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Donald Trump im TV-Duell.

© AFP

Republikaner Donald Trump: Der Demagoge

Er sei geschmacklos, gemein, verlogen – nur eines hat Donald Trump bislang keiner unterstellt: dass er ernst zu nehmender Kandidat der Republikaner werden könnte. Doch die Schwäche der anderen macht ihn immer stärker.

Zehn konservative Männer in schwarzen Anzügen stehen hinter zehn Mikrofonpulten in einer Arena. Alle haben sie ihre Statements auswendig gelernt. „Ist einer auf der Bühne, der nicht geloben will, nicht als unabhängiger Kandidat anzutreten?“, fragt der Moderator die republikanischen Bewerber zum Auftakt der Debatte. In der Bühnenmitte hebt sich eine einsame Hand. „Sie verstehen schon richtig?“, hakt der Moderator des Fernsehsenders „Fox“ nach. Ja, er habe die Frage verstanden, versichert Donald Trump. Nur: „Ich kann nicht sagen, dass ich den nominierten Kandidaten unterstütze, wenn ich es nicht bin.“ Es gibt vereinzelte Buhrufe, aber die „Quicken Loans“- Halle, in der die Massen sonst den Königen des Basketballs zujubeln, gehört nun ihm. Trump zieht das Publikum in den Bann, bevor seine Kontrahenten auch nur den Mund aufmachen.

Man darf über Donald Trump, 69, vieles behaupten. Er hält sich nicht an die Regeln (im republikanischen Nominierungsprozess). Er ist ein Demagoge („Die mexikanische Regierung schickt Vergewaltiger und Drogen in die USA“). Er schummelt („Ich besitze zehn Milliarden Dollar“, Beobachter gehen von 2,9 Milliarden aus). Er verwechselt die Kategorien („Ich bin reich, ich besitze Golfplätze. Ich möchte US-Präsident werden“). Trump ist geschmacklos und gemein (Über den konservativen Kommentator Charles Krauthammer, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sagte er: „Er sitzt nur rum“). Eines hat man ihm jedoch bisher nie unterstellt: dass er ein ernsthafter republikanischer Präsidentschaftskandidat sein könnte.

Als der Immobilien-Milliardär den Amerikanern im Mai seine Kandidatur verkündete, waren sich alle Beobachter einig: Die Trump-Show wird nur ein kurzes, wenn auch bizarres Gastspiel sein. Sie haben sich verschätzt. Am Donnerstagabend hat in Ohio die heiße Phase des innerparteilichen Wahlkampfs begonnen. Die zehn umfragestärksten Kandidaten traten in der ersten großen Fernsehdebatte gegeneinander an. In der Mitte der Bühne standen Jeb Bush und Donald Trump Seite an Seite. Das erste Wort gehörte aber dem Mann, der in den vergangenen Wochen bei jeder Gelegenheit gehetzt und agitiert hatte.

Völlig unerwartet schob sich der Mann mit den glänzend-blond gefärbten Haaren mit 22 Prozent an die Spitze der Kandidaten – weit vor den mit 13 Prozent zweitplatzierten Jeb Bush. Nicht nur in Europa reiben sich die Menschen die Augen und fragen: Wann war der Zeitpunkt, als aus der blonden Lachnummer das Sprachrohr einer relevanten Wählergruppe am rechten Rand geworden ist?

Die Söhne jagen gern

Wer etwas über die Familie von Donald Trump erfahren will, sollte einen Blick auf die Fotos werfen, die am Wochenende von seinen beiden Söhnen aufgetaucht sind: Donald Trump Junior, dunkelhaarig und mit Bart, steht mit einem feinen Lächeln in der afrikanischen Graslandschaft. In der rechten Hand hält er ein Jagdmesser. In der Linken baumelt der Schwanz eines Elefanten, der tot zu seinen Füßen liegt. Auch sein Bruder Eric zeigt sich in der Savanne. Die Sonne ist untergegangen, er sitzt am Lagerfeuer auf einem erlegten Wasserbüffel. Erinnerungen an einen Ausflug nach Simbabwe aus dem Jahr 2011. Eric und Donald Trump Junior, die Söhne der umstrittensten Persönlichkeit im amerikanischen Wahlkampf, sind passionierte Jäger. Die Fotos tauchten genau in jenem Moment auf, als gerade die weltweite Aufregung über den erschossenen Löwen Cecil ihrem Höhepunkt zustrebte. Wer aber glaubte, dass sie Trumps Höhenflug schaden könnten, irrte erneut.

„Ich gehöre nicht zu den überzeugten Jägern“, kommentierte der Vater die erlegten Tiere. Jedenfalls nicht zu jenen, die mit Gewehr und Safarihemd die Savanne durchqueren. Trump senior lebt sein Jagdfieber lieber mit Anzug und Krawatte aus. Und beweist dabei echten Killerinstinkt.

Hillary Clinton nennt er ein "Golden Girl"

Beim Austeilen kennt er keine Gnade. Hillary Clinton nannte er in Anlehnung an die gleichnamige TV-Serie, in der vier ältere Frauen die Hauptfiguren sind, ein „Golden Girl“. Jeb Bush sei kein echter Konkurrent, „kein Faktor“. Rick Perry, dem Gouverneur von Texas, attestierte er, mit dessen neuer Brille wirke er immerhin „intelligenter als Lindsey Graham“. Trump-Fans lieben ihn für solche Attacken.

Und sie kamen auch am Donnerstagabend nicht zu kurz, als sich auf der Bühne zwischen Trump und der „Fox“-Journalistin Megyn Kelly eine ungetrübte Feindschaft entspann. Kelly zitierte Trump, der Frauen schon als „fette Schweine“, „Hunde“ und „ekelhafte Tiere“ beschrieben hatte. Ob das denn das Temperament sei, das man vom Präsidenten der Vereinigten Staaten erwarten solle? „Das größte Problem dieses Landes“, antwortete Trump darauf knapp, „ist die Political Correctness“. Dafür sei ihm seine Zeit zu schade. Wann er denn eigentlich Republikaner geworden sei, wollte Kelly außerdem wissen, denn seine Positionen hätten sich ja erheblich gewandelt mit der Zeit. „Ich habe mich über die Jahre entwickelt – wie Ronald Reagan.“

Die Sehnsucht nach einem starken Amerika

Donald Trump im TV-Duell.
Donald Trump im TV-Duell.

© AFP

Wieder ein Punkt für Trump. Viele seiner Anhänger gehören zu einer unzufriedenen konservativen Klientel, die sich im beginnenden amerikanischen Wahlkampf von den Etablierten abgewendet hat. Jeb Bush, der Ex-Gouverneur Floridas, Präsidentensohn und -bruder, sowie Hillary Clinton, Ex-Außenministerin und Präsidentenfrau, gelten bei den Politikverdrossenen als Inbegriff des Establishments. Beide kämpfen gerade gegen die Anti-Establishment-Welle an, die von Trump immer wieder angeschoben wird. Clinton ist zwar nach wie vor die deutlich führende Kandidatin der Demokraten, doch selbst ihre Zahlen schwächeln.

Die politik- und vor allem politikerverdrossenen Wähler laufen zu Donald Trump und seinen illustren Auftritten über. Diese zehn bis 15 Prozent der US-Wähler sehnen sich nach einem, der für sie die Zeit zurückdreht. Trump nennt sie die „schweigende Mehrheit“. Ihr verspricht er ein Amerika, wie es in den 50er oder 60er Jahren noch real war: geprägt vom Gedanken an die Stärke Amerikas, unter unangefochtener weißer Vorherrschaft und im wirtschaftlichen Aufschwung. „Er sagt die Wahrheit“, glauben die Unterstützer. Niemand sonst traue sich, über das Immigrationsproblem ehrlich zu sprechen. Bei der Fernsehdebatte geben selbst seine Kontrahenten zu, er habe da einen Nerv getroffen.

Diese Minderheit fürchtet kaum einen mehr als Jeb Bush, der die Republikaner in die neue Zeit jenseits der traditionellen Dominanz des weißen Mannes führen will. Es ist diese Mischung aus rassistischem Ressentiment und sozialer Zukunftsangst, die Trump in die Höhen eines ernstzunehmenden Kandidaten hebt. Seit Jahren hat die rechte Sammlungsbewegung der Tea-Party den Boden für einen wie Trump bereitet.

Der Dauerkandidat

Donald Trump selbst ist so etwas wie ein Dauerkandidat. Nicht immer für die Republikaner und nie ganz ernsthaft hat der Unternehmer schon mehrfach seine Ambitionen auf das Weiße Haus bekannt gegeben. Zuletzt kokettierte er 2012 öffentlich mit einer Kandidatur, trat dann aber doch nicht an, weil er angeblich Geschäft und Politik nicht miteinander vereinbaren konnte. Amerika fragt sich jedes Mal wieder: Betritt Trump die Arena, um die Marke Trump zu bewerben, oder meint er es ernst mit der Politik? In den Umfragen schien das stets Nebensache. Aber nie hielt er sich so lange so weit oben auf einer Woge der Beliebtheit. Es scheint, dass sein Gastspiel dieses Mal länger dauern könnte. Kein Ausraster, keine Entgleisung, keine Lüge, kein Safarifoto – nichts hat Trump in den vergangenen Wochen Schaden zufügen können.

Es war der 16. Mai, als Donald Trump mit einem strahlenden Lächeln im „Trump Tower“ in Manhattan auf einer Rolltreppe seiner Kandidatur entgegenschwebte. Trump ist in New York als Sohn eines Immobilien-Millionärs geboren worden, er selbst hat in Manhattan sein Vermögen begründet. Die nach ihm benannten „Trump Towers“, Hochhäuser in mehreren amerikanischen Städten, machten ihn weltweit bekannt. Inzwischen besitzt Trump auch Golfplätze, Wellness-Resorts und das „Miss Universe“-Unternehmen. In dem monumentalen, von Marmor und Gold geprägten Forum des Wolkenkratzers an der Fifth Avenue kündigte Trump vor einer Kulisse von Amerikafahnen an, dass er das Weiße Haus erobern wolle und das Land wieder aufrichten werde. Er wolle eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen, gegen die „Vergewaltiger“ und die Drogen. Denn Mauern bauen, das könne er, der Immobilien-Mann, schließlich am besten.

Den US-Präsidenten Barack Obama hatte Trump schon Monate vorher attackiert. Der Milliardär war einer der ersten, die von Obama die Vorlage der Geburtsurkunde forderten. Ob so einer echter Amerikaner sein könne? Später höhnte er: „Unser großartiger afro-amerikanischer Präsident hat nicht gerade einen positiven Einfluss auf die Rowdys, die glücklich und in aller Offenheit Baltimore zerstören.“

Das Konzept der Erderwärmung? „Von den Chinesen erfunden, um die US-Produktion wettbewerbsunfähig zu machen“, sagt er.

Trumps Werte blieben selbst stabil, als er den früheren Präsidentschaftskandidaten und Veteranen John McCain beleidigte. McCain, der im Vietnam-Krieg gefangen genommen und gefoltert worden war, genießt hohes Ansehen, wie alle Veteranen in den USA. Trump aber giftete, McCain sei kein Kriegsheld. Er, Trump, bevorzuge Helden, „die nicht gefangen genommen wurden“.

Alle waren sich sicher – das war’s jetzt mit Trump. Und lagen wieder einmal falsch. 20 bis 30 Prozent der Republikaner-Anhänger, 10 bis 15 Prozent der US-Wähler freuen sich über das, was Trump ihnen bietet – sehr zum Ärger des republikanischen Establishments. Aber das Establishment schlägt zurück.

Die mächtigen Kochs

Das St. Regis Monarch Beach Resort, ein Luxus-Hotel zwischen Los Angeles und San Diego, schmiegt sich in das kalifornische Küstengebirge. Am vergangenen Wochenende versammelten sich hier zwischen Golfplatz und Pool die 450 wohl wichtigsten konservativen Spender der Vereinigten Staaten. Sie waren der Einladung von David und Charles Koch gefolgt. Das Treffen diente der Vorbereitung des republikanischen Wahlkampfs mit außerparlamentarischen Mitteln.

Die Koch-Brüder, milliardenschwere rechtskonservative Unternehmer, haben angekündigt, 889 Millionen Dollar in den Wahlkampf zu pumpen. Ihre Unterstützung könnte wahlentscheidend werden. In Dana Point bringen die Kochs jene Kandidaten mit den Großspendern zusammen, die sie für präsidiabel halten. Zu dem Quintett zählen der gemäßigt-konservative Jeb Bush, der Tea-Party-Kandidat Ted Cruz, der libertäre Rand Paul, der Bush-Zögling Marco Rubio und der Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker. Donald Trump ist nicht eingeladen.

Die Kochs aber versagen Trump nicht nur ihr Geld und ihre Beziehungen. Mit Blick auf den Wahlkampf haben sie die Datenfirma „i360“ gegründet. Sie sammelt und verarbeitet Informationen aus Wahlbefragungen zusammen mit Konsumentendaten, Informationen aus sozialen Netzwerken, von Kreditfirmen, politischen Kampagnen. Sogar Einkommen oder Fernsehgewohnheiten fließen ein, alles, was man zu einem vollständigen Wählerprofil braucht. Trumps Kampagne hat bereits angefragt, ob sie mit dem Datenbestand arbeiten dürfe. Die Anfrage wurde negativ beschieden. Selbst die ultra-konservativen Kochs wollen einen wie Donald Trump nicht im Weißen Haus sehen.

Vermutlich wird Trump verlieren

Donald Trump im TV-Duell.
Donald Trump im TV-Duell.

© AFP

In diesen Tagen ist ein Phänomen besonders gut zu beobachten, das die US-amerikanischen Konservativen schon seit Jahren auseinanderdriften lässt. Die führenden Republikaner wissen, dass sie schon allein aus demografischen Gründen einen ihrer Kandidaten mittelfristig nur mit einer Wählerschaft aus allen Schichten bis ins Präsidentenamt bringen können. Jeb Bush drängt seine Partei deshalb, sich für junge liberale Wähler und die wachsende Latino-Gemeinde zu öffnen. Aber Teile der Basis stemmen sich dagegen, mit umstrittenen Anführern wie Sarah Palin und den Aktivisten der Tea-Party-Bewegung. Donald Trump ist deshalb zu allererst eine neue Projektionsfigur für diesen verzweifelten Abwehrkampf.

Letztlich wird der Kampf verloren gehen. Vermutlich gilt das auch für den Bewerber Trump. Schon läuft hinter den Kulissen ein mächtiger Kampagnenapparat warm, gegen den auch die Trump-Millionen nur bedingt werden bestehen können. Sobald sich das Kandidatenfeld auszudünnen beginnt, wird sich die republikanische Mehrheit hinter einem der etablierteren Politiker versammeln. Im Moment nutzt Trump das Vakuum, da sich weder Jeb Bush noch ein anderer Kandidat zum klaren Favoriten hat entwickeln können.

Die Angst der Republikaner

Und was dann passiert? Es wäre Donald Trump zuzutrauen, als Unabhängiger anzutreten, wenn ihn die Republikaner nicht nominieren. Sein Eingangsstatement bei dem Fernsehduell in Cleveland war nämlich alles andere als eine spontane Provokation. In einem Interview mit CNN-Moderator Anderson Cooper hatte er vor Kurzem schon gesagt, seine politische Zukunft hänge davon ab, „wie ich von den Republikanern behandelt werde“. Es wäre ein Albtraum für die Partei: ein Unabhängiger Trump, der das konservative Stimmenpotenzial spaltet und in den Swingstates den rechten Rand abzieht. Das demokratische Lager blickt deshalb nicht unglücklich auf das Sommertheater auf der anderen Seite des ideologischen Grabens.

Donald Trump hat in der Vergangenheit Wahlkämpfe von Hillary Clinton und anderen Demokraten unterstützt – nicht aus Überzeugung, wie er selbst sagt, sondern weil er sich davon Vorteile versprach. Wenn er spende, machten die Nutznießer, was er wolle. „Ich habe Hillary Clinton gesagt, sie soll zu meiner Hochzeit kommen“, prahlte er bei der Debatte am Donnerstag. „Und sie kam zu meiner Hochzeit, hatte ja keine Wahl.“ Ähnlich hält er es mit der Einwanderungsdebatte, fordert, die Zäune noch höher und stärker zu bauen, will die Jobs aus Mexiko zurückholen, während seine eigenen Baufirmen massenhaft Immigranten-Arbeiter ins Land holen.

Am vergangenen Wochenende hat Trump dann selbst seine Anhänger überrascht, als er einen Angestellten seiner Kampagne feuerte. Der Mann hatte Obama in einem Twitter-Feed vor Jahren als „Socialist Marxist Islamo Fascist Nazi Appeaser“ beschimpft – also als sozialistischen, marxistischen, Islamo-faschistischen Nazi-Beschwichtiger. Ein Sprecher Trumps sagte, der Mann sei, als dies bekannt wurde, „unverzüglich entlassen“ worden. „Wir haben für so etwas in einer Präsidentschaftskampagne keine Toleranz“, ließ er seinen Sprecher ausrichten. Es könnte ein Indiz dafür sein, dass Trump es dieses Mal tatsächlich ernst meint.

Ein Lächeln umspielt Trumps Lippen, als Jeb Bush am Ende der Debatte das Mikrofon hebt, um sein Schlusswort zu sprechen. „Demütig“ bittet er die Amerikaner, für ihn zu stimmen, sagt der Kandidat. Bush sei ja ein echter Gentleman, hatte Trump schon zuvor am Abend gehöhnt. Aber wenn dieser seinen Ton kritisiere, dann müsse er ihm entgegenhalten, dass nicht nur er selbst keine Zeit für den richtigen Ton habe – sein Land auch nicht. „Wir müssen Amerika wieder zu Größe führen“, verkündet Donald Trump dann auch als Letzter, „und ich werde das tun“. Es klingt wie eine Drohung.

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