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Im Kreise seiner Lieben. Seine Tiere nennt Norbert Zajac „Babys“.

© Monika Skolimowska/dpa

Zoo Zajac, der Supermarkt der Tiere: In Duisburg steht die größte Zoohandlung der Welt

Als die giftige Mangrovennatter ihn biss, trank er ein Bier – und bediente weiter. Norbert Zajac verkauft Hühner, Schlange, Kaimane - und Welpen.

Es gibt nur wenige Menschen, die sich beim Sterben zusehen und davon später erzählen können. Als Norbert Zajac im Krankenhaus die Nulllinie auf dem Monitor sieht, denkt er, das Gerät sei kaputt. Dann ist er weg. Die Ärzte reanimieren ihn. Drei Mal. „Ich bin drei Mal gestorben“, sagt Zajac – und ist stolz darauf, dem Tod dann doch entkommen zu sein.

Schuld war ein Rotfeuerfisch. Die Tiere mit den giftigen Stacheln leben im Pazifischen Ozean – einige jedoch auch in der Zoofachhandlung „Zoo Zajac“. So wie jenes Exemplar, das den Firmengründer einst beinahe das Leben gekostet hätte. Zajac – zu faul, eine Leiter zu holen – fummelt den Giftfisch auf Zehenspitzen stehend aus dem hoch gelegenen Aquarium, erwischt ihn aber nicht richtig. Der Fisch sticht Zajac in die Hand und fällt auf den Boden. Und Zajac: Schmerzen, Kreislaufkollaps, Krankenhaus, Reanimation.

Der Kunde bekam natürlich ein neues, unversehrtes Exemplar, sagt Zajac, der, kaum vom Sterbebett auferstanden, nach Hause ging, gegen den Protest der Ärzte. „Wir hatten Weihnachtsfeier im Betrieb“, sagt er, die wollte er nicht verpassen. Erst recht nicht mit so einer tollen Geschichte. Zajac erzählt sie auch heute noch gern, 20 Jahre danach.

Für ihn gehören gefährliche Situationen zum Berufsrisiko. Der 64-Jährige betreibt das weltgrößte Zoofachgeschäft. So steht es im Guiness-Buch der Rekorde. Zajac versammelt in seinem Laden 200 000 Tiere und 3000 Arten, die Futtertiere – Heuschrecken, Maden, Würmer und anderes Getier – nicht mitgezählt. Zum Vergleich: Der Berliner Zoo bringt es gerade mal auf 20 359 Tiere und 1256 Arten. Zajacs Tiere, seine Lieblinge nennt er „Babys“, leben auf 12 000 Quadratmetern in einer einstigen Lagerhalle in Duisburg, deren Fläche fast so groß ist wie die des Berliner Reichstags.

Die Leute kommen, um Affen, Kaimane oder Faultiere zu sehen - und kaufen dann eine neue Hundeleine.
Die Leute kommen, um Affen, Kaimane oder Faultiere zu sehen - und kaufen dann eine neue Hundeleine.

© imago/Gottfried Czepluch

Wäre Zajacs Geschäft ein Tier, wäre es vom Aussterben bedroht. Die Zahl der Zoogeschäfte, die in Deutschland heute noch lebende Tiere anbieten, nimmt ab. In den 60er Jahren gab es keine Zoofachhandlung, die nicht wenigstens Fische, Hamster und Meerschweinchen verkaufte. Die meisten Läden hatten auch größere Attraktionen zu bieten: Publikumslieblinge wie Hundewelpen oder Kätzchen. Dass die in ihren engen Käfigen eher vor sich hinvegetierten, hat seinerzeit kaum jemanden gekümmert.

Heute kaufen die meisten ihre Hunde beim Züchter oder holen sie aus dem Tierheim. Katzen werden gern aus Tierrettungsstellen abgeholt – oder privat weitergegeben. Nur Fische kommen zu 90 Prozent aus dem Zoofachhandel oder aus Baumärkten mit Tierabteilungen. In 45 Prozent der deutschen Haushalte lebt mindestens ein Tier, meist ist es eine Katze. Und sie alle wollen fressen, spielen, schlafen.

Viele kleine Läden geben auf

Doch die großen Umsätze gehen am klassischen Zoofachhandel vorbei. Drogerieläden und Supermärkte verkaufen Tierfutter zu Preisen, bei denen der kleine Fachhändler um die Ecke nicht mithalten kann. Mehr als 4,8 Milliarden Euro haben Tierfreunde 2017 ausgegeben, allein 3,1 Milliarden Euro nur für Futter. Zwei Drittel davon hat der Lebensmitteleinzelhandel eingestrichen. Viele kleine Läden geben auf.

Groß frisst Klein. Was im Tierreich gilt, ist in der Heimtierbranche nicht anders. Das Riesengeschäft machen die Konzerne. Marktführer ist die Fressnapf-Gruppe, die allein in Deutschland 1,2 Milliarden Euro im Jahr umsetzt. Lebende Tiere gibt es nur noch in großen Häusern, denn das ist aufwendig und personalintensiv. Doch auch Internethändler gewinnen Marktanteile, etwa Zooplus. Beide Konzerne, Fressnapf und Zooplus, kooperieren mit Tierschutzverbänden.

Norbert Zajac tut das nicht. Im Gegenteil. Er provoziert. Erst verkaufte er Kätzchen, dann kam der ultimative Tabubruch: Seit sieben Jahren gibt es bei ihm auch Hundewelpen. Das ist legal, aber verpönt. Der Berufsverband der Zoofachhändler hat sich selbst einen Hundehandelbann auferlegt. Zajac ist kein Mitglied.

„In Tierheimen warten Tausende Hunde, Katzen, Meerschweinchen, Vögel und andere auf ein neues Zuhause“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. „Statt den Markt mit immer neuen Heimtieren zu überfluten, sollten Kooperationen mit örtlichen Tierschutzvereinen angestrebt werden.“ Vor allem Hunde haben ihrer Meinung nach im Zooladen nichts zu suchen. Die begrenzten Räumlichkeiten seien für die Tiere eine Qual. Und wenn sie so niedlich durch ihre Gehege tapsten, drohe die Gefahr von Spontankäufen. Viele der Tiere landeten später im Tierheim, warnt Schmitz.

Alles Quatsch, sagt Zajac. Er hat seinen Welpen extra einen dauerelastischen Spezialboden sowie eine Freifläche mit UV-Schutz-Dach gebaut, und die kleinen Vierbeiner gehen täglich Gassi. Vier Tierärzte beschäftigt der Zoohändler, dazu zwei Biologen und 180 weitere Mitarbeiter. Bevor er mit einem Züchter ins Geschäft kommt, macht Zajac einen Hausbesuch, um zu kontrollieren, ob die Hunde Familienanschluss haben und nicht zu Gebärmaschinen in Zwingerhaltung degradiert werden, einer der Tierärzte ist beim ersten Kontrollbesuch dabei.

Reinrassige Hunde verkauft Zajac nicht. Bei ihm gibt es nur Mischlinge oder „Edelmixe“, wie sie im Händlerjargon heißen. Aussiedoodles etwa, eine Mischung aus Australian Shepherd und Pudel, oder Spitzmischlinge für jeweils 999 Euro. Solche Tiere, sagt Zajac, seien gesünder als die reinen Rassehunde, die oft Gendefekte hätten. Vielleicht spielt für seine Auswahl aber auch der Boykottaufruf der Tierschützer an Züchter eine Rolle, ihre Tiere nicht an den Zoofachhandel abzugeben. Das Geschäft mit Hunden und Katzen läuft gut, berichtet Zajac. Er legt Wert darauf, dass keinesfalls jeder, der will, ein Tier bei ihm kaufen kann. Hat er Zweifel, dass der Kunde das Tier gut behandelt, bleibt es im Laden. „Von zehn Menschen, die bei uns einen Hund kaufen wollen, schicken wir sechs zurück“, sagt Zajac. Selbst bei Hamstern gingen drei von zehn Interessenten mit leeren Händen heim. Das kann jenen passieren, die fälschlicherweise meinen, alles über Tierhaltung zu wissen, und sich nicht belehren lassen wollen. Oder wenn die Chemie zwischen Tier und Mensch nicht stimmt, der Welpe im Kennenlernzimmer partout nicht zum Käufer will.

Mit vier Jahren hat er seinen ersten Hamster

Auf Tierschützer ist Zajac nicht gut zu sprechen. Nicht weil sie, wie er erzählt, vor seinem Laden demonstriert, Drohbriefe und Protestschreiben geschickt und ihn permanent bei den Behörden angezeigt haben – ohne Erfolg übrigens. Die Unterstellung, er behandele seine Tiere schlecht, trifft ihn persönlich. Da ist Zajac, der mit seinen 140 Kilogramm keinesfalls wie ein Sensibelchen wirkt, empfindlich. „Ich liebe meine Tiere“, sagt er. Und er glaubt nicht an die völlige Uneigennützigkeit der Tierschützer. Immerhin hätten doch auch die ein Business: die Vermittlung von Tierheimtieren.

Seine Profession trägt Zajac am Leib. Er liebt T-Shirts mit Tierbildern. Sein Bauch bietet Platz für zwei Elefanten. Die Knie sind kaputt, der Rücken auch. In seinem Laden ist er mit einem E-Roller unterwegs, amtliches Kennzeichen: „Zajac 1“. Auf der Straße gibt er dafür umso mehr Gas. Sein feuerroter, geleaster Porsche Cayenne hat mehr als 500 PS, Autobahn linke Spur, Bremsen ist feige. Dezenz ist seine Sache nicht. Das Rot hat er gegen den Willen von Porsche durchgesetzt. Zajac ist einer, der angreift.

Das hat er sein ganzes Leben schon getan. Mit 17 Jahren beendet er seine Lehre als Stahlbauschlosser als Jahrgangsbester, doch weil er noch minderjährig ist, will der Lehrherr den Lohn drücken. Zajac lässt sich das nicht gefallen, wechselt von der Stahl- in die Zugbranche, wo er Waggons und Züge für Zechen und den Duisburger Hafen baut. Er verdient gut. Drei Jahre macht er das, dann eröffnet er 1975 sein erstes Zoogeschäft.

Tiere waren schon immer sein Ding. Mit vier Jahren hat er seinen ersten Hamster, mit fünf beginnt er zu züchten, der Vater, ein Polizist, lässt ihm freie Hand, solange er für das Futter selber aufkommt. Mit acht bekommt er ein Krokodil, mit 13 macht er in Sittichen. Seit mehr als 40 Jahren ist Zajac im Geschäft. Er kämpft: „Die Hälfte der Zeit stand ich vor der Insolvenz.“ Anfangs lief es gut, der alte Laden warf im Jahr 500 000 Mark Gewinn ab. Dann kamen Fressnapf und Zooplus.

Wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht, kennt Zajac nur eine Richtung: voran. Er expandiert. 2004 zieht er in einen neuen, größeren Laden um, er baut neue Volieren, Gehege, Terrarien. Als die Banken ihm kein Geld mehr geben wollen, bittet er seine Kunden um Kapital. In seine Kataloge legt er Zettel, verspricht sieben Prozent Zinsen – und bekommt das nötige Geld, um über die Runden zu kommen. 2004 macht Zajac Crowdfunding, als es das Wort noch gar nicht gibt.

15 Millionen Umsatz schafft er im Jahr, im vergangenen Geschäftsjahr hat er schwarze Zahlen geschrieben. Nicht mit dem Verkauf von Tieren. Die Tiersparte macht wegen der enorm hohen Kosten für Haltung, Futter und Personal 250 000 Euro Verlust im Jahr. Zajac verdient am Zubehör. Wenn Besucher kommen, um sich die Weißbüscheläffchen, Faultiere, Riesenpythons oder Vogelspinnen anzuschauen, die Graupapageien und Kakadus in der begehbaren Voliere zu füttern oder im Streichelzoo den frei laufenden Hühnern, Gänsen und Pfauen Futter zu geben, gehen sie nicht selten mit einem neuen Hundekörbchen oder einem Katzenspielzeug nach Hause. Oder mit einem lebendigen Huhn. Homefarming, erzählt Zajac, sei der neue, heiße Trend. Frische Eier aus dem eigenen Garten.

Attraktion: In der begehbaren Voliere kann man Papageien füttern, das Futter muss man bei Zajac kaufen.
Attraktion: In der begehbaren Voliere kann man Papageien füttern, das Futter muss man bei Zajac kaufen.

© picture alliance / dpa

Das Familienticket im Duisburger Zoo kostet 41,50 Euro, im strukturschwachen Duisburg – Arbeitslosenquote elf Prozent – fahren Eltern mit ihren Kindern nicht selten lieber zu Zajac. Viele kommen aus Holland, Österreich, der Schweiz. Auch aus der Ukraine oder aus Japan habe er schon Besuch bekommen, sagt Zajac. Dort kennt man ihn aus dem Internet, wo er auf Youtube Tipps gibt, wie man Tiere hält oder Aquarien baut.

Die Krokodile könnten ein großes Geschäft werden, glaubt er

Seine Lieblinge sind die Krokodile, vor allem die kleinen Kaimane haben es ihm angetan. Sie kommen in ihrem Terrarium angelaufen, wenn er sie ruft. Manchmal nimmt er einen Kaiman hoch und hält ihn den Besuchern hin. „Streichle mal“, sagt er dann. Zajac liefert Tiere an Fernsehsender – sie waren schon im Dschungelcamp oder in Frank Elstners Tierquizshow. Manchmal geht der Showman aber auch im Laden mit ihm durch, wie man an der Wunde am Daumen sieht. Da wollte er einen der größeren Kaimane aus der Hand füttern. „Der ist höher gesprungen, als ich gedacht habe“, sagt Zajac.

Die Krokodile könnten ein großes Geschäft werden, glaubt er. Das Interesse sei groß. Die kleinen Kaimane kosten zwischen 400 Euro und 1000 Euro. Zajac will das Geschäft an sich ziehen, möchte, dass die Züchter nur noch ihn beliefern: „Ich will jede Brut aufkaufen.“ Gelingt das, kann er die Preise bestimmen. So, wie es ihm beim Mittelbeo gelungen sei. Früher kostete der Vogel – ein Sprachtalent – 99 Mark, heute bietet Zajac ihn für 1999 Euro an. Wegen der Vogelgrippe dürfen keine Vögel mehr in die EU importiert werden, Zajac hat sich die letzten Bestände gesichert.

Ob es erlaubt ist, Alligatoren zu Hause zu halten, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Berlin ist es verboten. Genauso wie die Haltung von Bären, Menschenaffen, großen Raubkatzen, Panzerechsen, Giftschlangen, giftigen Spinnen und Skorpionen. Wer eine Ausnahmegenehmigung besitzt, kann allenfalls auf Vogelspinnen, Warane, Boas oder Pythons ausweichen.

Vier Meter lange Würgeschlangen gibt es auch bei Zajac. Das seien oft Rückgaben, erzählt er. „Junge Männer kaufen sich kleine Riesenschlangen, dann kommt die Freundin, dann gibt es Nachwuchs, und wenn die Schlange zum ersten Mal das Baby komisch anguckt, landet das Tier bei uns.“ Meist wird es dann an einen Züchter weitervermittelt.

Der Schlangenbändiger: Norbert Zajac mit einem Albino-Netzpython. Die Schlange ist nicht giftig, es ist eine Würgeschlange.
Der Schlangenbändiger: Norbert Zajac mit einem Albino-Netzpython. Die Schlange ist nicht giftig, es ist eine Würgeschlange.

© picture alliance / dpa

Manche Schlange gelangt in Zajacs Zoo aber auch, weil sie andernorts geflohen ist. In solchen Fällen rufen ihn Polizei und Feuerwehr. Im Gegenzug darf er das Tier behalten. Auch mit Schlangen hat Zajac daher so seine Erlebnisse. Etwa mit der hochgiftigen Mangrovennatter, die ihn in seinem Laden biss.

Zajac bediente erst einmal weiter. Dann wurde ihm schwindelig. Er ging in seine Wohnung über dem Laden, setzte sich in den Fernsehsessel. „Ich hab erst mal eine Pulle Bier getrunken“, erinnert er sich. „Dann war mir immer noch schwindelig.“ Zajac machte eine zweite Flasche auf, leerte sie, ging zurück in den Laden und bediente weiter. Keine Zeit zum Sterben, dieses Mal.

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