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Robin Williams: In seinen Augen nistete Schmerz, da mochten seine Rollen noch so komisch sein.

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Zum Tod von Robin Williams: Nie ganz von dieser Welt

Er war ein Star wie aus dem Bilderbuch: immer ein Stück größer als seine Rollen. Nur manchmal schimmerte auch Zerbrechliches durch, das wohl substanziell Eigene. Robin Williams kämpfte gegen Depression und Sucht. Und verlor.

In seinen Augen nistete Schmerz, da mochten seine Rollen noch so lustig sein. Unter allen Verkleidungen war Robin Williams immer der sich irgendwie ungelenk bewegende, vierschrötige und zugleich sanfte, vertrauenswürdige Typ, einer, mit dem man beim Tränenlachen – und zur Not auch beim richtigen Weinen – bis ans Ende der Welt gehen mochte. Und er war wohl ein Weiser, einer, der unter seiner Schmunzelmaske immer ein bisschen älter schien als die Kollegen, an deren Seite er stand, als glänzender Haupt- oder auch unübersehbar wirkungsvoller Nebendarsteller.

Ja, Robin Williams war ein Star aus dem Hollywood-Bilderbuch. Ein Star wie aus dem ungeschriebenen Lexikon der großen Schauspielersehnsüchte, weil er immer größer war als seine zahlreichen schillernden, sehr verschiedenartigen Rollen. Von seinen Filmen – und es waren durchaus nicht immer die allerbesten – hat sich der Begriff seiner Person, seiner Aura schon früh abgelöst: als Prototyp des traurigkomischen Leinwandhelden, der zugleich dieses Image in den eindeutig ernsten Rollen auch für 90 oder 120 Minuten mühelos vergessen machen konnte. Dann schimmerte allein das Zerbrechliche, das unterdrückt Aggressive auch unter der schmächtigen Statur durch, das wohl substanziell Eigene.

Nach ersten Erkenntnissen hat sich der 63-Jährige am Montag in seinem Haus in Tiburon bei San Francisco selbst getötet. Ein Gerichtsmediziner sagte am Dienstag, es gebe keine Hinweise auf Einwirkung von außen. Nach seinen Worten hatte Williams’ Frau um 10.30 Uhr das gemeinsame Haus verlassen, sie glaubte, ihr Mann schlafe noch. Williams’ Assistent fand ihn eine Stunde später leblos.

Der Zeitpunkt dieses Todes kam unerwartet: Der viel geachtete und mit Preisen überhäufte Schauspieler war in diesen Jahren wieder gut im Geschäft, mehrere Projekte waren in Vorbereitung oder im Dreh, Kinostarts sind oder waren geplant. Die Umstände dagegen schienen irgendwie ahnbar – Williams litt nach Angaben seiner Managerin zuletzt unter schweren Depressionen und hatte mit einer nie ganz überwundenen Alkoholsucht zu kämpfen. Große Clowns mit ihren aufgeschminkten riesigen Lachmündern machen Kinder jeden Alters glücklich, sind aber nie ganz von dieser Welt.

"O Captain, my Captain!" - Als Englischlehrer John Keating lehrt Robin Williams seine Schüler in "Der Club der toten Dichter" selbstständiges Denken.
"O Captain, my Captain!" - Als Englischlehrer John Keating lehrt Robin Williams seine Schüler in "Der Club der toten Dichter" selbstständiges Denken.

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Mit der Rolle eines Außerirdischen gelang Robin Williams, geboren am 21. Juli 1951 in Chicago als Sohn eines Ford-Managers und der Inhaberin einer Modelagentur, mit Mitte 20 der Durchbruch. Zuvor hatte er das Studium der Politikwissenschaft und auch die Ausbildung an der renommierten Juilliard-Schauspielschule abgebrochen. In der über 91 Episoden und vier Jahre laufenden TV-Sitcom „Mork & Mindy“ spielte der als Stand-up-Comedian mit allen Albernheitswassern gewaschene Jungstar den Alien Mork vom Planeten Ork, der sich auf der Erde umschaut und seinem Vorgesetzten von den Riten der Erdlinge-Zivilisation berichtet.

Auf dem Planeten Erde wuchs sein Publikum von Film zu Film. Robin Williams kam, sofern man sich blenden lässt von der Oberfläche einer amerikanischen Starbiografie, bald ausgezeichnet zurecht. Die Lachfältchen, die ausgeprägt scharfkantige Nase, die spitzen Ohren, überhaupt der markante Querkopf: Das war Williams’ unverwechselbares Markenzeichen, ein Gesicht, wie es so sonst keines gab in dem allseits geglätteten Betrieb. Dass der Schauspieler, scheinbar solide verheiratet mit seiner ersten Frau Valerie Velardi, mitgerissen von seinem Ruhm in Alkohol und Drogen abglitt, wurde damals wenig bemerkt. Williams sprach erst nach der Jahrtausendwende offen darüber, als er – vor einem ersten Rückfall 2006 – zwanzig Jahre lang „trocken“ war. „Ich trage selbstzerstörerische Züge in mir, Dämonen, die mich immer wieder einholen und auf die dunkle Seite locken wollen“, sagte er 2010. Nicht nur vom Alkohol („Manchmal stellte mir das Publikum Wodka auf die Bühne“), sondern auch vom Kokain – „mein peruanisches Marschgepäck“ – war er jahrelang abhängig. Ohne die Geburt seines Sohnes 1984 wäre er zugrunde gegangen, gab er zu. „Ruhm ist eine Droge, er kommt und geht – gefährlich wie eine Brandung.“ Der Drogentod seines erst 33-jährigen Freundes, des Sängers und Filmschauspielers John Belushi, sei ihm 1982 eine extrem ernste Warnung gewesen. Im Jahr 2007 nannte er dem „Playboy“ scherzhaft seine letzte verbliebene Droge: „Fahrrad fahren!“

"Nur ein wunderbarer Gedanke..." - und du kannst fliegen. Als Peter Pan kehrt Robin Williams nach Nimmerland zurück.
"Nur ein wunderbarer Gedanke..." - und du kannst fliegen. Als Peter Pan kehrt Robin Williams nach Nimmerland zurück.

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Mehr als 100 Filme listet die Internet Movie Database unter seinem Namen; die aber, die im Gedächtnis bleiben werden, lassen sich wohl an zwei Händen abzählen, die eine fürs Lustige, mal für das Subtilere oder auch mal das richtig Krachende, die andere für Rollen der düstereren Art, die aber bald nur noch ein Zehntel seiner komödienbegeisterten Fans anzogen.

Schon möglich, dass er sich in seinem letzten Lebensjahrzehnt vornehmlich als Gefangener eines Images fühlte, das er selber nach Kräften befördert hatte, als Hamster im Lachrad der anderen. Mit einer großen ernsten Rolle jedenfalls, tiefinnerstes Ziel jedes großen Komikers, konnte Williams sich nach Christopher Nolans „Insomnia“ (er spielte einen Mörder in Alaska) und Mark Romaneks „One Hour Photo“ (er gab einen verklemmten Fotolaboranten, der sich fatal in eine fremde Ehe schlich) nicht mehr durchsetzen. Seine beste Zeit hatte Williams in den 80ern und 90ern, als er von Erfolg zu Erfolg jagte. Da ist, 1982, sein ausgeflippter Superschnellsprecher und Army-Radio-Krakeeler in Barry Levinsons „Good Morning, Vietnam“; da ist das Remake des französischen „Käfigs voller Narren“, „The Birdcage“ (1991), in dem er an der Seite von Gene Hackman als schwuler Nachtclubbesitzer brillierte – oder auch, ein paar Jahre später, „Flubber“ (zweieinhalb Millionen Zuschauer allein in Deutschland!), noch ein Beispiel für Williams’ große Kunst und Lust, dem Publikumsaffen Zucker zu geben.

"Du hast doch auch drei Affen auf einem Motorrade gesehen?" - Robin Williams in "Jumanji"
"Du hast doch auch drei Affen auf einem Motorrade gesehen?" - Robin Williams in "Jumanji"

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Und da ist, vor allem und in der Erinnerung vieler an allererster Stelle, „Mrs. Doubtfire“, der Top-Hit seiner wandlungsreichen Karriere und wohl auch Zenit dieses Schauspielerlebens. Mit Anfang 40 schlüpfte Robin Williams in dieser im Ansatz bittersüßen Komödie als frustrierter Scheidungsvater, dem die Besuche bei seinen geliebten drei Kindern entschieden zu selten sind, in die Rock-Rolle einer Nanny. Damals hatte sich Williams nach zehn Jahren von seiner ersten Frau getrennt und das Kindermädchen seines erstes Sohnes geheiratet, mit der er zwei weitere Kinder bekam. Die Ehe mit Marsha Garces sollte fast doppelt so lange halten, bis zu Williams’ Rückfall in die Alkoholsucht.

Für die köstlich komische Mrs. Doubtfire erhielt Williams nicht den ersten Golden Globe (den gab es für „Good Morning, Vietnam“). Den Oscar aber, kurioserweise als bester Nebendarsteller, holte er erst ein paar Jahre später für „Good Will Hunting“, eine seiner stärksten ernsten Rollen: eine Ersatzvaterfigur. Darin wird ihm, einem Therapeuten mit Eigensinn, der ziemlich aussichtslose Fall eines von der Gesellschaft ausgemusterten Jugendlichen (Matt Damon) untergeschoben – und er entdeckt in diesem straffällig gewordenen Unterschichtkerl das verborgene Mathegenie. Selbstbewusstsein geben und es selber spüren: Steckte darin vielleicht auch das unsichtbare Leitmotiv von Williams’ eigener Biografie – das Spiel zwischen Identität und Rolle? Sein Leben war von Krisen überschattet, und er versuchte dagegen anzuspielen.

Vergleichsweise überdeutlich hatte der Regisseur Peter Weir diesen vielgesichtigen Schauspieler, der Schwäche und Stärke, Verletzlichkeit und trollhaften Trotz verkörpern konnte, schon Ende der 80er Jahre besetzt: „Der Club der toten Dichter“ mit Williams in der Hauptrolle eines gegen tote Lehrpläne eines Internats rebellierenden Literaturlehrers war ein kleiner Film – und wuchs, per Mundpropaganda, zum sich monatelang in den Kinos haltenden Millionenerfolg. Das Bild der Schüler, die in einer Höhle die wahre Poesie feiern und – zum Zeichen des stummen Protests gegen die Entlassung ihres Lehrers nach einem Schülerselbstmord – in der Klasse auf ihre Stühle steigen, ist eines, das bleibt. Wenn auch als zwiespältiges: Williams geht ganz in der Rolle auf, als Rattenfänger für die gute Sache.

"Mein erster Tag als Frau und schon habe ich Hitzewallungen." - in Mrs. Doubtfire gab Williams ein stacheliges Kindermädchen.
"Mein erster Tag als Frau und schon habe ich Hitzewallungen." - in Mrs. Doubtfire gab Williams ein stacheliges Kindermädchen.

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Nun hat er seinem Leben ein plötzliches Ende gesetzt, und wieder geht ein Schock durch Hollywood – jene lose oder auch nah verbundene Familie der Celebrities, die gewohnt ist, der Weltöffentlichkeit eine ordentlich sortierte Außenseite vorzuzeigen. Er löst sich für Augenblicke in der Anteilnahme für Williams’ Frau, die Grafikdesignerin Susan Schneider, mit der er seit drei Jahren in dritter Ehe verbunden war. Sie sagte: „Heute morgen habe ich meinen Ehemann und meinen besten Freund verloren und die Welt einen ihrer beliebtesten Schauspieler und liebenswürdigsten Menschen. Mein Herz ist völlig gebrochen.“ Und: „Ich hoffe, in den Erinnerungen wird nicht sein Tod vorherrschen, sondern die unzähligen Momente des Spaßes und des Lachens, die er Millionen gab.“

Wie schön wäre es, wenn es so kommen könnte. Doch ein so bewusst gesetztes oder zielstrebig in Kauf genommenes Lebensende lässt sich kaum von der Strecke dorthin trennen; es überstrahlt, oder sollte man sagen: überdüstert alles.

"Goooood Morning, Vietnam" - Unvergessen: Robin Williams als krakeelender Army-Radio-DJ
"Goooood Morning, Vietnam" - Unvergessen: Robin Williams als krakeelender Army-Radio-DJ

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Die Erinnerung an Heath Ledger etwa, den wortkargen schwulen Helden in Ang Lees „Brokeback Mountain“, wird sich wohl nie von den Umständen seines Todes trennen lassen: Umgeben von einem Chaos aus herumliegenden Tabletten war er, erst 28-jährig, im Januar 2008 tot in seiner Wohnung aufgefunden worden, und vorsichtig wurde gedeutet, er habe die Trennung von der Schauspielerin Michelle Williams und der gemeinsamen Tochter nie verwunden. Im Februar dieses Jahres starb der großartige Schauspieler Philip Seymour Hoffman mit erst 46 Jahren, und auch hier deutete vieles auf eine mit Drogen nicht mehr zu betäubende Lebenskrise.

Beide starben in New York, Robin Williams bei San Francisco, das gefühlt fast so weit weg von Los Angeles/Hollywood liegt wie New York. Trotzdem gehörten sie alle in jenen Lärm, der die einen listig verwöhnt und den anderen nur das Rattern der Albtraumfabrik lässt. Wie twitterte Jim Carrey, ein ausgewiesener Komiker wie Williams, nach Philip Seymour Hoffmans Tod tiefernst? „Für die Sensibelsten unter uns ist es manchmal zu laut.“

Ein leiser Film mit Robin Williams blieb hier bislang unerwähnt – einer seiner weniger erfolgsverwöhnten ernsteren, bevor er zum gehobenen Hit-Klamauk, etwa in „Nachts im Museum“, zurückfand: Es ist „What Dreams May Come“ (deutscher Titel: „Hinter dem Horizont“, 1998). Ein Mann kommt nach seinem Tod ins Paradies, seine Frau aber, die sich nach dem tödlichen Unfall ihrer Kinder das Leben genommen hat, in die Hölle – den Ort für Selbstmörder. Der Mann wandert vom Paradies in die Hölle, um seine Frau zu befreien. Und es gelingt ihm, wir sind schließlich in Hollywood.

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