: „Musiker können sich im Takt bewegen, da muss ich immerhin nicht bei null beginnen.“ Heute ist sie klüger.

Donnerstagmorgen in Wilmersdorf, eine Seitenstraße des Kurfürstendamms. In einem Hinterhof ist eine Kfz-Werkstatt untergebracht, daneben das Studio „Royal Dance Berlin“. Drinnen wartet Otlile Mabuse auf ihren prominenten Schüler, es bleiben nur wenige Tage bis zum Staffelstart von „Let’s Dance“ an diesem Freitag. Beim ersten Treffen habe Küblböck ihr versichert, er sei bereits recht versiert, so tanztechnisch, sagt Mabuse. Da stockt sie und hebt die Brauen. Sie unterrichte nun jedenfalls einen totalen Anfänger, sagt sie.

13 Jahre ist es her, dass Daniel Küblböck unerwartet berühmt wurde. Als Paradiesvogel, als schräger Daniel. Exot in einer neuartigen Show namens „Deutschland sucht den Superstar“. Er kam auf den dritten Platz, dann an die Spitze der Charts, in Deutschland und in Thailand. Er polarisierte mit seiner androgynen Erscheinung, den Zottelhaaren, den schauderhaft bunten Klamotten plus wenig akkuratem Gesang. Aus dem Rahmen zu fallen ist keine Schande, so lautete die Botschaft. Küblböck war plötzlich schrille Show-Ikone, Deutschlands erste des neuen Jahrtausends. Es folgte eine Karriere, die viel über die Verfasstheit einer Branche verrät, auch über die Gesellschaft, die so eine Branche ernährt. In der Macher nicht mehr zwangsläufig diejenigen sind, die etwas erfolgreich zu Ende bringen.

Eine Geschichte wie Eichendorffs Taugenichts

Die Geschichte Daniel Küblböcks ist auch die Geschichte eines Menschen, der sich nicht unterkriegen lässt. Der ausprobiert, sich etwas zutraut, mit bester Absicht, oft scheitert. Der im Zweifel den Weg des Abenteuers wählt, ganz wie Eichendorffs Taugenichts.

Zurück ins Wilmersdorfer Tanzstudio: Auftritt Daniel Küblböck. Der Mann ist kaum wiederzuerkennen. Muskulös, Dreitagebart, rot gefärbtes, kurzes Haar, weit gedehnte Ohrlöcher. Phänotyp Mitte-Hipster. Umarmung, Küsschen. Erwachsen sieht er aus. Ist ja auch 29 inzwischen. Wo sind die Brille, die Schmächtigkeit, das unfreiwillig Komische?

Wenn Künstler sich neu erfinden, nennt man das Remodelling. Daniel Küblböck hat sich ganz gründlich geremodelt. Vor einem halben Jahr tauchte er aus der Versenkung auf, erklärte einer Zeitung, er sei nach Berlin gezogen. „Mein neues cooles Leben“, lautete die Überschrift des Artikels. Küblböck überraschte mit der Aussage, dass er im März 2015 auf Tour gehen wolle – und welche Konzerthalle er in Berlin zu füllen gedenke: das Tempodrom! Dort passen 3700 Zuschauer rein. Sehr ambitioniert für einen, von dem viele nicht wussten, dass er überhaupt noch Musik macht.

An Ambitionen hat es ihm nie gemangelt. Als er 2002 bei „DSDS“ antritt, hat er vorab nicht eine Stunde Gesangsunterricht genommen. Aber zu Hause im niederbayerischen Eggenfelden vor seiner Mama gesungen. Juror Dieter Bohlen nennt ihn in der Sendung „Kermit, den Frosch“, Küblböck fühlt sich verletzt, protestiert. Aber er gibt zu, dass er häufig die Töne nicht trifft. Er singe eben seine eigenen, die Daniel-Küblböck-Töne.

Das Studiopublikum buht ihn mehrfach aus. Einmal wehrt er sich, nimmt das Mikro und sagt: „Ich würde Sie gerne einladen: Kommen Sie nach vorne, tanzen Sie und machen Sie es besser.“

Lob und Tadel: Warum Küblböck nicht so einfach aufgibt

Keiner von der Stange. Daniel Kübelböck polarisiert und provoziert: sowohl Fanpost wie Morddrohungen.
Keiner von der Stange. Daniel Kübelböck polarisiert und provoziert: sowohl Fanpost wie Morddrohungen.

© Breuel-Bild/Daniel Hinz

Küblböck ist Anfeindungen gewohnt, er kennt Hasstiraden und Morddrohungen. Kann er denen, die ihn nicht mögen, nicht einfach egal sein, fragt er sich einmal. Kann er offenbar nicht.

Jetzt also Tanzen. Beim Training in Wilmersdorf versucht er Cha-Cha-Cha. Diplomatisch formuliert: Der Grundschritt sitzt. „Herr Küblböck, haben Sie in den letzten Tagen mal gedacht: Oh weh, da habe ich mich übernommen?“

„Ich bin keiner, der sich so schnell übernimmt und einknickt. Ich mach das einfach.“

2004 geht er ins Dschungelcamp, noch so eine neuartige Sendung damals. Küblböck liegt im Glassarg und wird mit 30 000 Kakerlaken übergossen, bekommt einen Weinkrampf, aber hält durch. Heute sagt er, die Verantwortlichen hätten ihm damals zentrale Informationen über das Format der Sendung vorenthalten. Man habe ihm lediglich mitgeteilt, dass Prominente im Dschungel an einem Lagerfeuer säßen und die Zuschauer dadurch Gelegenheit bekämen, „so ein bisschen die Persönlichkeiten kennenzulernen“. Klang gut, und Küblböck dachte sich wieder: „Okay, mach ich da jetzt einfach mal mit.“ Als die ersten Kakerlaken auf ihn niederprasselten, sei er „völlig perplex“ gewesen.

So ist das im System Küblböck. Wo er auftaucht, gilt er als Paradiesvogel. Im Nachhinein wirkt er eher, noch ein Tiervergleich, wie ein geprügelter Hund.

Sein Film gilt als einer der schlechtesten aller Zeiten

Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs will Daniel Küblböck einen Film drehen. Er spielt darin die Hauptrolle, nämlich sich selbst. Das halbdokumentarische Werk heißt „Daniel, der Zauberer“ und wirkt so stümperhaft, als handele es sich um eine Produktion des offenen Kanals Eggenfelden. „Jede Einstellung umweht ein Hauch totaler Verzweiflung“, urteilt der Filmkritiker Nils Bokelberg. Die meisten Kinos setzen den Film schon in der ersten Woche ab, insgesamt sehen ihn keine 14 000 Menschen. Die „Internet Movie Database“ führt ihn zeitweise als schlechteste Produktion, die je gedreht wurde.

Egal. Daniel Küblböck, das deutsche Stehaufmännchen.

Otlile Mabuse, die Tanzlehrerin, unterrichtet sonst Kinder, ab sechs Jahren aufwärts. Worin besteht wohl der Unterschied, Kinder oder Daniel Küblböck zu trainieren? Na, den Kindern könne sie knallhart sagen, was die alles falsch machten, und dann später loben, wenn sie sich gebessert haben, sagt Mabuse. Bei Daniel müsse sie stets mit Lob beginnen, mit etwas Positivem, um ihn zu motivieren. Und um anschließend zu sagen, was er vielleicht noch besser hinkriegen könne.

Im Lauf der Jahre probiert Küblböck diverse Musikgenres durch. Nach einer langen Popphase steigt er zwischenzeitlich auf Jazz um. Er geht auch zu „Big Brother“. Er versucht es mit einem eigenen Comic. Küblböck verkörpert darin einen Superhelden. Nach drei Monaten wird die Reihe „Super-Dan“ eingestellt.

2014 möchte Daniel Küblböck für Deutschland beim Eurovision Song Contest antreten. Um das zu dürfen, muss er erst den deutschen Vorentscheid gewinnen. Um dort starten zu können, muss erst seine Bewerbung angenommen werden. Das passiert nicht. Noch schlimmer: Küblböck erhält nicht mal eine Absage. Das ärgert ihn. Wie auch das Klima in Deutschland, das Menschen vom Verfolgen eigener Träumen abhalte, von den großen Projekten. In den USA werde gelobt, wer sich etwas vornehme.

Gut investiert: Warum Geld für Küblböck keine Rolle spielt

Keiner von der Stange. Daniel Kübelböck polarisiert und provoziert: sowohl Fanpost wie Morddrohungen.
Keiner von der Stange. Daniel Kübelböck polarisiert und provoziert: sowohl Fanpost wie Morddrohungen.

© Breuel-Bild/Daniel Hinz

Finanzielle Sorgen hat er keine. Ein Steuerberater gab ihm früh den Tipp: Investieren Sie in Solaranlagen. Die rot-grüne Bundesregierung hat damals gerade Subventionen versprochen. Küblböck hört auf den Rat und gründet ein Unternehmen, die „Positive Energie GmbH“. Hat sich ausgezahlt, sagt er heute. Die Subventionen sind auf 20 Jahre sicher. Außerdem hat sich der Sänger zwischenzeitlich von einer Millionärin adoptieren lassen, heißt seitdem offiziell Daniel Kaiser-Küblböck. Auf das Künstlerleben mit all seinen Versuchen, den Niederlagen und auch Demütigungen mag er dennoch nicht verzichten.

Die Frage ist, warum eigentlich?

Vielleicht hilft ein Blick in seine Autobiografie. Die hat er bereits 2003, im Alter von 18 Jahren, veröffentlicht. Sie heißt „Ich lebe meine Töne“ und wird längst nicht mehr verlegt, wer sie kaufen möchte, muss ins Antiquariat. Küblböck beschreibt darin ausführlich seine schwierige Kindheit, Probleme mit Mama und Papa, das Anderssein, Außenseitertum. Und er erklärt auch, warum er ins Showgeschäft wollte. Nämlich nicht, um ein Star zu werden. Auch nicht aus Geldgier. Er schreibt: „Ich bin geil darauf zu zeigen, was in mir steckt.“

Küblböck ist ein Produkt des Privatfernsehens. Und er hat es selbst mitgeformt. Vermutlich ist eine Prominenten-Tanzshow wie „Let’s Dance“ überhaupt nur denkbar, weil es Typen wie Daniel Küblböck gibt, die keine Angst vor dem Fiasko haben. Weil sie wissen, dass es danach weitergeht und dass Scheitern kein Stigma ist. Jeder blamiert sich, so gut er kann.

Wenn ein Prominenter heute ins Abseits gerät, dann nicht wegen seiner Ausrutscher, sondern trotz.

Der denkwürdigste Tag seiner Karriere: der 24.2.2004

Der denkwürdigste Tag seiner Karriere, vielleicht der bedeutendste, ist dann konsequenterweise auch jener 24. Februar im Jahr 2004. Daniel Küblböck fährt in Niederbayern auf der Landstraße in einem Opel Astra und kollidiert mit einem Laster, der tausende Gurkengläser transportiert. Vollschaden. Der Unfall schafft es in die Tagesschau. Später stellt sich heraus, dass Küblböck nicht nur schuld ist, sondern gar keinen Führerschein besaß. Über den Sänger ergießt sich Häme – aber er wirkt auch grundsympathisch, denn er ist einer, der weitermacht. Es spricht vieles dafür, dass sich Küblböck-Fans noch an den Gurkenlaster erinnern werden, während der Auftritt im Dschungelcamp bereits vergessen sein wird.

In Daniel Küblböck hat sich materialisiert, was Christoph Schlingensief schon Ende der 1990er Jahre postulierte: „Scheitern als Chance“.

Aber da ist ja noch die Tour. Das Riesenkonzert im Berliner Tempodrom. Wenige Tage vor dem Termin, in dem Wilmersdorfer Tanzstudio, wirkt der Sänger euphorisch.

„Herr Küblböck, wie läuft der Kartenvorverkauf? Wird es denn voll?“

„Und wie! Das Konzert ist sogar ausverkauft.“

Eine Sensation, denkt man. Ein Triumph. Doch wie sich dann herausstellt, handelt es sich gar nicht um das große Tempodrom mit 3700 Plätzen, sondern um die kleine Halle daneben, 500 passen rein. „Aber nächstes Mal“, sagt Küblböck“, „buchen wir dann die große“.

Der Text erschien auf der Dritten Seite des gedruckten Tagesspiegels.

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