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Das Stück wird bis zum 18. Dezember aufgeführt. Infos unter www.gefaengnistheater.de.

© Thomas Aurin

Theater im Tegeler Gefängnis: Das Knastspiel

Mörder, Räuber und Vergewaltiger wagen sich in Berlin-Tegel auf die Theaterbühne, um die antike Tragödie „Philoktet“ aufzuführen. Unsere Autorin war als Dramaturgin dabei.

Die alten Mörder fehlen. Und Hermann natürlich, Hermann, der Brandstifter, der vor zwei Jahren Wallenstein war. Mörder und Brandstifter sind Einzelgänger, sollte man sagen: Sie ruhen in sich? Das ist gut fürs Theater.

„Specht, Spatz, Storch und Sperber sprangen spornstreichs schrillen Schreis den steilen Steg hinunter“, brüllen 33 Männer im Chor, und man wäre nicht erstaunt, wenn sich unter der Gewalt ihrer Stimmen die Decke des Kultursaals der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel langsam anheben würde. Was für ein Freiheitschor!

Der Mann, der Mörder, Räuber, Vergewaltiger, Dealer, Diebe, Betrüger, Kinderschänder und Einbrecher dazu bringt, im Chor über die Fortbewegungsweise heimischer Vogelarten zu berichten, heißt Peter Atanassow. Er ist der Regisseur. Das Theaterprojekt „aufBruch“ will mit den Häftlingen des Tegeler Gefängnisses die antike Tragödie „Philoktet“ auf die Bühne stellen, in der Fassung von Heiner Müller. Probenbeginn: 3. Oktober, Premiere: 25. November, und dann zwölf öffentliche Vorstellungen. Täglich vier Stunden Probe, von Montag bis Freitag, sieben Wochen lang. Das wird nicht lustig!, warnt Atanassow bei der ersten Kennenlern-Probe.

Regere heißt herrschen. Vielleicht passt ein Regisseur an keinen Ort weniger als in ein Gefängnis. Denn die hier im Kreis stehen, sind tendenziell Unbeherrschbare. Und sie lassen durchaus erkennen, dass sie Atanassow für einen komischen Vogel halten. Aber im Zweifel übertönt er sie alle, das irritiert.

Wie viele Jahre Gefängnis mögen in diesem Kreis stehen, der jetzt zu „Es klapperten die Klapperschlangen, bis die Klappern schlapper klangen“ übergeht? Jaaa!, ruft der Regisseur anerkennend, und jetzt mal doppelt so schnell! Polen, Bulgaren, Türken und Araber geben ihr Bestes. Es ist nicht genug.

Und das machen wir jetzt jeden Tag!, droht Atanassow: Ihr müsst lernen, richtig zu artikulieren, ihr müsst ganz vorn sprechen, sonst versteht euch keiner! Verständlichkeit ist die erste Tugend des Schauspielers, zumindest die zweite. Und Müller sei wie Schiller, ein Klassiker also, heißt: Keine Silbe wird verändert! Das Programm der nächsten Wochen laute demnach: Text! Text! Text! Sonst nichts. Fast nichts.

Wie heißt der Heiner? Müller? Nie gehört. Zweifelnd schauen die Mörder, Betrüger und Einbrecher. Eigentlich wollten sie hier ein wenig Spaß haben. Text? Text? Text? Das klingt nicht nach Spaß. Das klingt nach Stress. Und sie sind durchaus stressempfindlich, auch das ist ein Grund ihres Hierseins.

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