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© IMAGO / U. J. Alexander

Festival „Pax Terra Musica“ in Brandenburg: Wo Putin-Anhänger mit Querdenkern feiern

Vermeintliche Friedensfreunde planen in Brandenburg ein mehrtägiges Festival. Geladen sind Verschwörungsideologen, die Putins Gräueltaten für Notwehr halten.

Am Dienstagabend hat Malte Klingauf, der Veranstalter, noch einmal im Livestream erklärt, worum es beim „Pax Terra Musica“ gehen soll: um die Herzlichkeit, um Menschlichkeit, um eine bessere Welt für alle. In der brandenburgischen Kleinstadt Friesack, in der das Festival stattfinden wird, habe man inzwischen ein „gutes Standing“, auch bei den Behörden und der Polizei.

Beim letzten Mal, sagt Klingauf, habe es bloß einen kleinen Zwischenfall gegeben: Ein Polizist habe sich morgens vergewissert, ob sich die Köche des Caterings, die auf dem Gelände gerade Nacktyoga praktizierten, denn wohl noch ankleiden würden, bevor die Besucher kämen.

Das mehrtägige Festival, das Malte Klingauf seit Monaten bewirbt, soll in zwei Wochen auf dem Areal einer Freilichtbühne 70 Kilometer nordwestlich von Berlin beginnen. Es soll ein „Vernetzungstreffen der Friedensbewegung“ werden, mit Besuchern aus ganz Deutschland, aus England und Frankreich.

Putins Soldaten werden als „Friedenstruppen“ gelobt

Tatsächlich werden sich in Friesack zahlreiche Verschwörungsideologen, Querdenker sowie Impfgegner versammeln – und dazu Aktivisten, die Sympathien für Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben, und die Invasion für reine Notwehr halten. Bei den Soldaten, die Putin geschickt habe, handle es sich um „Friedenstruppen“. Gräueltaten an Zivilisten wie das Massaker in Butscha habe es womöglich gar nicht gegeben.

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Etliche bekannte Verschwörungsideologen sollen beim „Pax Terra Musica“ Vorträge halten oder Workshops anbieten. Zum Beispiel der Autor Heiko Schöning, aktiv in der Querdenken-Szene. Schöning behauptet, Corona sei ein „Betrügertrick“, geplant von Verbrechern, die Deutschlands Bürger um deren gesamten Besitz bringen wollten.

Oder der Impfgegner Gerry Mayr, der vor zwei Jahren erfolglos versuchte, mit einer Menschenkette um den Bodensee die größte Querdenker-Versammlung der Geschichte zu organisieren.

Oder der Verschwörungsideologe Dirk Pohlmann. Den russischen Einmarsch in die Ukraine hält Pohlmann für „eine begrenzte Militäroperation“, schließlich habe Wladimir Putin lediglich 200 000 Soldaten in das Nachbarland geschickt. Russland habe also „sehr zurückhaltend reagiert“.

Dirk Pohlmann stellt auch infrage, ob es die Gräueltaten, die russische Soldaten an Zivilisten in Butscha verübt haben, tatsächlich gegeben hat. Er sagt: „Wenn aus emotionalen Ereignissen mit Sachen wie Massaker strategische Entscheidungen abgeleiten werden, die weitreichende Folgen haben, hat man es mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit inszenierten Fake-Ereignissen zu tun, die extra zu diesem Zweck hergestellt werden.“

Festival-Sprecher Mathias Tretschog
Festival-Sprecher Mathias Tretschog

© Imago/RolfxZoellner

Auf Anfrage des Tagesspiegels, ob Vorträge von Verschwörungsideologen, die Verständnis für Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg haben, mit den Werten des Pax Terra Musica vereinbar sind, antwortet der Veranstalter nicht.

Allerdings fällt der Sprecher des Festivals selbst durch Verschwörungsglauben auf. Es handelt sich um den Aktivisten Mathias Tretschog. Dieser behauptet, Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern ein „besetztes Land“, Israel beschimpft er als „teuflischen Partner“ der Bundesrepublik.

Russlands Präsident Putin sei zum Eingreifen in der Ukraine „gezwungen und nach internationalem Recht verpflichtet“ gewesen, habe lediglich „Friedenstruppen“ entsandt. Tretschog sagt: Nicht Putin habe das Völkerrecht gebrochen, sondern der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski.

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Das Pax Terra Musica fand erstmals 2017 statt, hatte zunächst finanzielle Probleme und fiel in den vergangenen zwei Jahren wegen Corona aus. Dieses Mal werde das Areal der Freilichtbühne Friesack aber richtig voll werden, sagt Veranstalter Klingauf. Um vom Bahnhof zum Gelände zu gelangen, werden Autos eingesetzt, die optisch an Polizeiwagen erinnern. Die sogenannten „Friedensfahrzeuge“ sind ebenfalls aus der Querdenkerszene bekannt.

Der Bürgermeister von Friesack freut sich aufs Fest

Eigentümerin und Betreiberin der Freilichtbühne ist die gut 2500 Einwohner zählende Stadt Friesack. Wie hoch die Miete für die Nutzung der Bühne ist, will das zuständige Amt nicht sagen.

Friesacks Bürgermeister Christoph Köpernick kennt die Vorwürfe gegen das Festival, mag sie aber nicht teilen. Dem Tagesspiegel schreibt Köpernick, er freue sich über „bunte und abwechslungsreiche Veranstaltungen“ in Friesack, die Vermietung der Bühne hält er für unproblematisch. In der Vergangenheit habe es auf dem Pax Terra Musica „keine Auffälligkeiten“ gegeben. Und weiter: „Auch wurde die Freilichtbühne ordentlich und sauber hinterlassen.“

 Verschwörungsmärchen über Chemtrails

Wie in den Vorjahren gibt es wieder eine Bühne mit Musikprogramm. Als Hauptattraktionen gilt dort der Rapper „Kilez More“, bürgerlich Kevin Mohr. Der Mann leugnet den menschengemachten Klimawandel, verbreitet Verschwörungstheorien zum 11. September sowie Chemtrails und behauptet, die Bevölkerung werde gezielt vergiftet, um die Überbevölkerung einzudämmen.

Im August 2020 stand er bei der zweiten großen „Querdenken“-Versammlung im Berliner Tiergarten auf der Bühne. Veranstalter Malte Klingauf sagt, Kilez More gehöre „zur Familie“ des Pax Terra Musica.

Daneben sind eine Reihe spiritueller Workshops geplant. In einem sollen die Teilnehmer „über die Erdverbundenheit weiter in die Schoßraumkraft“ gehen, einen anderen soll ein Mann halten, der deutschlandweit in der Querdenken-Szene bekannt ist, weil er auf Demonstrationen im Supermann-Kostüm auftritt. 

Die Ablehnung, die Querdenker vielerorts erfahren, erinnert diesen Mann an die NS-Zeit: „Nazis wollten früher auch nicht mit Juden reden. Das ist genau das gleiche Prinzip.“

Werbung für ein antisemitisches Buch

Präsent wird auch die Gruppe „Druschba Global“ sein. Die dahinterstehende Initiative wurde vom Aktivisten Rainer Rothfuß gegründet, der heute im Landesvorstand der AfD Bayern sitzt. Einer der Köpfe der Gruppe, Owe Schattauer, möchte das Pax Terra Musica am Freitag besuchen.

Er beschwert sich nicht nur über „Putin-Verteufelung“, sondern verbreitete auf Facebook auch Verschwörungstheorien über die jüdische Familie Rothschild, die angeblich nach der Weltherrschaft greife: Die Rothschilds seien heute für Kriege weltweit verantwortlich. Ein anderes Mal behauptete Schattauer, die Rothschilds seien die „Wurzeln allen Übels“, dazu empfahl er das antisemitische Buch „Satans Banker“.

Heiko Schöning hält Corona für einen „Betrügertrick“.
Heiko Schöning hält Corona für einen „Betrügertrick“.

© Imago/xC.xHardtx/xFuturexImage

Auf dem Festival sind mehrere Diskussionsrunden geplant, zum Beispiel mit Siegfried Eichner. Der Mann ist Vorstandsmitglied im „Verband zur Pflege der Traditionen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR e. V.“. Einen Monat nach Kriegsbeginn in der Ukraine veröffentlichte der Verein einen Vorstandsbeschluss, in dem dieser die russischen Soldaten als „Friedenstruppen“ bezeichnet.

Aus Sicht des Vereins ziele deren Einsatz „tatsächlich auf die ,Entmilitarisierung und Entnazifizierung‘ der Ukraine ab“. Kiew dagegen wirft er vor, den Einsatz der russischen Truppen durch den Bruch internationaler Abkommen sowie hundertfache „bewaffnete Überfälle der ukrainischen Streitkräfte“ erst provoziert zu haben. Unterstützt werde die Ukraine durch „unsägliche und abstoßende, auf keinerlei Wahrheitsgehalt beruhende Kriegspropaganda in den Ländern der EU, der NATO und den USA.“

Einen weiteren Hinweis darauf, wer sich in zwei Wochen in Friesack versammeln wird, könnte auch sein, welche Aktivisten derzeit auf Telegram Werbung für das „Pax Terra Musica“ verbreiten: die coronaverharmlosenden „Corona-Rebellen“, der ehemalige Querdenken-Sprecher Stephan Bergmann, die Verschwörungsideologin Eva Rosen sowie ein szenebekannter Querdenker-Anwalt.

Dazu der Aktivist Michael K., der Behauptungen teilte, wonach es sich bei den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung um „vorsätzlichen Völkermord“ handle und „die Meldungen über angebliche russische Kriegsverbrechen“ in Butscha „eine Lüge“ seien.

[Lesen Sie auch: Schutz vor Corona auffrischen: Für wen der zweite Booster jetzt sinnvoll ist – und für wen später (T+)]

Zum Kreis derer, die auf Telegram Werbung für das Festival verbreiten, gehört auch der Aktivist Andreas M. Bei ihm handelt es sich um den Schwager des Festivalveranstalters. Im Internet teilte M. Inhalte des inzwischen vom Verfassungsschutz beobachteten Compact-Magazins und der rechtsextremen Identitären Bewegung, warnte vor der „Diktatur-Zentrum-BRD-GmbH“ und postete dazu eine Zeichnung des Bundestags, auf dem die israelische Flagge weht.

Politiker an Laternen aufhängen?

Auf Telegram verbreitet Andreas M. ein Zitat, das systematische Tötungen von Politikern ankündigt: Nach einem kommenden Volksaufstand werde „jeder, der ein Amt hat, an der nächsten Laterne oder gleich am Fensterkreuz aufgehängt”. Mertens schreibt: “Alleine Berlin hat 23.400 Laternen.”

Festivalveranstalter Malte Klingauf sagt, dass es eben dieser Schwager war, dessen Tipp ihn vor acht Jahren zur sogenannten „Mahnwachenbewegung“ brachte. Immer montags fanden damals in zahlreichen deutschen Städten Verschwörungsgläubige, Reichsbürger, Israelhasser und Esoteriker zusammen, um gemeinsam gegen die angeblichen teuflischen Pläne der Mächtigen und der Massenmedien zu protestieren.

Es war der Versuch, unter dem Etikett einer „neuen Friedensbewegung“ diverse Verschwörungsmythen in die Öffentlichkeit zu tragen. Malte Klingauf wurde zum Moderator der Berliner „Montagsmahnwache“.

Der Versuch, die Friedensbewegung zu unterwandern

Zwar verlor die Bewegung rasch an Schwung, doch wirkten viele Aktivisten der Szene in anderen Zusammenhängen weiter, wechselten etwa zu Pegida, landeten im Umfeld der rechtsextremen „Merkel muss weg“-Demos oder versuchten, in der traditionellen Friedensbewegung Fuß zu fassen.

„Teilweise ist dies leider auch gelungen“, sagt Hauke Thoroe, Bundessprecher der Organisation „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“, der ältesten Gruppierung der deutschen Friedensbewegung. Am Telefon berichtet Thoroe, dass er die Vereinnahmungsversuche durch Verschwörungsgläubige seit Jahren mit Sorge beobachtet.

Man benötige keine zwei Minuten, um durch bloßes Googeln im Internet zu erfahren, wer auf dem Pax Terra Musica unter dem Etikett „Friedensbewegung“ seine eigenen Ziele verfolge. „Mit Akteuren, die sich nicht glaubhaft von antisemitischem und sonstigem menschenfeindlichen Gedankengut distanzieren, möchte ich nichts zu tun haben.“ Gerade Antiamerikanismus, Israelhass und Pressefeindlichkeit dienten in der Szene als Einstiegsdrogen in allumfassende Verschwörungsnarrative.

Er selbst, sagt Hauke Thoroe, würde unter keinen Umständen an einem Festival wie dem Pax Terra Musica teilnehmen – und er rate allen, die mit dem Gedanken einer Teilnahme spielen, sich gründlich zu informieren und dann zu fragen, ob solche Akteure wirklich zum Frieden beitragen könnten.

Nach dem Festival zum Protest nach Berlin?

Der Veranstalter des Pax Terra Musica hat bereits in der Vergangenheit versucht, kritische Berichterstattung per Anwalt zu verhindern. So verklagte er 2019 den Tagesspiegel und wollte ihm unter anderem verbieten lassen zu berichten, dass sich unter den Teilnehmern des Festivals Israel-Hasser und esoterische Hetzer befinden.

Das Verfahren endete für den Veranstalter des Pax Terra Musica katastrophal: Nachdem der Richter ihm zu verstehen gab, er werde in sämtlichen Klagepunkten zugunsten des Tagesspiegels entscheiden, weil dies alles von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sei, zog der Veranstalter seine Klage zurück und musste für alle entstandenen Kosten aufkommen.

Das diesjährige Festival in Friesack soll für einige Teilnehmer nur der Auftakt sein: Im Internet kursiert ein Aufruf, direkt im Anschluss nach Berlin zu fahren und die Zelte im Regierungsviertel aufzubauen. Ein ähnliches Zeltlager gab es bereits vor zwei Jahren im Tiergarten. Andreas M., der Schwager des Pax-Terra-Veranstalters, war damals auch vor Ort. Das Ziel der Camper: endlich den Sturz der Regierung durchzusetzen.

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